Karneval - das beutetet volle Säle, zusammen Bier trinken und sich schunkelnd in den Armen liegen. Alles Dinge, die es in den letzten zwei Jahren nicht gab. Kappensitzungen wurden verschoben, die Kostüme mussten im Schrank bleiben und ganze Umzüge wurden abgesagt.
Viktoria Thome (29) ist langjähriges Mitglied beim Hillesheimer Karneval (HKV) und seit September die erste Vorsitzende dort. Sie tanzt in einer Showtanzgruppe des Vereins, die sie selbst trainiert.
SWR Aktuell: Zwei Jahre Corona: Was hat das mit Ihrem Verein gemacht?
Viktoria Thome: "Wir hatten im ersten Corona-Jahr ein paar Leute, die den Verein verlassen haben und jetzt halt nochmal. Das ist natürlich sehr schade. Ich denke, das liegt wirklich daran, dass einfach nichts gemacht wurde. Die Leute, die ihren Beitrag zahlen, dachten jetzt: "Wofür mache ich das überhaupt noch?" Nach dem ersten Jahr Corona, in dem wir schon nichts machen konnten, dachten die Leute noch eher: "Naja gut, dieses eine Jahr, die eine Session, nächstes Jahr geht es ja weiter." Jetzt ist es aber quasi wieder auf Eis gelegt.
Wir haben zwar für dieses Jahr schon ein wenig geplant, dass Ganze kleiner zu machen. Aber wir wussten lange nicht, ob dieses Jahr Karneval überhaupt stattfindet oder nicht. Daher dachten wir, wie viele Vereine drum herum übrigens auch, dass wir im Sommer vielleicht etwas machen, also im Sommer Karneval feiern.
Wir haben dieses Jahr auch wieder eine Kamellen-Aktion, die machen wir am Karnevalssonntag für die Kinder, die hatten wir letztes Jahr auch schon. Da packen wir dann Tüten mit Süßigkeiten und die werden wir dann kostümiert ausgeben - mit Abstand und Maske natürlich."
SWR Aktuell: Treten die Personen tatsächlich wegen Corona aus Ihrem Verein aus, oder gibt es auch andere Gründe? Sorgt Corona für die "Austritts-Welle"?
Viktoria Thome: "Als Austrittswelle würde ich es noch nicht bezeichnen. Also eine gewisse Fluktuation bei An- und Abmeldungen gibt es immer. Das sind dann oft Leute, die wegziehen oder es zeitlich einfach nicht mehr schaffen.
Ich denke aber trotzdem, dass Corona teilweise dazu beigetragen hat. Ich habe so das Gefühl, dass viele Leute auch gar nicht mehr so aus dem Haus gehen wollen. Man durfte es ja die ganze Zeit auch nicht. Da sind einige träge geworden und haben nicht mehr so Lust, sich zu engagieren und was zu machen.
Es gibt auch ein paar Mädels bei der Garde, die jetzt gesagt haben: „Nein, das dauert mir zu lange, jetzt konnten wir schon wieder nicht tanzen.“ Die hätten das vielleicht noch ein Jahr gemacht, dann werden viele aber auch älter, gehen studieren oder manchen eine Ausbildung."
SWR Aktuell: Welche Konsequenzen musste der Verein ziehen, nachdem immer mehr Mitglieder den Verein verlassen haben?
Viktoria Thome: "Gerade was die Tanzgruppen angeht, muss man dann gucken, ob man doch nur noch eine Garde hat, bei der man die Altersspanne vielleicht einfach ein bisschen größer macht. Dass die, die Interesse haben, auf jeden Fall weiter tanzen können. Es gibt auch schon einige, die wirklich am Ball bleiben und denen das Tanzen halt auch sehr wichtig ist. Und dass man denen auf jeden Fall die Möglichkeit gibt, weiterzumachen. Ohne Garde können wir uns unseren Verein auch eigentlich gar nicht vorstellen."
SWR Aktuell: Warum ist es so schwer für die Garden Nachwuchs zu finden?
Viktoria Thome: "Das ist schwierig zu sagen und kann ich Ihnen nicht klar beantworten. Gerade, was das Tanzen angeht, haben wir gerade tatsächlich nur zwei Garden. Eigentlich hatten wir drei vor Corona. Jetzt haben aber einige Mädels aufgehört zu tanzen. Daher sind diese beiden Garden jetzt zusammengelegt worden, damit wenigstens noch ein gutes Bild auf der Bühne entsteht.
Normalerweise hätten wir noch eine „Fuzzi“-Garde und einige andere. Die ganz jungen Garden die wurden immer von den Eltern trainiert und da finden wir mittlerweile auch keinen, der das gerne machen möchte. Es gibt auch ein paar Anfragen, ob es für Kinder im Alter von fünf oder sechs Jahren eine Tanzgruppe gibt, aber es gibt mittlerweile keine mehr bei uns- leider.
Hillesheim ist auch eine wachsende Stadt. Wir haben immer mehr Leute, die hier zuziehen, die das vielleicht noch gar nicht so richtig kennen, die sich vielleicht mit den Vereinen hier auch nicht auskennen, was für Möglichkeiten es alles gibt."
Die Tradition darf nicht aussterben
SWR Aktuell: Was bedeutet es, wenn so ein Brauchtum auf dem Dorf aussterben würde?
Viktoria Thome: "Das kann ich gar nicht in Worte fassen… Den Verein gibt es jetzt schon seit 1951. Mein Opa hat ihn mit gegründet. Ich habe auch noch einen Ordner hier stehen, wo richtig alte Fotos drin sind. In Schwarz-Weiß, wo die Wagen und der Straßenkarneval noch mit Pferden gezogen wurde. Und das wäre natürlich sehr schade, wenn das nicht mehr wäre. Gerade auch Hillesheim, wo auch Touristen kommen, das lockt dann die Leute an. Gerade diese kulturellen Sachen, die dann auch wirklich noch traditionell sind, die machen das Ganze einfach schöner."

"Das wäre ein Stück Kultur, was verloren geht."
SWR Aktuell: Glauben Sie, dass sich die Lage irgendwann wieder verbessern wird?
Viktoria Thome: "Ich hoffe es auf jeden Fall! Also ich bin sehr optimistisch. Ich denke schon, dass sobald diese Phase um ist, dass es auch wieder besser laufen wird. Ich habe gar nicht so den pessimistischen Blick darauf. Ich kann mir zwar vorstellen, dass das etwas länger dauern kann, aber, dass sich das mit der Zeit einfach wieder regeneriert.
Wir haben jetzt auch für April so einen Tag der Vereine geplant. Wo sich jeder Verein nochmal vorstellen kann und wir uns alle präsentieren, zum Beispiel auch die Jugendfeuerwehr oder der Pfadfinderverein. Wir hoffen, dass dadurch einmal ein paar junge Leute nachkommen und Interesse zeigen.
Wir sind ja jetzt zum Glück auch ein paar jüngere Leute im Vorstand. Das ist schon mal sehr positiv. Wobei dann trotzdem ein paar alte Hasen dabei sind. Es ist gerade eine sehr gute Kombination aus alt und jung, sodass man sich austauschen und unterstützen kann."
SWR Aktuell: Welche Anreize sollte es geben, damit sich die Lage von Karnevalsvereinen verbessert?
Viktoria Thome: "Es wäre natürlich gut, wenn die Vereine noch mehr unterstützt werden. Was wirklich schon gut ist, dass jetzt in Corona-Zeiten der Dachverband, der RKK, auch immer zu einem hält – die sagen auf jeden Fall: "Wir lassen euch nicht im Regen stehen." Da gibt es dann eben auch finanzielle Unterstützung, weil wir, dadurch dass nichts stattfindet und wir auch ein gemeinnütziger Verein sind, auch keine Einnahmen haben. Das wäre natürlich ganz gut, wenn das noch weiter gefördert wird. Einfach die Tradition erhalten, gerade die traditionellen Vereine hier in der Umgebung, dass die halt nicht aussterben."