Peter Berger steht auf einem Feldweg im Osten von Bitburg. Der ehemalige Grünen-Stadtrat schaut auf ein Bauwerk, das es nach seiner Ansicht gar nicht geben dürfte. Eine neue Brücke spannt sich dort seit Kurzem über die Bahngleise.
Sie ist der erste Vorbote einer Umgehungsstraße, über die ab 2024 täglich rund 7.000 Autos fahren sollen. Eine Straße, die seit Jahrzehnten für Diskussionen in der Eifel sorgt.
Ein Streitpunkt seit den Siebzigern
Erste Pläne für die sogenannte Nord-Ost-Tangente stammen aus den 1970er-Jahren. Seitdem ist die Umgehungsstraße ein Streitpunkt. Die einen halten sie für unverzichtbar, die anderen für überflüssig.
Vor einigen Jahren haben sich allerdings die Befürworter durchgesetzt. Die Landesregierung hat 2019 die ersten fünf der veranschlagten elf Millionen Euro für das Projekt bereitgestellt. Und somit den Bau der Tangente ermöglicht.
Tangente soll Bitburger Innenstadt entlasten
Bürgermeister Joachim Kandels (CDU) freut es, dass es mit dem Vorhaben in seiner Amtszeit losgeht. Davor hatten sich immerhin Generationen von Stadtchefs damit befasst.
"Die Nord-Ost-Tangente ist für eine nachhaltige Verbesserung der gesamten Verkehrssituation in der Stadt Bitburg zwingend erforderlich."
Kandels erwartet, dass die Umgehungsstraße für eine Entlastung der Innenstadt vom Verkehr sorgt. 6.000 bis 8.000 Autofahrer sollen die Tangente statt der innerstädtischen Straßen nutzen, heißt es beim Landesbetrieb Mobilität (LBM) in Gerolstein.
"In Bitburg gibt es dann praktisch keinen Durchgangsverkehr mehr", sagt Behördenleiter Harald Enders, der selbst im Ort wohnt. Die Tangente soll Staus verhindern und somit auch Lärm und schädliche Emissionen.
30 Hektar Land für den Straßenbau
Umweltschützer Peter Berger glaubt daran hingegen nicht. Für den Anwohner ist die Umgehung nur ein Ärgernis: "Der Aufwand, der für diese Straße betrieben wird, steht in keiner Relation zum Nutzen." Nicht nur würden hier 11,5 Millionen Euro "versenkt", sondern auch die Umwelt zerstört, kritisiert er.
30 Hektar Land sollen der Nord-Ost-Tangente nach Angaben des LBM weichen. Ein Naherholungsgebiet und Felder werden zerschnitten. Zudem soll die neue Fahrbahn direkt an einer Kleingartenanlage vorbeiführen.
Seit Jahrzehnten Widerstand
26 Jahre lang hat sich Berger daher als ehemaliger Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bitburger Stadtrat gegen die Verbindung ausgesprochen - genauso wie Mitstreiter Stephan Garçon von der SPD. "Auf dieser Trasse habe ich schon 1989 gestanden, damals noch als Jungsozialist", erzählt der Eifeler Sozialdemokrat: "Und wir haben da entlang der Wohngebiete Plakate aufgehängt."
Bürgerversammlungen wurden organisiert, Sticker geklebt, Unterschriften gesammelt. Genützt habe der Protest aber nichts. Die Mehrheiten im Stadtrat waren andere und nun rollen die Bagger. Es werden Fakten geschaffen.

Anwohner sprechen von "Schildbürgerstreich"
Wer sich bei den Anwohnern umhört, bekommt solche Aussagen häufiger zu hören. "Gar nichts" halte er von dem Projekt, sagt etwa Heinrich-Günther Schackmann: "Die braucht kein Mensch." Martin Lejeune, dessen Elternhaus an der Umgehungsstraße liegt, spricht von einer "Katastrophe": "Diese Tangente bringt niemandem etwas. Sie richtet nur Schaden an."
Kampf auf verlorenem Posten
Die Chancen, das Projekt noch zu stoppen, stehen allerdings schlecht. Denn die erste Brücke steht ja schon und die Aufträge für zwei weitere sind laut LBM erteilt. Dass sie vergebens kämpfen, sehen die Gegner der Tangente daher inzwischen selbst so. Garçon und Berger sind in der Politik nicht mehr aktiv. Sie haben sich aus dem Stadtrat zurückgezogen und das Feld den Jüngeren überlassen
Bitburger werden vor Tatsachen gestellt
Einer davon ist David Ewald, neuer Fraktionschef der Bitburger Grünen. Auch er ist kein Freund der Nord-Ost-Verbindung: "Der Bau stellt eine zusätzliche Versiegelung von Natur dar. Obwohl wir eine Verkehrswende brauchen."
Dennoch sieht er wenig Spielraum, einzuschreiten. Grüne und SPD wurden im Stadtrat von CDU, Freien Wählern und FDP überstimmt. Und nun werde man vor vollendete Tatsachen gestellt, sagt Ewald: "Da ist wohl nicht mehr viel dran zu rütteln an dieser Baumaßnahme." Was auch ein Grund dafür sein könne, dass sich bei einigen Anwohnern mittlerweile kein echter Widerstand mehr rege.
Bürgermeister rechnet mit mehr Wohn- und Lebensqualität
"Das Meckern fängt erst wieder an, wenn die Tangente da ist", prophezeit Peter Berger: "Dann begreifen die Leute, was wir uns da angetan haben."
Bürgermeister Kandels sieht das ganz anders. Er erwartet von der Umgehungsstraße "eine Steigerung der Wohn- und Lebensqualität im Norden der Stadt." 2024 soll der erste Bauabschnitt fertig sein. Spätestens dann wissen die Bitburger, wer mit seiner Einschätzung Recht hatte.