Das Archiv des Bistums Trier. (Foto: SWR, Ansgar Zender)

Zwischenbericht zu sexuellem Missbrauch

Missbrauchs-Kommission: Bistum Trier kümmert sich zu wenig um Opfer

Stand
AUTOR/IN
Anna-Carina Blessmann
Anna-Carina Blessmann am Mikrofon (Foto: SWR)

513 Betroffene, 195 Beschuldigte: Die Aufarbeitungskommission zu sexuellem Missbrauch stellt erste Erkenntnisse vor - und kritisiert den Umgang des Bistums Trier mit den Opfern.

Das Bistum Trier hat die Situation derjenigen, die in seinem Bereich Opfer sexuellen Missbrauchs geworden sind, zu wenig beachtet, als es diese Fälle intern bearbeitet hat. Die Betroffenen seien nicht über den Fortgang der Untersuchungen informiert worden. Ihnen wird der Zugang zu Akten ihres Falls erschwert wie auch der Antrag auf Anerkennung ihres sexuellen Missbrauchs.

Das sind Erkenntnisse des ersten Zwischenberichts, den die "Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Verantwortungsbereich des Bistums Trier" am Donnerstag vorgestellt hat. Die Kommission ist aus Wissenschaftlern und Betroffenenvertretern zusammengesetzt.

Unabhängige Aufklärungskommission stellt Zwischenbericht zu Missbrauch in der Kirche vor (Foto: SWR)
Die Unabhängige Aufarbeitungskommission wurde im Juni 2021 in Trier gegründet. Ihr gehören sieben Mitglieder an, die zunächst auf drei Jahre ernannt wurden. Darunter sind unter anderem eine Psychologin, ein Historiker, der ehemalige rheinland-pfälzische Justizminister Gerhard Robbers (SPD), die Direktorin des Trierer Bistumsarchivs und zwei Betroffene.

Auf Opfer sexuellen Missbrauchs muss eingegangen werden

Die Kommission fordert, dass das Bistum Betroffene regelmäßiger und intensiver über seine internen Untersuchungen zu sexuellem Missbrauch unterrichtet. Auch die Akteneinsicht und die Anträge auf Anerkennung des Missbrauchs müssten einfacher und transparenter werden.

Betroffene bräuchten außerdem eine langfristige Beratungs- und Anlaufstelle - die Kommission schlägt hier eine besondere Seelsorge für die Betroffenen vor oder dass eine unabhängige Ombudsstelle eingerichtet wird.

"Für die Betroffenen ist das keine Vergangenheit, sondern noch immer allgegenwärtig. Ich habe ein Gespräch geführt mit einem Betroffenen aus dem Fall Krischer. Der Mann ist jetzt über 80 Jahre alt und froh, dass sein Fall nun doch noch aufgearbeitet wird."

Seit der Nachkriegszeit bis 2021 konnte die Kommission nach eigener Aussage auf Grundlage von Daten des Bistums 513 Betroffene und 195 mutmaßliche oder überführte Täter, darunter zwei Frauen, identifizieren. Wie hoch die Dunkelziffer ist, soll in den kommenden Jahren eingeschätzt werden können.

Video herunterladen (7,7 MB | MP4)

Bistum hat neue Opfer in vielen Fällen nicht geschützt

Die Kommission sieht außerdem eine "große Reihe von Fällen", in denen das Bistum nichts getan hat, um potenzielle Opfer vor sexuellem Missbrauch zu schützen. Vermeintliche und überführte Täter seien innerhalb und außerhalb des Bistums versetzt worden und hätten auch am neuen Ort Kinder und Jugendliche missbraucht.

Der Zwischenbericht nennt außerdem zwei, so heißt es, "gravierende" Fallbeispiele: Zum einen das von Pastor Franz Engelhardt, der sich im Eifeldorf Ehlenz bei Bitburg über zehn Jahre an Kindern vergangen hatte und dafür auch verurteilt wurde.

Zum anderen das eines Priesters, der laut einer Studie im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz Anfang der sechziger Jahre nach Paraguay geflüchtet war, um der Strafverfolgung wegen sexuellen Missbrauchs zu entgehen. Der Generalvikar des Bistums soll dabei geholfen haben.

Wegen solcher Fälle soll dem ersten Zwischenbericht der Kommission daher auch Mitte Oktober eine Studie folgen, in der Rolle und Verantwortlichkeit der Kirche beurteilt werden. Darin soll es um die Missbrauchsfälle in der Zeit von Bischof Bernhard Stein gehen. Dieser steht im Verdacht, sexuellen Missbrauch vertuscht zu haben.

"Die beiden hier dokumentierten Fälle zeigen außerdem in klarer Form, dass das Bistum Trier als Teil einer Weltkirche zu verstehen ist, in der bis in die jüngste Vergangenheit die Vertuschung sexuellen Missbrauches an der Tagesordnung war."

"MissBit" hofft auf schnelle Aufarbeitung des Falls Bischof Stein

Dass die Kommission in ihrem ersten Zwischenbericht keine jüngeren Fälle aus den Amtszeiten noch lebender Bischöfe wie Marx oder Ackermann vorgestellt hat, kritisiert Thomas Kiessling, zweiter Vorsitzender der Opferinitiative "MissBit". Auch die Vertuschungsvorwürfe gegenüber Bischof Stein müssten aufgearbeitet werden. Dass die Studie dazu erst im Oktober kommen soll, sei zu spät.

"Uns liegen Akten vor, dass Bischof Stein vertuscht hat und Straftaten begangen hat."

Darüber hinaus begrüßt er, dass die Kommission und das Bistum zusammenarbeiten. Dennoch sei die Akteneinsicht für ihn als Opfer sehr schwierig.

"Es wäre einfach wichtig, dass das Bistum jetzt mal alles offen legt, was da ist. Denn sonst ist kein Vertrauen aufzubauen."

Außerdem seien drei Jahre, um die Fälle aufzuarbeiten, zu wenig. Die Kommission würde sich zudem nur alle drei bis vier Monate treffen, was nicht oft genug sei, so Kiessling.

Vom Bistum fordert er nun klare Worte. Die Fakten seien eindeutig. Und diese müssten nun weiter verfolgt werden.

Bischof Ackermann hofft durch Studie auf Erkenntnisse zu eigenem Handeln

Die Forderungen werde man aufnehmen und im Betroffenenbeirat und im Beraterstab weiter besprechen, so Bischof Stephan Ackermann.

"Der Zwischenbericht ist für mich keine Erleichterung. Auch, wenn es jetzt schon Empfehlungen gibt, das Handeln zu verbessern."

Er hoffe zudem im weiteren Verlauf der Studie auf Erkenntnisse zu seinem eigenen Handeln. Er sehe das als einen wichtigen Schritt zur weiteren Professionalisierung.

Kommission will Opfer vor Retraumatisierung schützen

Es sei wichtig, die Missbrauchsopfer vor Retraumatisierung zu schützen, so der Sprecher der Kommission, Gerhard Robbers, im Anschluss an die Pressekonferenz am Donnerstag. Deshalb würden diese auch nicht direkt angesprochen werden.

"Denn es kann sein, dass sie nichts mehr damit zu tun haben wollen. Dass sie nicht darauf angesprochen werden wollen. Deshalb hoffen wir, dass wir von den Betroffenen angesprochen werden."

Opfer sollen zukünftig bessere Akteneinsicht bekommen

Die Akteneinsicht soll für Opfer in Zukunft leichter werden, so Bischof Ackermann. Bisher sei das aufgrund von Persönlichkeitsrechten der Täter nicht möglich gewesen. Seit Beginn diesen Jahres sei das neue Personalaktengesetz in Kraft. Damit würden die Akteneinsichtsrechte sehr transparent geregelt.

Opferinitiative stellt Unabhängigkeit der Kommission infrage

Schon im Vorfeld wurde die Arbeit der Kommission selbst kritisiert: Auf Initiative der Kommission seien mehrere ausführliche Gespräche mit der Opferinitiative "MissBit" geführt worden. Dabei sei deutlich geworden: Offenbar stellten Betroffene und Teile der Öffentlichkeit die Unabhängigkeit der Kommission infrage.

Auch darauf geht die Kommission in ihrem Zwischenbericht ein: Zwar halte man die Zweifel an der Unabhängigkeit für unbegründet. Man sehe diese Zweifel aber auch als Beleg dafür, dass die katholische Kirche an sich Glaubwürdigkeit verliert.

Die Kommission fragt sich deshalb, ob es sinnvoll wäre, wenn die Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung gegen sexuellen Kindesmissbrauch die Mitglieder der Kommission mit berufen dürfte.

Stiftung gegründet

Die weitere Arbeit der Kommission ist derweil gesichert: Nach eigenen Angaben wurde die "Stiftung Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Bistum Trier" gegründet, um die Aufarbeitung und die Studie dafür zu finanzieren.

Trier

Vor Zwischenbericht zu sexuellem Missbrauch Missbrauchsopfer erhebt Vorwürfe gegen Trierer Aufarbeitungskommission

Der erste Bericht der Aufarbeitungskommission zu sexuellem Missbrauch im Bistum Trier soll morgen erscheinen. Die Süddeutsche berichtet jetzt aber von Vorwürfen eines Opfers.

Am Nachmittag SWR4 Rheinland-Pfalz

Trier

In Krankenhausseelsorge tätig Bistum Trier: Wegen Sexualstraftaten verurteilte Priester in Kliniken eingesetzt

Unter der Leitung des Trierer Bischofs Ackermann sind bis vor wenigen Jahren mehrere wegen Sexualstraftaten verurteilte Priester in der Krankenhausseelsorge eingesetzt worden.

Am Nachmittag SWR4 Rheinland-Pfalz