Vermisst (Foto: SWR, SWR -)

Fahndung nach Personen

Wie die Polizei Trier mit Vermisstenfällen umgeht

Stand

In der Region Trier werden jedes Jahr 1.600 Menschen als vermisst gemeldet. Bei den Ermittlungen heißt es für die Polizei: jede Sekunde zählt.

Kriminalhauptkommissar Clemens Weber leitet bei der Polizei in Trier die Stelle, die sich mit Vermisstenfällen beschäftigt. Kein normaler Bürojob, wie er sagt. Ein kleines Team von sechs Beamten arbeitet in der Vermisstenstelle des Polizeipräsidiums Trier.

SWR Aktuell: Was passiert, wenn Menschen einen oder eine Angehörige vermissen und bei der Polizei das anzeigen?

Clemens Weber: Zunächst führen wir bei der Polizei immer ein persönliches Gespräch mit den Angehörigen, die die Person als vermisst melden. Da werden Eckdaten erfragt. Natürlich zu Kleidung, zum Aussehen der Person, genauso wie die Umstände. Das heißt, wie ist diese Person aus ihrem gewohnten Lebensbereich verschwunden?

Clemens Weber leitet die Stelle im Polizeipräsidium Trier, die sich mit Vermisstenfällen beschäftigt. (Foto: SWR, Martin Schmitt)
Clemens Weber leitet die Stelle im Polizeipräsidium Trier, die sich mit Vermisstenfällen beschäftigt.

Als nächstes werden Anlaufadressen abgeklärt. Die Polizei schaltet eine Art interne Fahndung. Sie stimmt sich ab, zum Beispiel mit der Bundespolizei. Wenn es um den Bereich von Bahnhöfen geht. Genauso wie mit der Rettungsleitstelle und auch mit Krankenhäusern.

SWR Aktuell: Versucht man neben dem persönlichen Umfeld auch das digitale Umfeld aufzuhellen?

Weber: Das sind wichtige Fragen: Also wo ist die Person im digitalen Netz unterwegs? Bei welchen Anbietern? Bei welchen Dienstleistungen? Großes Thema sind die sozialen Medien. Was nimmt die Person wahr und was sind ihre Gewohnheiten dort? Da wir oft auch erleben, dass die Angehörigen die Person etwas anders wahrnehmen und schildern, als die Person vielleicht ihr Leben ausgerichtet hat.

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SWR Aktuell: Macht es für die Polizei einen Unterschied, ob Erwachsene oder Jugendliche vermisst werden?

Weber: Also bei Erwachsenen ist es auf jeden Fall so, dass als Voraussetzung für einen Vermisstenfall der Aufenthaltsort unbekannt ist. Die Person muss ihren persönlichen Lebensbereich verlassen haben. Auch bei Jugendlichen muss das vorliegen. Bei Erwachsenen muss eine Gefahr für Leib und Leben begründet werden. Das muss oftmals auch ermittelt werden.

Bei Jugendlichen und Kindern nimmt man diese Gefahr zwangsläufig an. Da wir davon ausgehen, egal ob sich das vermisste Kind oder der Jugendliche freiwillig oder unfreiwillig aus seinem persönlichen Lebensbereich entfernt hat, kann es jederzeit zu einer Gefahrensituation kommen. Und deswegen unterscheiden wir das auch.

SWR Aktuell: Ab wann gehen Sie an die Öffentlichkeit? Wo sagen Sie: Da müssen wir auch an die Medien heran?

Weber: Das entscheiden wir individuell, also wenn wir auf Mithilfe aus der Bevölkerung angewiesen sind. Zum Beispiel, wenn wir keine Hinweise zu Aufenthaltsorten haben. Wir stellen fest, dass der Jugendliche oder die Jugendliche nicht mehr in sozialen Medien unterwegs ist. Dann werden wir auf jeden Fall relativ zügig auch an die Öffentlichkeit gehen, weil wir auf diese Hinweise angewiesen sind.

Aber auch, wenn sich in den sozialen Medien abzeichnet, dass Mitschüler oder Bekannte den Vermisstenfall thematisieren. Dann gehen wir auch schnell an die Öffentlichkeit, um Hinweise zu kanalisieren. Damit diese Hinweise an uns herangetragen werden und wir sie überprüfen können.

SWR Aktuell: Gibt es eine bestimmte Frist, nach der Sie sagen: Jetzt müssen wir als Polizei eine größere Suche starten?

Weber: Entgegen der oftmals herrschenden Meinung gibt es keine Frist. Also ich kann sagen, dass wir nicht erst nach zwölf Stunden oder so weitere Maßnahmen starten. Jeder Fall ist individuell und wird von uns auch so betrachtet. Das heißt, wir müssen relativ schnell suchen, gerade bei Kindern und Jugendlichen.

SWR Aktuell: Das heißt, selbst wenn die Medien das nicht direkt erfahren, suchen Beamte schon nach der Person oder den Personen?

Weber: Ja, unsere Ermittlungen laufen zu 70 Prozent wirklich im Stillen ab innerhalb der Behörde. Aber wenn wir mit einer Vermisstenmeldung an die Öffentlichkeit gehen, dann erfolgt auch relativ schnell eine Reaktion in Form von Hinweisen oder es werden Beiträge geteilt. Man hat da auch eine große Öffentlichkeitswirksamkeit.

SWR Aktuell: Gibt es ein Beispiel? Denn in den Medien sieht man ja eher die großen Suchen mit einer Hundertschaft von Polizei und Spürhunden. Aber sie haben vielleicht auch andere Methoden?

Weber: Vor kurzem hatten wir zwei minderjährige Mädchen, die aus einer Jugendhilfeeinrichtung ausgerissen waren. Sie sind also freiwillig von dort weggegangen, weil es da zu Unstimmigkeiten kam. Die eine war zwölf, die andere war 15. Das ist für uns natürlich immer eine heikle Geschichte. Natürlich haben sie selbst beschlossen, wegzugehen. Aber man muss auch damit rechnen, wenn diese Mädchen irgendwo übernachten oder irgendwo sich aufhalten, dass da auch durchaus eine Gefahr entstehen kann. Und dass sich diese beiden Mädchen dessen auch nicht bewusst sind.

SWR Aktuell: Wie sind Sie dann vorgegangen?

Weber: Wir hatten Hinweise auf mögliche Aufenthaltsorte innerhalb des Stadtgebietes Trier. Und dann haben wir auch verdeckte Fahndungen durchgeführt. Mit Zivilbeamten haben wir dann Anlaufadressen überprüft. Wir wussten ja, dass diese beiden Mädels erst einmal nicht mehr zurückkehren wollten in diese Einrichtung. Und auch nicht mit ihren Eltern Kontakt aufnehmen wollten. Wir haben die Mädchen dann bei einem Einkauf angetroffen und nach einem Gespräch mit dem Jugendamt und den Eltern sind die Mädchen schließlich doch zurückgekehrt.

SWR Aktuell: Wir hören, dass viele Jugendliche oder auch Kinder von selbst wieder auftauchen - wie viele schätzen Sie?

Weber: Ungefähr 80 Prozent der Vermissten sind nach fünf Tagen wieder da. Das bedeutet, es sind Vermisste, unter anderem auch logischerweise Minderjährige. Die hatten zum Beispiel Auseinandersetzungen beispielsweise mit Eltern und waren dann verschwunden.

Und dann ist der erste Gedanke, dass sie erst einmal wegwollen. Auch dort gibt es über Social Media Bekannte oder Freunde. Sie haben ein Netzwerk und möchten dann bei diesen Menschen für eine gewisse Zeit unterkommen. Sie hoffen, dass dann der Streit im Elternhaus geklärt ist. Oder auch die Differenzen in einer Jugendhilfeeinrichtung.

SWR Aktuell: Was sind denn noch Gründe, weshalb Kinder oder Jugendliche weglaufen?

Weber: Es können oftmals Streitigkeiten mit Mitschülern dahinter stecken oder schwierige Situationen in der Schule. Das kann auch ein schlechtes Zeugnis sein. Das sind immer wieder Situationen, wo wir als Erwachsene vielleicht sagen: "Das ist doch kein Grund, wegzulaufen".

SWR Aktuell: Wie ist es mit Senioren und Seniorinnen?

Weber: Ja, wir haben auch immer wieder Fälle, wo Erwachsene wegen einer Krankheit ihren gewohnten Lebensbereich verlassen. Wir starten dann zügig eine Suche, damit sie schnell gefunden werden. Das ist eigentlich nur ein gewisser kleiner Prozentsatz, aber über die Suchmaßnahmen haben sie eine hohe Wahrnehmung in den Medien.

SWR Aktuell: Sie ermitteln ja schon in Fällen, die einen beschäftigen. Nehmen sie das auch manchmal mit in den Feierabend?

Weber: Also für uns als Ermittler ist immer der Gedanke wichtig: Wenn man abends nach Hause geht, dann so, dass man sagt, ich kann ruhigen Gewissens nach Hause gehen. Entweder weiß ich, wo der Vermisste ist oder ich habe alles getan, um herauszufinden, wo er gerade ist. Und ich kann unter der gebotenen Sorgfalt natürlich gewisse Gefahrensituationen ausschließen. Das ist unser oberstes Gebot.

Wenn dann noch Ermittlungen ausstehen, dann scheuen wir uns auch nicht, rund um die Uhr weiterzuarbeiten. Es geht ja darum, das Schicksal zu klären. Was ist mit demjenigen passiert? Da sind wir auch bereit, unsere persönliche Energie da hineinzustecken. Vermisste sind ja nicht nur in den üblichen Bürozeiten weg sondern können morgens, abends oder auch nachts angezeigt werden. Da versuchen wir dann auch relativ schnell, auf die Überholspur zu kommen.

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