Eigentlich mixt Florian Wurzbacher in seiner Idar-Obersteiner Bar Cocktails. In den letzten Wochen hat er die Gläser aber immer häufiger im Schrank stehen lassen.
Als der Krieg in der Ukraine ausbricht, entscheidet er sich sofort, aktiv zu helfen. Und ist dafür auch bereit, Risiken einzugehen.
"Unsere Generation ist mit so einer Selbstverständlichkeit dem Frieden gegenüber aufgewachsen und ich denke, wenn so etwas passiert, muss man sich ganz klar positionieren und so viel tun, wie man eben kann."
Nur an die Grenze zu fahren reicht nicht mehr
In den ersten Kriegstagen sei er zweimal an die polnisch-ukrainische Grenze gefahren, um Geflüchtete nach Deutschland zu bringen.
Einige fährt er auch bis in den Hunsrück. Dort organisiert er mit Freunden Unterkünfte für die Flüchtlinge, sammelt Spenden und unterstützt bei Verwaltungsfragen, wie er erzählt. Doch jetzt reicht ihm das nicht mehr.

Vor seiner dritten Fahrt in Richtung Grenze habe er sein Auto verkauft und sich einen Kleinbus zugelegt. Sein Ziel war nicht mehr nur die Grenze zwischen Polen und der Ukraine.
Wurzbacher hatte sich entschlossen, in die Ukraine hinein zu fahren. Er will die Menschen von dort persönlich aus dem Land bringen.
Mit dem Kleinbus über Feldwege
Für ihn ist der Grenzübertritt in das vom Krieg geplagte Land wie der Wechsel in eine andere Welt. Zunächst ist er geschockt: "Nach zwei Kilometern kam direkt die erste Straßensperre mit einem militärischen Checkpoint, an dem man kontrolliert worden ist."
Er will die Grenzkontrollen danach umfahren, erzählt, wie er sich sich mit seinem Bus über Feldwege kämpft. Und ist überrascht, als er sich der westukrainischen Stadt Lwiw (Lemberg) nähert.
"Je näher man kam, desto normaler wurde die Situation. Oberflächlich ist da gar nicht so viel von einer Kriegsstimmung zu fühlen."
In der Westukraine sei die Situation nicht so verheerend wie in anderen Teilen des Landes. Einzig der Luftalarm sei schon dreimal ausgelöst worden, seitdem er in der Kleinstadt Schowkwa, 30 Kilometer nördlich von Lwiw, angekommen ist.

Wenn die Sirenen dröhnen, geht es für Wurzbacher in einen betonierten Keller. Für viele Menschen sei das mittlerweile Routine, erzählt er. Begleitet wird er von einer Familie, bei der er untergekommen ist. Den Kontakt habe er über eine Geflüchtete geknüpft, die er zuvor nach Idar-Oberstein gebracht hatte.
Wurzbacher will den Benachteiligten helfen
Unterstützt wird er auf seiner Reise auch von einer Polin mit russischen Sprachkenntnissen. Er habe sie bei seiner ersten Fahrt nach Polen kennengelernt und sie an der Grenze mitgenommen. Sie hilft ihm, seine Anliegen in ukrainisch und russisch zu übersetzen.

Über die Familie, bei der er lebt, hat Wurzbacher Kontakt zu einer ukrainischen Hilfsorganisation aufgebaut. Die Organisation habe ihm zwei Familien vermittelt, die jeweils ein behindertes Kind haben.
Wieder auf dem Rückweg in die Heimat
Den Schwächsten in der Gesellschaft die Flucht zu ermöglichen, sei für ihn eine besondere Motivation und der Grund, warum er sich für die riskante Fahrt in die Ukraine entschieden habe. Am Donnerstag hat er sich mit den beiden Familien auf den Weg in seine Heimat Idar-Oberstein gemacht.
Und dort soll die Organisation weiterlaufen: Unterkünfte für die Familien haben seine Freunde in der Region ebenfalls organisiert. Ist seine Mission damit erledigt? "Auf keinen Fall", sagt er: "So lange es möglich ist, werde ich weiter in die Ukraine fahren."