Es ist ein ewiger Teufelskreis, den Kurt Kootz, Vorsitzender des Bundes der deutschen Milchviehhalter in Rheinland-Pfalz, schildert. Je tiefer der Milchpreis absinkt, desto mehr Milch produzieren die Bauern.
Doch desto mehr Milch auf dem Markt ist, desto niedriger ist der Preis. "Obwohl die Milchpreise vergangenes Jahr zum ersten Mal seit langer Zeit auf einem akzeptablen Niveau waren, sind sie seit Februar drastisch abgestürzt."
Im Dezember lagen die Milchpreise bei rund 60 Cent pro Liter. Jetzt liegt der Preis bei rund 45 Cent. Dabei sind die Kosten für Energie, Futter und Dünger gestiegen. Deshalb, erklärt der Milchbauer, beginne wieder die geschilderte Abwärtsspirale.
Die Bauern produzierten mehr Milch, um ihre Kosten irgendwie decken zu können. Kootz sagt: "Irgendwie" und man spürt den Frust. Aktuell würden die Milchbauern bei den Preisen, die sie erhalten, ihre Kosten nicht decken, sondern müssten sogar draufzahlen. "Bei den Milchbetrieben geht es ans Eingemachte."
Besonders kleine Milchbetriebe leiden unter dem Preissturz
Auch Klara Scholtes aus Deuselbach im Hunsrück macht sich große Sorgen um die Zukunft der Branche. Die 20-Jährige ist Milchkönigin für das Saarland und Rheinland-Pfalz und sie möchte den Biohof ihrer Eltern nach ihrem Studium übernehmen. Sie fragt sich, wie sie in Zukunft wichtige Investitionen für ihren Betrieb machen soll, wenn es überhaupt keine Planungssicherheiten gibt.
Eigentlich bräuchte ihr Familienbetrieb einen neuen Stall und einen neuen Traktor. "Von April bis Dezember vergangenes Jahr hatten wir gute Milchpreise, aber ich bin froh, dass wir nicht investiert haben. Denn heute könnten wir die Kredite nicht mehr zahlen." Ihrer Meinung nach wird der Preissturz dafür sorgen, dass viele Betriebe dichtmachen.
Gerade kleine Bio-Betriebe wie ihrer würden unter der Krise leiden. "Wir machen uns mehr Arbeit, weil wir die Tiere auf der Weide halten. Für mich ist das die einzig artgerechte und ökologischste Lösung. Aber irgendwann kann man sich die Arbeit nicht mehr leisten."
Wichtige Zeit zur Umstellung der Landwirtschaft wird verschwendet
Auch wenn Kurt Kootz und Klara Scholtes unterschiedlichen Generationen angehören, sind sie beide der Meinung, dass die Politik aktuell wichtige Zeit vergeudet, um die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten. "Mit diesen Preisen können wir unsere Höfe nicht nachhaltiger gestalten und auch nicht in mehr Tierwohl investieren", sagen sie unisono.
Landwirt Martin Krauch | 16.5.2023 Klimawandel: So geht nachhaltige und ökologische Landwirtschaft
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Die Landwirte sehen die Politik in der Pflicht. Sie wollen mehr Anerkennung für ihre Arbeit. "Es fühlt sich so an als seien wir nicht gewollt, als würden sie am liebsten die Milch aus dem Ausland herankarren.", sagt Kurt Kootz.
Bauern: Ohne politisches Eingreifen geht es nicht
Es ist nicht das erste Mal, dass die Milchbauern Alarm schlagen. In den letzten 15 Jahren gab es drei Milchkrisen. 2016 war die Krise so schlimm, dass die Politik entschied zu handeln.
Damals wurde die Möglichkeit gesetzlich verankert, die Milchmengen zu reduzieren durch einen freiwilligen Lieferverzicht der Milchbauern. Die bekamen dafür Geld von der EU - eine Ausgleichszahlung sozusagen.
Kurt Kootz vom Bund der deutschen Milchviehhalter will, dass die Politik diese Maßnahme jetzt wieder aktiviert. So soll die Milchmenge auf dem Markt reduziert werden, damit sich die Preise wieder erholen.
Milchbauern wollen langfristige Lösungen
Klara Scholtes sieht das ähnlich. Dies wäre sicher eine Lösung, um den Markt kurzfristig zu stabilisieren.
Doch ihrer Meinung nach müssen jetzt auch langfristige Lösungen her. "Denn sonst haben ich und meine Studienkollegen nach unserem Studium keine Höfe mehr, die wie übernehmen können."