Ein Linienbus fährt gegen acht Uhr die Bushaltestelle in der Hunsrückgemeinde Rimsberg an. Kinder und Eltern warten bereits auf ihn. Mit einem Zischen öffnen sich die Türen des Busses. Die Eltern ermahnen ihre Kinder, langsam einzusteigen.
Tamara Sesterhenn winkt ihrem dreijährigen Sohn Luke zum Abschied nachdenklich hinterher, als der Bus in Richtung des Kindergartens losfährt. Sie sorgt sich jeden Tag, ob ihr Sohn unversehrt im Kindergarten ankommt. Denn der Bus, in dem ihr Luke sitzt, hat keine Anschnallgurte.
Acht Monate ohne Anschnallgurte
Seit Dezember 2021 werden die Kinder in einem normalen Linienbus zum Kindergarten gefahren, berichtet die Mutter. Vorher seien die Kinder in einem Kleinbus transportiert worden. In diesem seien die Sitze mit Sitzerhöhungen und Gurten ausgestattet gewesen. Der Busfahrer oder die Eltern hätten die Kinder angeschnallt. In dem großen Bus ist das nun nicht mehr möglich. Es gibt keine Sicherheitsgurte und während der Fahrt achte auch niemand darauf, dass die Kinder sitzen blieben und sich festhielten.
Sicherheitsrisiko beim Transport?
Auch der Rimsberger Hans Beutler hat ein mulmiges Gefühl, wenn er seine zwei drei- und fünjährigen Kinder in den Bus setzt. Er sieht in den großen Linienbussen ein enormes Sicherheitsrisiko. "Bei der Kreisverwaltung sagte man mir nur, dass es keine gesetzliche Pflicht für Gurte in den Bussen gibt. Keiner konnte mir aber sagen, wer haftet, wenn etwas passiert."
Die fehlenden Gurte sind nicht das einzige Problem. Seit Anfang August gilt im Kreis Birkenfeld ein neues Liniennetz. Damit will die Kreisverwaltung nach eigenen Angaben den öffentlichen Nahverkehr auf dem Land deutlich verbessern.
Busfahrer verspäten und verfahren sich
Doch bei der Beförderung der Kindergartenkinder beispielsweise auf der Strecke zwischen Nohen und Niederbrombach hapert es noch gewaltig, sagen mehrere betroffene Eltern dem SWR. Der Bus sei in den ersten zwei Wochen regelmäßig zu spät gekommen. Eltern berichten von Verspätungen von bis zu 20 Minuten. Gerade für Berufstätige sei das eine Katastrophe. Die Eltern kritisieren außerdem die fehlende Ortskenntnis der Fahrer.
Sprachbarrieren erschweren Kommunikation
Die Busse seien außerdem in teils hohem Tempo unterwegs und auch die Sprachbarrieren seien ein großes Problem. Denn einige der teils spanisch-sprechenden Fahrer könnten sich weder mit Eltern noch mit Kindern verständigen. Für Mutter Stefanie Bub aus dem benachbarten Schmißberg sind all diese Umstände untragbar.
Auch sie und andere Eltern hätten sich mit ihren Problemen und Bedenken bereits mehrfach an die Kreisverwaltung gewandt. Bisher ohne Rückmeldungen.
Busunternehmen arbeitet an Problemen
Dem derzeit zuständigen Busunternehmen sind die Probleme nach eigenen Angaben bekannt. Michael Bongard, Betriebsleiter bei der Scherer Reisen Omnibus Gesellschaft mbH sagte dem SWR, dass man derzeit daran arbeite, die Situation zu verbessern.
Einige der Busfahrerinnen und Fahrer, die im Kreis Birkenfeld eingesetzt würden, seien aus Spanien. Sie verfügten über einen europäischen Busführerschein und erhielten auch Sprachkurse. Gerade in den letzten Tagen vor den Ferien seien sie zu dem durch ortskundige Busfahrer unterstützt worden, um ihnen nochmals die Streckenführung zu zeigen und dadurch Verspätungen zu vermeiden.
Fachkräftemangel erschwert Personalfindung
Doch gerade in Zeiten, in denen der öffentliche Nahverkehr deutschlandweit ausgebaut werde, sei es ein großes Problem, Busfahrerinnen und Busfahrer zu finden. Der Fachkräftemangel sei ähnlich wie in der Speditions-, Gastronomie- oder Pflegebranche auch hier zu spüren. Deshalb bleibe den Busunternehmen gar nichts anderes übrig, als Fahrerinnen und Fahrer im Ausland zu rekrutieren.
Startschwierigkeiten, die sich legten
Nach und nach werde sich die Kommunikation und die Ortskenntnis der Fahrerinnen und Fahrer verbessern und sich alles einspielen. Da ist sich der Betriebsleiter sicher. Außerdem zeigten das auch die Erfahrungen aus anderen Kreisen, als dort neue Liniennetze an den Start gegangen seien.
Dennoch könne auch der Start des Schülerverkehrs im Kreis Birkenfeld nach den Ferien erst mal holprig werden, sagt Bongert und bittet gleichzeitig um Verständnis. Solche Anfangsschwierigkeiten seien nur schwer zu vermeiden. Denn ein neues Streckennetz bringe Veränderungen mit sich. Es würden neue Strecken bedient und Orte häufiger angefahren, im Gegenzug dazu könnten sich möglicherweise Fahrzeiten verlängern oder es würden Umstiege nötig.
Busunternehmen wirbt um Verständnis
Ihn ärgert es, dass die Leute dann oft nur die negativen Dinge sähen und nicht das große Ganze. Sein Unternehmen habe sich gewünscht, dass die mit dem neuen Streckennetz einhergehenden Veränderungen im Vorfeld besser kommuniziert werden.
Hoher Dieselpreis Bus-Verband sieht Schülertransport in Gefahr
Steigende Dieselpreise und keine Hilfe von der Regierung: Immer mehr Subunternehmen wollen ihre Verkehre einstellen. Der Bus-Verband warnt vor Einschnitten nach den Sommerferien.
Anschnallgurte laut Gesetz nicht nötig
Und was ist mit den fehlenden Anschnallgurten im Bus? Gegen die könne auch das Busunternehmen nichts unternehmen. Der Hintergrund: Das Busunternehmen habe sich auf eine europaweite Ausschreibung der Kreisverwaltung und des beteiligten Verkehrsverbundes beworben.
Dort sei genau geregelt, welche Anforderungen die Busse erfüllen müssen, um den Auftrag zu erfüllen. Egal ob es sich um Größe und Art der Busse, die Beschaffenheit der Sitzpolster, die Anzahl der Bildschirme oder die Vorgabe an welchen Standen sich der Haltestellenknopf befindet, handelt: Alles sei dort bis ins Detail geregelt, schildert Bongard.
Kindergartenbus in Linienverkehr integriert
Da die Auftraggeber, zu denen unter anderem die Kreisverwaltung Birkenfeld gehört, einen sogenannten Niederflurbus bestellt hätten, bekämen sie den auch, so das Busunternehmen.
Solche Linienbusse müssen nach § 35 a Abs. 6 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) nicht mit Gurten ausgestattet werden, wenn sie sowohl für den Nahverkehr als auch für die Beförderung stehender Fahrgäste zugelassen sind. Das teilte der ADAC auf SWR-Anfrage mit. Und auch die Kreisverwaltung Birkenfeld beruft sich in einer Stellungnahme an den SWR auf dieses Gesetz.
Der Ärger und die Bedenken der Eltern sind deshalb auch für Betriebsleiter Bongard durchaus nachvollziehbar. Er selbst sei seit 25 Jahren im Busbetrieb tätig und erlebe immer wieder, wie sich Eltern von Kindergartenkindern wegen der fehlenden Gurte beschwerten. Doch der Busunternehmer sei was das betrifft nicht der richtige Ansprechpartner. Eltern müssten sich mit ihrem Wunsch nach einem kleineren Bus an die Kreisverwaltung wenden.
Kreisverwaltung blockt ab
Eine SWR-Anfrage, warum die Kreisverwaltung für den Transport der Kindergartenkinder keinen kleinern Bus mit Sicherheitsgurten schicken könne, blieb unbeantwortet. Auch die Fragen, ob die Kreisverwaltung die Sorgen der Eltern nachvollziehen kann und wie die Sicherheit in den Kindergartenbussen gewährleistet weden soll, wurde nicht beantwortet.
Eltern wollen weiter kämpfen
Für die betroffenen Eltern ist all das keine Hilfe, sagt Mutter Stefanie Bub. Denn all diese Probleme dürften nicht auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden, so die Mutter. "Gerade der Nationalpark-Landkreis, der sich viel Gedanken gemacht hat, damit die Leute mehr den ÖPNV nutzen, hat an die Kinder nicht wirklich gedacht", sagt die Mutter kopfschüttelnd.
Sie und andere Eltern hoffen nun darauf, dass die Busse nach den Ferien pünktlich fahren, damit die Eltern rechtzeitig zur Arbeit können. Was die fehlenden Anschnallgurte betrifft, wollen sie weiter kämpfen.
Um das zu erreichen, will auch er nicht aufgeben. Notfalls wolle er auch vor einer Klage gegen die Kreisverwaltung nicht zurückschrecken: Damit dem Problem endlich einmal Aufmerksamkeit geschenkt wird.