Petry spricht sich im SWR-Interview dafür aus, auch Pensionäre oder Quereinsteiger einzustellen, die den Kindern und Jugendlichen Sprachkurse geben könnten.
SWR Aktuell: Herr Petry, seit Beginn des Krieges sind bislang mehr als fünf Millionen Menschen aus der Ukraine geflüchtet. Viele kommen auch zu uns in die Region Trier. Vor welche Herausforderungen stellt das die Kommunen?
Moritz Petry: "Im ersten Moment denkt man an eine vermeintlich unlösbare Aufgabe. Doch wir wissen noch gar nicht, wie viele Flüchtlinge kommen werden und wo sie dann hingehen. Aktuell sieht es im Eifelkreis so aus: Wir haben mehr als 1.000 Flüchtlinge aus der Ukraine und es werden sicher noch mehr. Das können wir bislang noch ganz gut händeln. Aber natürlich sind die nächsten Monate schon ein Blick ins Ungewisse."

Zu wenig Sprachkurse für Ukrainer
SWR Aktuell: Wo liegen die Probleme bei der Integration von ukrainischen Flüchtlingen insbesondere in der Verbandsgemeinde Südeifel?
Petry: "Es fängt schon damit an, dass wir ohne die Hilfe von Privatleuten, von ehrenamtlichen Menschen, die sich engagieren, überhaupt nicht zurechtkommen würden. Es gibt viele Familien, die ukrainische Flüchtlinge aufgenommen haben. Wir haben zwei Integrationsbeauftragte, das Rote Kreuz, die Caritas, die Ausländerbehörde des Kreises - alle wirken zusammen, sodass es jetzt auch gut beherrschbar erscheint.
Problematisch ist es, Sprachkurse anzubieten, die Menschen zusammenzubringen und zu betreuen. Die Flüchtlinge leben ja häufig verstreut, gerade im ländlichen Raum. Dafür fehlt uns ganz einfach Personal. Auch in Grundschulen und weiterführenden Schulen fehlt Personal. Ich hoffe, dass es nach den Osterferien etwas besser geht, um Sprachkurse anbieten zu können. Das sind die großen Herausforderungen der nächsten Monate."
Integration ukrainischer Kinder Nach der Flucht: Neuanfang für Fünfjährigen in Ingelheimer Kita
In Rheinland-Pfalz haben die ersten Kitas Kinder aus den Kriegsgebieten in der Ukraine aufgenommen. Die Kleinen sprechen kein Deutsch. Das ist zurzeit das größte Problem.
Quereinsteiger und Pensionäre in Kitas und Schulen?
SWR Aktuell: Wie kann das Problem gelöst werden?
Petry: "Die Landesregierung und die Schulbehörde ADD sind schon dabei, Personal zu rekrutieren. Es ist ja auch so, dass unsere Schulen und Kindergärten nicht unbegrenzt Platz haben, dass dort Kapazitäten frei sind. Was ich damit sagen will: Das muss alles zum täglichen Geschäft noch zusätzlich geleistet werden.
Kinder, die kein Wort Deutsch sprechen, müssen betreut und unterrichtet werden. Da brauchen wir auch mehr externe Kräfte, die in die Kitas und Schulen reingehen und ein spezielles Programm bieten können. Ich denke, man muss auch auf verrentete Lehrer und Erzieher zurückgreifen. Der Fachkräftemangel ist natürlich auch ohne die Ukraine-Krise sehr groß."
"Wir brauchen auch mehr externe Kräfte, die in die Kitas und Schulen gehen und ein spezielles Programm für Flüchtlinge bieten können."
SWR Aktuell: Das heißt, Sie benötigen dringend zusätzliches Personal?
Petry: "Ja, das ist definitiv der Fall. Da reden wir ja noch gar nicht über das Finanzielle. Wir vertrauen als Kommunen, dass das Land und der Bund vieles abfedern. Aber daran denken wir momentan gar nicht. Wir gehen auch in Vorleistung mit Sozialleistungen und mit all dem, was die Menschen brauchen.
Wir haben viele Wohnungen zur Verfügung gestellt und konnten die Menschen unterbringen. Aber viele sind auch noch privat untergebracht und da hoffen wir auf einen langen Atem der vielen privaten Helfer. Wenn jetzt noch mehr Menschen in Wohnungen untergebracht werden müssen, wird es schon schwierig. Sie dürfen nicht vergessen: Wir hatten die Flutkatastrophe im vergangenen Jahr an der luxemburgischen Grenze, da wurden viele Häuser zerstört."
"Wir hoffen auf einen langen Atem der vielen privaten Helfer."
Wohnungen für Flüchtlinge aus Ukraine werden dringend gebraucht
SWR Aktuell: Müssen auch Turnhallen und Gemeindehäuser zu Flüchtlings-Unterkünften umgerüstet werden?
Petry: "Das ist am Ende natürlich immer eine Option, doch das möchten wir vermeiden. Wir versuchen, wo immer es geht, Wohnungen bereitzustellen. Es werden auch Wohnungen fertiggemacht, die bislang nicht nutzbar waren. Wir versuchen wirklich alles Mögliche zu machen, damit wir keine Dorfgemeinschaftshäuser oder Turnhallen zur Verfügung stellen müssen. Davon wird die Situation nicht besser.
Wir haben ja bereits eine große Unterbringungseinrichtung auf dem Flugplatz in Bitburg, die AfA. Das sind natürlich Zustände, die nicht optimal sind, die aber für eine Übergangszeit auch immer möglich sein müssen. Am sinnvollsten ist es, wenn die Menschen selbständig untergebracht sind und vor Ort betreut werden können. Im ländlichen Raum klappt das auch gut.
Wir haben tolle Beispiele von kleinen Dörfern, in denen 13 Flüchtlinge leben und wo sich die Dorfgemeinschaft auch wunderbar um diese Menschen kümmert. Einen idealeren Zustand gibt es eigentlich gar nicht."
SWR Aktuell: Wünschen Sie sich eine bessere Koordination bei der Verteilung der Flüchtlinge?
Petry: "Ja, das muss unbedingt erfolgen. Das Bundesamt für Migration hat ja bereits ein neues System entwickelt, um festzustellen: Wie viele Flüchtlinge sind in welchem Landkreis? Damit auch eine Überlastung einzelner Landkreise vermieden werden kann. Das ist eine sehr wichtige Aufgabe, die uns helfen kann. Dass man auch sagen kann: 'So, Bitburg-Prüm hat jetzt die Kapazität erreicht.' Das sind ganz wichtige Themen, die in den nächsten zwei, drei Wochen auch erledigt werden müssen."
"Das ist ein enormer Kraftakt."
SWR Aktuell: Die Lage weckt bei vielen Menschen Erinnerungen an die Flüchtlingskrise 2015. Sehen sie da auch Parallelen?
Petry: "Ja - und man darf nicht vergessen: Wir haben auch noch Flüchtlinge aus dieser Flüchtlingswelle hier bei uns, die wir betreuen und für die wir verantwortlich sind. Diese Menschen dürfen dabei nicht vergessen werden. Von daher ist das schon ein enormer Kraftakt. Aber die Bevölkerung ist sehr hilfsbereit. Und ich hoffe, dass wir die Bevölkerung weiter motivieren können, zu helfen."