Ehrang steht teilweise unter Wasser. Die Flut der Kyll hat den Ort erreicht. Auch in der Eifel hat die Kyll viele Häuser unter Wasser gesetzt. (Foto: SWR, Andrea Meisberger)

Ein Jahr nach der Flutkatastrophe im Juli 2021

Trier-Ehrang kämpft immer noch mit den Folgen der Flut

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Jana Hausmann

Am 15. Juli 2021 überschwemmte die Kyll einen großen Teil von Trier-Ehrang. Nun hat die Stadt Trier vorgestellt, wie sie zukünftig mit solchen Katastrophen umgehen will.

Das Bürgerhaus von Trier-Ehrang ist eine einzige große Baustelle. Abgeblätterte Farbe an den Wänden, Baumaterial, das in einem Saal des Hauses gestapelt wurde und Maler, die in einem Teil des Gebäudes bereits einige Wände weißen. Die Schäden, die das Hochwasser im Juli 2021 hier angerichtet hat, sind noch deutlich sichtbar. Das Wasser hatte den gesamten Keller geflutet, die Haustechnik nahezu zerstört, fast alles muss hier erneuert werden.

Vielleicht auch deswegen steht Triers Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD) heute hier auf dem nackten Estrich des Bürgersaals, um den 15. Juli noch einmal Revue passieren zu lassen.

"Es war ein wunderschöner, sonniger Tag. Es hat nicht geregnet und geschüttet, sondern die Leute waren entspannt und haben gedacht, es kann nichts mehr kommen."

4.200 Menschen mussten aus ihren Häusern

Und genau das, so Leibe am Montag in einer Pressekonferenz, war Teil des Problems. Denn das Wasser kam und zwar derart zerstörerisch, wie es sich kaum jemand vorstellen konnte. Wie zum Beweis wird über eine Leinwand ein Video eingespielt, das zeigt, wie die Kyll in reißenden Fluten durch den Ort zieht.

Der Oberbürgermeister schildert wie 4.200 Ehrangerinnen und Ehranger aus ihren Häusern mussten, wie 142 Menschen und 60 Haustiere per Boot und Radlader vor den Fluten in Sicherheit gebracht wurden und wie etwa 650 Rettungskräfte unermüdlich im Einsatz waren, um noch mehr Leid zu verhindern.

"Die Art und Weise wie die Kyll Ehrang unter Wasser gesetzt hat, das sind Bilder, die sich ins Hirn gebrannt haben!"

Keine Verletzten - enorme Schäden an Gebäuden

Auch ein knappes Jahr nach der Flut wirkt der Oberbürgermeister noch sichtlich erleichtert, als er berichtet, dass trotz des Ausmaßes der Katastrophe niemand verletzt worden sei. Dennoch: Die Schäden, die durch die Überschwemmung an Privathaushalten und öffentlichen Gebäuden entstanden sind, waren und sind enorm. Unmittelbar nach der Flut mussten laut Stadt 700 Keller ausgepumpt werden. Insgesamt seien 1016 Häuser und 35 Straßen von Flutschäden betroffen gewesen.

Millionen an Fördergeldern ausgezahlt

Immerhin: Die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) habe bereits 8,4 Millionen Euro an Betroffene ausgezahlt - von 870 Förderanträgen die Schäden im privaten Hausrat betreffen, seien 770 genehmigt worden. Auch für Gebäudeschäden habe die ISB bereits fast zehn Millionen Euro bewilligt.

Die Stadt selbst hat den Flut-Betroffenen nach eigenen Angaben mit bisher fast vier Millionen Euro unter die Arme gegriffen. Und auch um die öffentlichen Gebäude zu sanieren, die bei der Hochwasserkatastrophe beschädigt wurden, muss die Stadt einiges an Geld in die Hand nehmen. Triers Baudezernent Andreas Ludwig spricht von Schäden in Höhe von sieben Millionen Euro.

Aufbauarbeiten nach Flut dauern an

Während das Feuerwehrhaus mittlerweile fertig sei, liefen in einer Kindertagesstätte, dem Montessori-Kinderhaus und dem Jugendtreff noch die Sanierungsarbeiten. Bis die geflutete Sporthalle der Grundschule wieder in Betrieb genommen werden kann, gehen laut Ludwig noch Monate ins Land. Die Schäden dort seien derart massiv, dass die Halle wahrscheinlich erst Ende 2023 wieder hergestellt sei.

"Wir schauen nach vorne und hoffen, dass so eine Katastrophe nicht noch einmal passiert."

Stadt investiert in Hochwasserschutz

Damit so etwas nicht noch einmal passiert, ist die Stadt nicht untätig, sagt Alexander Hammel vom Tiefbauamt. Derzeit werden auf einer Insel in der Kyll noch die Flutschäden beseitigt. Treibgut und angeschwemmter Müll, die beim nächsten Hochwasser wieder in der Kyll landen könnten werden noch entfernt. Außerdem ist geplant, Querrillen und Entwässerungsmulden anzulegen, um bei einem künftigen Hochwasser unter anderem den Abfluss des Wassers zu erleichtern. Insgesamt plant die Stadt, den bereits bestehenden Hochwasserschutz weiter zu verbessern.

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So werde eine Modellrechnung durchgeführt, die zeigen solle, was es bringt, wenn man beispielsweise den Flusslauf verbreitert oder die Schutzmauern erhöht. Auf dieser Grundlage sollen geeignete Hochwasserschutz-Maßnahmen ausgewählt werden. Zudem sollen spezielle Hochwassergefahrenkarten für die Kyll erstellt werden. Die Stadt erhofft sich davon einen besseren Überblick über potenziell gefährdete Stellen.

Bernkastel-Wittlich

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Katastrophenschutz soll verbessert werden

Während die Stadt Trier also daran arbeitet, Flutkatastrophen, wie die Juli-Flut künftig besser in den Griff zu bekommen, wollen Feuerwehr und Stadtwerke den Katastrophenschutz verbessern. Jede Feuerwehr sei mittlerweile mit einem Auto ausgestattet, welches über einen Kugellautsprecher verfügt, mit dem Warnungen verbreitet werden können, sagt Triers Feuerwehrchef Andreas Kirchartz.

"Nach der Katastrophe ist vor der Katastrophe. Wir hoffen für das nächste Mal noch besser aufgestellt zu sein."

Verbesserung bei Organisation und Ausstattung

Die Audio-Sprachansagen sind einheitlich und gut verständlich für verschiedene Situationen geeignet - vom Hochwasser über einen Riss im Staudamm bis zu Situationen bei denen es Störungen im Telefon- oder Stromnetz gibt. Damit könnten die Menschen je nach Lage gezielt gewarnt werden.

Die Trierer Feuerwehr habe außerdem eine zusätzliche Sandsackfüllanlage, 100.000 Sandsäcke sowie ein besseres Boot angeschafft, das für den Einsatz in Städten geeignet ist. Außerdem seien Feldbetten eingelagert worden und es gebe ein neues Lager für Hilfsgüter, die während einer Katastrophe eingesetzt werden könnten. Die Stadtverwaltung verfüge darüber hinaus über eine eigene Abteilung zum Thema Katastrophenschutz und es werde regelmäßig ein runder Tisch zum Thema abgehalten.

Flächendeckendes Sirenennetz geplant

Um im Notfall die Bevölkerung schnell und effektiv warnen zu können, arbeiten die Stadtwerke Trier (SWT) daran, ein möglichst flächendeckendes Sirenennetz aufzubauen. Nach Angaben von Vorstandsmitglied Arndt Müller sollen bis 2024 insgesamt 55 neue Sirenen in Betrieb gehen. Jede Sirene sei auf einem etwa 16 Meter hohen Mast befestigt und habe ein Reichweite von etwa 500 Metern. Drei davon seien bereits in Trier-Ehrang installiert und würden derzeit getestet.

Eine Herausforderung für Jahre

Trier-Ehrangs Ortsvorsteher Bertie Adams hofft, dass all das nicht gebraucht wird. Denn an die nächste Flut will er gar nicht denken. Schließlich kämpfen die Ehrangerinnen und Ehrang auch heute noch mit den Folgen der Juli-Katastrophe. Längst sind noch nicht alle Schäden beseitigt. Er schätzt, dass die Hälfte der Betroffenen noch nicht wieder in ihr Zuhause zurückkehren konnte.

"Diese Flut wird uns noch auf Jahre beschäftigen."

Neben finanziellen Problemen verhindere auch der Mangel an Handwerkern, dass es bei der Sanierung der Häuser weiter vorangehe. Dennoch ist der Ortsvorsteher froh, dass man den Betroffenen wenigstens auf andere Art und Weise unter die Arme greifen kann. So werde das Zelt neben der Kirche, bei dem sich Menschen unter anderem bei Förderanträgen helfen lassen aber auch psychologische Hilfe in Anspruch nehmen könnten, mittlerweile rege genutzt. Dort sei ein regelrechter Kommunikationspunkt entstanden.

Gottesdienst am Jahrestag der Flut

Am Jahrestag der Flut, am 15. Juli 2022 wollen die Ehranger Bürgerinnen und Bürger erneut zusammenkommen. Auf dem Marktplatz in Trier-Ehrang soll es einen ökumenischen Gottesdienst geben. Ein passender Zeitpunkt, um sich gemeinsam an das Erlebte zu erinnern und gemeinsam nach vorne zu schauen.

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