Christopher Galle schaut sich auf seinem Laptop Bilder von Insekten an. Der Informatikstudent scrollt durch Fotos von Käfern und Fliegen, die auf einer Wiese im Hunsrück aufgenommen wurden. Selbst könnte er nicht bestimmen, um welche Krabbeltierchen es sich handelt. Aber sein Computer kann das inzwischen.

Die künstliche Intelligenz kann Fliegen, Bienen, Wespen, Schmetterlinge und Marienkäfer unterscheiden. Gelernt hat sie das durch Tausende von Bildern, mit denen der Student das Programm gefüttert hat. Und mit der Zeit werde es immer besser, sagt Galle: "Ein Schmetterling ist für die KI aktuell noch leichter zu erkennen als zum Beispiel eine Mücke. Bei Arten, die sich stark ähneln, brauchen wir dementsprechend mehr Trainingsbilder."

Tiere werden von allen Seiten fotografiert
Diese Bilder gewinnen die Forschenden durch eine neue Falle, die am Umwelt-Campus Birkenfeld entwickelt wurde. Sie sieht aus wie ein Zelt, in das die Insekten reinfliegen und krabbeln – also genau wie eine herkömmliche Malaise-Falle.
Doch der entscheidende Unterschied ist, dass das Zelt aus Birkenfeld einen Ausgang hat. Statt in einer Flasche mit Alkohol zu landen und zu sterben, können die Insekten die Falle durch einen Tunnel verlassen. "Dort werden sie dann von drei Kameras fotografiert", erklärt der Informatiker Stephan Didas: "Die KI wertet anschließend aus, um welche Tiere es sich handelt."

Erfindung hilft, bedrohte Arten zu schützen
Das hat zwei große Vorteile für die Forschenden. Zum einen sterben die Insekten nicht in der Falle. "In einem herkömmlichen Modell sterben ungefähr so viele Insekten wie eine Spitzmaus am Tag fressen würde", erklärt der Student Christopher Galle.

Das klingt nicht nach viel: "Gerade wenn man sich aber sehr bedrohte Arten anschauen will, möchte man aber natürlich nicht noch die letzten davon wegfangen." Und so zum weiteren Schwund der Biodiversität in Deutschland beitragen. Die ist - wie Studien belegen - ja ohnehin in Gefahr.
KI ist schneller als DNA-Analyse
Der zweite Vorteil der Falle aber war für ihre Entwicklung entscheidender, sagt der Biologe Stefan Stoll. Die KI schafft das mit der Bestimmung der Insekten einfach schneller als Wissenschaftler das bisher hinbekommen. Einen Experten, der alle denkbaren Arten unter dem Mikroskop erkennen könnte, gibt es nicht, sagt Stoll: "Manche Fliegen unterscheiden sich von anderen nur darin, dass sie drei kleine Härchen am Bein haben." Sie von Hand zu identifizieren: ein Ding der Unmöglichkeit.

Wenn Biologen also aktuell wissen wollen, was sie in einer Insektenfalle gefangen haben, müssen sie daher erstmal den Inhalt der Fangflaschen pürieren und den Brei dann in ein Labor nach Essen schicken. Dort erfolgt dann eine DNA-Analyse. Das dauert allerdings alles seine Zeit und oft liegen den Forschenden dann erst nach Monaten die Daten vor, die sie brauchen.
Falle könnte auch Schädlinge für Bauern bestimmen
"Dann wissen wir also erst im Winter, welche Tiere im Sommer auf einem Feld herum gekrabbelt sind", sagt Stoll. Viel zu spät also. Wenn ein Insekt hingegen in die neue Falle geht, kann die KI sie in Echtzeit bestimmen. Dann wissen Biologen sofort, was ihnen ins Netz gegangen ist.
Und interessant ist das nicht nur für die Wissenschaftler, sondern zum Beispiel auch für Landwirte. "Wir können den Bauern künftig sofort aufzeigen, wann welche Bestäuber unterwegs sind und wie sie sie unterstützen können", sagt Stefan Stoll: "Wir können sie außerdem informieren, ob sich bestimmte Schädlinge ausbreiten, sodass sie gezielt spritzen können und das nur tun, wenn es notwendig ist." So würde der Bauer Geld sparen und die Umwelt weniger Pestiziden ausgesetzt.

Baupläne und KI sollen frei verfügbar werden
Noch ist das Zukunftsmusik. Derzeit ist die Falle ein Prototyp. Die Forschenden brauchen mehr Daten, als sie selbst sammeln können, damit ihre Erfindung mehr Tiere erkennen kann. Die Biologen und Informatiker vom Umwelt-Campus hoffen daher, dass ihre neue Falle auch von anderen Menschen eingesetzt wird.
Eine Zielgruppe wären Schulen, sagt Stephan Didas: "Die Schüler könnten die Stationen zusammenbauen und auf dem Schulhof aufstellen, um mal zu schauen, was sich dort alles an Insekten tummelt." Um das zu ermöglichen, wollen die Forschenden die Baupläne für die Falle und die künstliche Intelligenz zur freien Verfügung stellen.