Das Hotel Brunnenhof in Bekond (Kreis Trier-Saarburg) steckt derzeit voller Leben. Junge Mütter spielen mit ihren Kindern im Hof. In den Zimmern im oberen Stockwerk haben sich Familien eingerichtet.
Doch die rund 15 Leute, die hier derzeit wohnen, sind keine Hotelgäste. Es sind Geflüchtete aus der Ukraine, die Schutz vor dem Krieg in ihrem Heimatland suchen. Und der Brunnenhof ist auch kein normales Hotel, sondern eine Pilgerherberge der russisch-orthodoxen Kirche mit eigener Hauskapelle.
Selbstverständlich ist es daher nicht, dass die Vertriebenen hier unterkommen. Denn der höchste Geistliche der russisch-orthodoxen Kirche, der Moskauer Patriarch Kyrill I., unterstützt den Angriffskrieg Wladimir Putins.

Flüchtlingshilfe und Spendenaktionen
Für Michael Doskovski spielt das allerdings keine Rolle. Zwar ist er Mitglied der orthodoxen Kirchengemeinde und Mitbegründer des Pilgerhotels. Den Ansichten des Patriarchen kann er aber dennoch nichts abgewinnen. Im Gegenteil.
Doskovski hat einige der Geflüchteten selbst abgeholt, mit einem Transporter an der polnischen Grenze. Im Schankraum seines Hotels hält er gesammelte Hilfsgüter und Spenden für die Ukrainer bereit.
"Als am 24. Februar der Krieg begonnen hat, habe ich mich selbst angegriffen gefühlt", sagt der Bekonder. Denn der Krieg sei nicht nur ein Angriff auf die Ukraine, sondern auf die gesamte östliche Welt.
Russisch-orthodoxe Gemeinde: Kirche muss Krieg verurteilen
Doskovski ist in Estland aufgewachsen und gehört der dortigen russischen Minderheit an. Er stammt somit, wie er sagt, aus einem riesigen Kulturkreis, der Russland, die Ukraine, Weißrussland und Teile des Baltikums umfasst.
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Die Ukrainer sind für ihn seine Leute, genauso wie die Russen. Sie teilten eine gemeinsame Kultur und Religion. "Und mit jedem Ukrainer, der stirbt, stirbt ein Teil dieser Kulturwelt", sagt der Historiker, der in Trier studiert hat. Putins Überfall sei nicht zu rechtfertigen.
"Eine christliche Kirche muss für Frieden einstehen und den Krieg verurteilen."
Kritik am Patriarchen Kyrill I.
Es sind bemerkenswert klare Worte von einem Funktionär der russisch-orthodoxen Kirche. Und eine offene Kritik am Moskauer Patriarchen Kyrill I., ihrem höchsten Geistlichen.
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Doch die Gemeinde in Bekond ist längst nicht die einzige, die sich in den vergangenen Wochen von Moskau abgewandt hat. Überall in Europa - ob in Amsterdam, Paris oder Polen - regt sich Widerstand in der Orthodoxie. Manche Gemeinden sagen sich sogar ganz los von ihrem Oberhaupt.
Keine Spannungen in der Kirche
Auch viele Russen in der Region Trier sähen die Regierung Putins inzwischen kritisch, sagt Doskovski. Er selbst sei schon lange ein Gegner des Regimes, auf jeder Demonstration gegen den russischen Machthaber dabei.
Zu großen Spannungen sei es in der Kirche in Bekond, die Menschen aus der gesamten Region Trier besuchen, daher bislang nicht gekommen. "Es gibt manche, die sich jetzt zurückziehen", sagt Doskovski. Dafür kämen jetzt auch die ukrainischen Geflüchteten zu den Gottesdiensten: "Die Gemeinde ist dadurch gewachsen."
Anfeindungen untereinander habe es bislang keine gegeben. Die Gemeinschaft rücke eher noch dichter zusammen. "Der Glaube gibt den Menschen in dieser schwierigen Zeit Trost", sagt Doskovski. Priester Timofey Kitnis, der selbst aus Russland stammt, sei auch für viele Ukrainer ein Seelsorger.
Hilfsaktionen für ukrainische Flüchtlinge laufen weiter
Und die Hilfsaktionen laufen derweil ebenfalls weiter. Rund 50 Geflüchtete aus der Ukraine habe die russisch-orthodoxe Kirche bereits in der Region Trier untergebracht. Vor allem bei Privatleuten in den umliegenden Gemeinden wie Trier, Föhren oder Kasel.
Auch den rund 15 Ukrainern, die derzeit noch im Hotel Brunnenhof leben, will Doskovski eine feste Bleibe vermitteln. Zumindest bis dieser Krieg in seiner Heimat endlich endet.