Hildegard Slabik-Münter ist Kreisvorsitzende der Partei Die Linke in der Vulkaneifel. Sie engagiert sich schon seit Jahrzehnten in der Friedensgruppe Daun mit Protesten gegen die auf dem Fliegerhorst Büchel vermuteten Atombomben der USA.
Die Kinderärztin hat schon in ihrer Studienzeit nach eigener Aussage bei "Ärzte gegen den Atomtod" mitgearbeitet. Im SWR Aktuell-Interview spricht sich Slabik-Münter strikt gegen Aufrüstung und gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aus.

SWR Aktuell: Frau Slabik-Münter, als Protestlerin gegen Atomkraft und Pazifistin, wie fühlen Sie sich, nachdem Russlands Präsident Putin im Ukraine-Krieg die Atomstreitkräfte in Bereitschaft versetzt hat?
Hildegard Slabik-Münter: Das bestätigt das, was wir seit Jahren sagen: Wir werden die vielen Atomwaffen auf der Welt nur dann überleben, wenn sie abgeschafft werden. Weil die Drohung mit Atomwaffen immer beinhaltet, dass man einen so großen Schaden in der Welt anrichtet, dass die Menschen auf der Welt nicht mehr leben können.
Angst vor russischen und US-amerikanischen Atomwaffen
SWR Aktuell: Russland hat geschätzt mit die meisten Atomwaffen auf der Welt...
Slabik-Münter: Das kann man so nicht sagen: Die Menge, die die Amerikaner haben und die einsatzfähig sind, das unterscheidet sich vielleicht um eine Anzahl von hundert. Aber beide haben tausende Atomwaffen. Und jeder hat so viele, dass sie die komplette Welt damit vernichten könnten. Die Amerikaner haben zum Beispiel so viele atomare Stützpunkte auf der Welt, dass sie jeden Ort auf der Welt innerhalb von 30 Minuten mit ihren Atomwaffen erreichen können.
SWR Aktuell: Empfinden Sie im Moment eine Ohnmacht, wie es sie auch im Kalten Krieg gab? Weil man nicht einschätzen kann, wie es weiter geht und weil Putin so unberechenbar ist?
Slabik-Münter: Ich möchte das bei mir nicht als Ohnmacht bezeichnen. Das ist etwas, das mich antreibt, die Dinge zu sagen, die ich schon immer sage und mich dafür einzusetzen. Ohnmächtig sind wir schon die ganze Zeit, sodass wir jetzt die Waffen nicht einfach wegräumen können.
Aber wir müssen immer weiter darauf hinwirken, dass man auf diplomatischem Wege und mit Verträgen, wo man sich gegenseitig kontrolliert, die Sache in den Griff bekommt. Ich nehme es in der letzten Zeit umgekehrt wahr: Dass Verträge, die die gegenseitige Abrüstung kontrolliert haben, aufgekündigt wurden. Das ufert aus in ein neues Wettrüsten.
"Dieses Umschwenken zum Militarismus in der deutschen Gesellschaft seit Sonntag erschreckt mich."
Ohnmächtig sind wir da schon lange. Da ändert die augenblickliche Situation nicht so viel daran. Was mich viel mehr entsetzt, ist, dass es plötzlich so ein Umschwenken gibt. Dass die Menschen dazu gebracht werden, zu sagen: "Es ist besser, wir sind tüchtig aufgerüstet und wir haben diesen atomaren Schutzschild, damit wir überhaupt überleben können."
Wir werden mit einem atomaren Schutzschild nicht überleben. Man vergrößert die Gefahr: Wenn zum Beispiel atomare Waffen aus Versehen losgehen. Wenn Terroristen die Bomben haben. Und natürlich, wenn Regierungschefs dann doch irgendwann gewillt sind, ihre Atomwaffen einzusetzen. Dieses Umschwenken zum Militarismus in der deutschen Gesellschaft seit Sonntag erschreckt mich.
SWR Aktuell: Da hat Bundeskanzler Scholz in einer Sondersitzung des Bundestages einen Sonderetat für die Bundeswehr von 100 Milliarden Euro angekündigt. Was halten Sie davon?
Slabik-Münter: Davon halte ich überhaupt nichts, weil es der Ukraine auch gar nicht hilft. Das sind Gelder, die gebraucht werden, um neue Flugzeuge zu kaufen. Das wird nicht akut jetzt ausgegeben, sondern über vier Jahre verteilt. Das hat mit der Ukraine rein gar nichts zu tun. Jeder, der aufrüstet, kommt nicht dem Frieden näher.
Es wird immer davon gesprochen, dass die Bundeswehr so kaputtgespart ist. Man muss sich vorstellen, dass die 50 Milliarden, die wir sowieso schon für unsere Rüstung im Jahr ausgeben, täglich etwa 150 Millionen Euro sind. Wenn man jetzt noch mal 25 Millionen Euro täglich dazurechnet, die wir dann jedes Jahr ausgeben … dann frage ich mich, wie man alle anderen Verpflichtungen erfüllen möchte: Dass man soziale Gerechtigkeit herbeiführt, dass man für ein ordentliches Gesundheitswesen sorgt. Diese Dinge werden ja damit absolut blockiert werden.
Waffenstillstand sei einzige Lösung für Ukraine-Krieg
SWR Aktuell: Jahrelang war es ein deutscher Grundsatz, dass von Deutschland aus keine Waffen in Konflikte geliefert werden – aus historischen Gründen. Wenn aber jetzt Menschen in der Ukraine von Russland angegriffen werden, muss man sie dann nicht mit Waffen unterstützen?
Slabik-Münter: Ich finde, man kann die Menschen in der Ukraine nur unterstützen, indem man mit allen Mitteln einen Waffenstillstand herbeiführt. Nicht mit einer Aufrüstung. Sondern auf diplomatischem Wege. Man kann diese Brücke aber nicht bauen mit diesen sozusagen friedlichen Mitteln, dass wir die Wirtschaft Russlands zerstören. Das ist kein Handreichen, um Diplomatie einzuführen.
"Jede Waffe, die wir in die Ukraine schicken, tötet Menschen."
Damit treibt man einen hochgerüsteten Gegner in eine Ecke, in der wir ihn nicht haben wollen. Wo er unkontrolliert beißen wird. Ich finde, es geht nur, indem wir darauf dringen, dass es einen Waffenstillstand gibt. Das ist die einzige Möglichkeit, dort Menschenleben zu retten. Jede Waffe, die wir dorthin schicken, tötet ja Menschen. Und das ist nicht in Ordnung.
Spenden und mitanpacken in Rheinland-Pfalz So können Sie den Menschen in der Ukraine helfen
Viele Menschen in Rheinland-Pfalz fragen sich angesichts des Kriegs in der Ukraine, wie sie helfen können - wir geben einen Überblick.
SWR Aktuell: Diplomatie in dem Sinn, dass Deutschland als Vermittler auftritt?
Slabik-Münter: Man müsste jemanden finden, der zwischen Russland und der Ukraine vermittelt. Das wird sicherlich nicht Israel sein, was der ukrainische Präsident Selenskyj ins Spiel gebracht hat. Man muss diese Gespräche täglich führen und die Russen dazu drängen. Und auch Angebote für deren Sicherheit machen.
"Man muss auf einen Waffenstillstand hinwirken und das macht man nicht mit Waffen."
Natürlich ist das Hauptanliegen, dass es keine Auseinandersetzungen mit Waffen in der Ukraine mehr gibt. Aber das wird auch nur gehen, indem man den Wunsch, den Russland ursprünglich hatte, dass man ihnen Sicherheitsgarantien gibt – dass man da auch etwas findet, das man gemeinsam tragen kann.
SWR Aktuell: Welche Sicherheitsgarantien? Russland führt einen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Slabik-Münter: Natürlich ist das ein Angriffskrieg und der ist auch nicht gerechtfertigt. Es wird aber den Menschen in der Ukraine nicht helfen, dass man mit ganz vielen Waffen dagegen vorgeht. Man muss auf einen Waffenstillstand hinwirken und das macht man nicht mit Waffen.
SWR Aktuell: In der Bundespolitik ist spätestens seit Sonntag die Rede von einer Zeitenwende. Vertreten Sie dennoch auch in der jetzigen Situation noch den Grundsatz „Frieden schaffen ohne Waffen“?
Slabik-Münter: Für mich, ja. Die Zeitenwende ist sicher eingetreten mit dem, was Herr Scholz am Sonntag gesagt hat. Zum Glück hat er am Ende noch gesagt, Deutschland ist für Gespräche bereit. Sonst war ja seine ganze Rede keine, die Frieden in Aussicht stellte. Sondern nur Aufrüstung. Und das ist immer etwas, das zu kriegerischen Auseinandersetzungen und zu Mord und Totschlag führt.
"Aufrüstung ist immer etwas, das zu Mord und Totschlag führt."
Atomkrieg würde Rheinland-Pfalz schwer treffen
SWR Aktuell: Wenn jetzt Deutschland doch in den Krieg hineingezogen würde, weil beispielsweise der Nato-Bündnisfall eintritt – wäre Büchel in der Eifel dann ein direktes Ziel für Russland?
Slabik-Münter: Ja, natürlich muss man das immer mit ins Auge fassen. Und das wird nicht nur Büchel sein. Es wird Wiesbaden sein, es wird Ramstein sein, es wird Spangdahlem sein. Rheinland-Pfalz würde übelst vernichtet werden.