Hans Orth hat sein ganzes Leben an der Sauer verbracht. Als Kind hat er im Fluss das Schwimmen und Angeln gelernt. Damals, als ein grüner Pflanzenteppich auf dem Wasser lag, die Vögel am Ufer nisteten und die Fische in Schwärmen durch das Gewässer zogen.
Umso schmerzlicher ist es für Orth, wenn er heute von der alten Grenzbrücke in Bollendorf (Eifelkreis Bitburg-Prüm) auf den Fluss schaut. "In den letzten zehn Jahren hat sich die Sauer drastisch verändert", sagt er. Wasserpflanzen gebe es kaum noch, der Fischbestand sei zurückgegangen, die Wehre zerstört.

Fische, Vögel und Wasserpflanzen verschwinden
Die Schuld an diesem Zustand gibt der Angler auch den Kanutouristen, die an schönen Sommertagen teils zu Hunderten über den Fluss paddeln.
Denn wenn der Fluss niedrig steht, wühlten die Paddel den Grund auf, zerstörten damit den Laich der Fische und entwurzelten Pflanzen wie den flutenden Hahnenfuß, der in der Sauer inzwischen zu einer Seltenheit geworden sei.
Der Klimawandel hat freilich seinen Anteil daran, dass der Fluss austrocknet und Arten sterben. "Die Kanus werden der Sauer aber den Rest geben", meint der Bollendorfer.
Umweltbehörde: Kanus sind Gefahr für das Ökosystem
Dass die vielen Kanus dem Ökosystem des Flusses schaden, bestreitet kaum jemand. Auch die Landesumweltbehörde, die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord, sieht die Gefahr, "dass die Besucher in ihren Booten die Lebensräume von Tieren und Pflanzen beeinträchtigen oder sogar zerstören."
Daher gibt es schon seit Jahren Bestrebungen von deutscher und luxemburgischer Seite, den Kanuverkehr auf der Sauer einzuschränken. Nun soll nach langen Diskussionen am Freitag eine neue Verordnung Inkrafttreten.
Konkret ist in der Regelung festgehalten, dass die Sauer in der Laichzeit der Fische und Brutzeit der Wasservögel von März bis Mitte Juni für Kanus tabu ist. Und: Dass bei einem Wasserstand von unter 56 Zentimetern kein Boot mehr zwischen Wallendorf und Wasserbillig vom Stapel gelassen werden darf.
Neue Regel sorgt für Kritik bei Umweltschützern
Nun könnte man meinen, dass es Naturschützer begrüßen würden, dass es bald eine Regelung gibt. Hans Orth allerdings überzeugt die Verordnung nicht.
Denn sie geht ihm längst nicht weit genug. Die Umweltbehörden hätten viel zu große Zugeständnisse an die Kanuverleiher auf beiden Seiten der Grenze gemacht.
"Diese Verordnung ist ein Witz. Die wird überhaupt nichts bewirken."
Mindestpegel niedriger als zunächst geplant
Tatsächlich war in einem ersten Entwurf der Verordnung noch von einem Verbot des Kanufahrens ab einem Pegel von 60 Zentimetern die Rede. Zwischenzeitlich wurde der Mindestwasserstand aber auf 56 Zentimeter abgesenkt.
"Seit ich denken kann, stand die Sauer noch nie bei unter 56 Zentimetern", sagt Orth dazu: "Da könnten Sie auch nur noch mit dem Kanu durch den Fluss fahren, wenn sie Rollen drunter schrauben würden." Schon ein Wasserstand von 60 Zentimetern sei aber zu niedrig zum Kanufahren.
Ausnahmen bei der Schonfrist an Feiertagen
Zudem beklagt Orth, dass die Verordnungen auch bei der Schonfrist Ausnahmen zulässt. Über den Feiertag Christi Himmelfahrt und das Pfingstwochenende dürfen nämlich sehr wohl Kanus zu Wasser gelassen werden.
Es sind Tage, an denen in der Regel viele Ausflügler in die Grenzregion kommen und die Bootsverleiher gute Geschäfte machen.
Verordnung nimmt Rücksicht auf Touristik
Bei der SGD-Nord räumt man ein, dass man auch auf die touristischen Belange Rücksicht genommen habe. Und daher die Verordnung angepasst wurde. Zuvor hatte unter anderem die Industrie- und Handelskammer Trier gefordert, das Reglement mit Rücksicht auf die Bootsverleiher, aber auch die Betreiber von Campingplätzen, Restaurants, Hotels und Einzelhändler in der Region zu überdenken.
"Denn wenn der Kanu-Urlauber wegen der Restriktionen in eine andere Gegend fährt, dann lässt er ja auch sein ganzes Geld da", begründet ein Pressesprecher der Kammer: "Das trifft dann nicht nur den Bootsverleiher, sondern auch andere Betriebe in der Gegend, die von den Touristen leben."
Aus Sicht der IHK ist die vorliegende Verordnung daher "ein Kompromiss, der den Interessen des Naturschutz Rechnung trägt, aber auch den Belangen der Touristik und des Gewerbes."
Gewerbetreibende zufrieden, Umweltschützer besorgt
Die Kammer begrüßt ausdrücklich, dass ein niedrigerer Pegel für das Verbot angelegt wird und auch, dass die Feiertage von der Schonfrist ausgenommen werden.
Für Umweltschützer wie Hans Orth ist hingegen klar: So wie in seiner Kindheit wird er die Sauer wohl nicht mehr sehen.
"Ich denke, dass die Sauer in ein paar Jahren ein toter Fluss ist."