Schon beim Öffnen der Tür des Mehrgenerationenhauses „KulturGießerei“ in Saarburg hört man das fröhliche Stimmengewirr der vielen Besucher und Aktiven. Im Café rechts neben dem Eingangsbereich sitzen Seniorinnen und stricken zusammen. Am Ende des Ganges sammeln sich die Mitglieder des Rommé Clubs. Und im Innenhof wird eine Besuchergruppe über das Gelände der alten Glockengießerei geführt. Zwischendurch: Eine Gruppe von Kindern. Nach nur kurzer Zeit weiß man: Im Mehrgenerationenhaus Saarburg ist einiges los.
Mittendrin ist auch der 20-jährige Julian. Er sucht einen freien Raum. An so lebhaften Tagen wie heute könne das schon mal ein bisschen dauern.
Aber kein Problem! Er habe Zeit mitgebracht, sagt er geduldig und schmunzelt. Geduld – eine Stärke von Julian, die er als ehrenamtlicher Digitalbotschafter in der KulturGießerei gut gebrauchen kann.
Julian freut sich über jeden Stammgast
Seit eineinhalb Jahren engagiert sich der 20-Jährige im Mehrgenerationenhaus und beantwortet als Digitalbotschafter alle technischen Fragen rund um Smartphone, Laptop und Co. Was ist ein Account? Wie richte ich ein Handy ein? Wie schicke ich eine WhatsApp? Wie finde ich etwas mit der Suchmaschine? Mittlerweile ist der Fragenkatalog von bereits beantworteten Fragen lang. Da kann es schon mal vorkommen, dass die eine oder andere Frage mehrfach gestellt wird. "Ich kann gar keine Frage nicht mehr hören. Jede Frage ist für jeden Menschen wichtig und hat ihre Berechtigung."
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Aber nicht nur die eine oder andere Frage tauche immer wieder auf. Mittlerweile habe er auch etliche Stammgäste, die regelmäßig einen Termin für eine Sprechstunde buchen. Eine von ihnen ist Ingrid. So richtig fit war Ingrid mit dem Handy nie. Bei den meisten Fragen hatte sie immer Unterstützung von ihren Enkeln, die nun allerdings zu weit entfernt wohnen. Umso besser, dass es Julian gibt, der ihr regelmäßig über die Schultern schaut.
Was ursprünglich mal vor Monaten mit einem Beratungsgespräch in Sachen Handy begonnen hat, hat sich mittlerweile zu einem Treffen unter Freunden entwickelt. "Der Austausch ist mir sehr wichtig. Ich bemerke, dass nur wenige Ältere mit Jüngeren sprechen, die nicht zu ihrer Familie gehören." Für sie sei es auch wichtig, sich mit jungen Menschen auszutauschen, die nicht ihre Enkel sind.
Digitalprojekt richtet sich an jeden
Für Julian ist das Projekt der Digitalbotschafter das beste Beispiel dafür, dass Jung und Alt voneinander lernen können. Wobei nicht nur Senioren seine Hilfe suchen. Grundsätzlich kann jeder, der eine Frage hat, auf Julian zukommen. Auch er habe von dem Projekt und den Gesprächen sehr viel zehren können. Zum Beispiel, wie wichtig es sei, immer langsam und deutlich zu sprechen oder sich auch mal spontan auf eine Situation einzulassen. "Nur wenn man sich gegenseitig hilft und lernt, sich zu verstehen und zu tolerieren, hat man auch die Gelegenheit, dass Sachen nicht in Vergessenheit geraten." Diese Erfahrung teilt er auch mit seinen Teamkollegen.
Seitdem das Projekt Anfang 2019 im Mehrgenerationenhaus an den Start gegangen ist, sind die Termine für die Beratungsgespräche regelmäßig ausgebucht, erinnert sich Sigrid Schneider, die Koordinatorin des Projektes im Mehrgenerationenhaus. Immer wieder kamen vor allem Senioren auf Sigrid im Offenen Treff zu und fragten nach Hilfestellung in Sachen Technik. Auf ihrer Suche nach Hilfe stieß Sigrid im Internet auf das Projekt „Digitalbotschafter für Rheinland-Pfalz“ des Landes und bat um Hilfe.
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Interessierte Städte in Rheinland-Pfalz können sich beteiligen
Heute ist das Mehrgenerationenhaus ein fester Partner des Projektes und geht mit gutem Beispiel für andere Städte in Rheinland-Pfalz voran. Für jede weitere Unterstützung ist das Team dankbar, denn die Termine sind sehr begehrt. Julian würde sich immer wieder aufs Neue dafür entscheiden, als Digitalbotschafter aktiv zu werden. "Nur wenn man mit gutem Beispiel vorangeht, seine Kompetenzen nutzt, um anderen etwas Neues zu zeigen, hat man die Gelegenheit, dass andere Menschen sich auch so verhalten."