Die Manager der "Frasers Group" haben am Dienstagabend viel Applaus für ihre Pläne bekommen, ein Logistikzentrum auf dem Bitburger Flugplatz zu bauen. Wenn Gerald Propson bei dieser Konferenz in der Stadthalle dabei gewesen wäre, hätte er aber wohl eher nicht geklatscht.
Denn der Unternehmer aus Daleiden in der Eifel fürchtet, dass die Neuansiedlung des britischen Sportversands seinen Betrieben die Mitarbeiter streitig machen könnte.
"Wir finden ja schon jetzt keine Leute mehr, seit zehn Jahren hatten wir keinen Lehrling mehr. Dabei bräuchten wir ganze Kolonnen."
Betriebe sorgen sich um ihre Mitarbeiter
So wie Propson geht es vielen Firmenchefs in der Region. Auch Thomas Mutsch blickt gespannt auf das, was sich auf dem Flugplatz tut. Denn der britische Sportversand dürfte auch für Mutsch zu einem Konkurrenten um Fachkräfte werden. Um Lastwagenfahrer etwa, die die Spedition in Bitburg dringend sucht.
800 Arbeitskräfte will die "Frasers Group" in der Eifel in einem ersten Schritt anwerben. In den kommenden Jahren sollen sogar bis zu 2.500 neue Jobs in der neuen europäischen Zentrale des Börsenunternehmens entstehen.
Gebraucht werden Lastwagenfahrer, aber auch Büroangestellte, Ingenieure, Logistiker und Techniker, die die Maschinen im Warehouse bedienen können. "Die Ansiedlung wird daher sicherlich zu einer Anspannung auf dem Arbeitsmarkt führen, nicht nur in unserer Branche", sagt Mutsch.

Kaum Arbeitslosigkeit im Eifelkreis
Denn kaum irgendwo in Deutschland ist der Fachkräftemarkt so leer gefegt wie hier im Westen von Rheinland-Pfalz. Die Arbeitslosenquote liegt bei rund zwei Prozent, Fachleute sprechen bei solchen Raten von Vollbeschäftigung.
Im März 2022 gingen im Eifelkreis nur 1.245 Menschen keiner geregelten Tätigkeit nach. Das wäre gerade einmal die Hälfte der Belegschaft, die die "Frasers Group" nach eigenen Angaben in den nächsten Jahren anstellen will. Wo also will der Konzern seine Mitarbeiter rekrutieren? Müssen sich regionale Unternehmen nun Sorgen um ihre Angestellten machen?
IHK: Ansiedlung führt zu Verschärfung des Wettbewerbs
Womöglich schon ein bisschen. Das glaubt jedenfalls Matthias Schmitt, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Trier und zuständig für die Standortpolitik: "Die Ansiedlung der 'Frasers Group' wird sicherlich kurzfristig zu einer Verschärfung des Wettbewerbs um Fachkräfte in der Region führen."

Sogwirkung wie bei Tesla in Prüm?
Der Bitburger Landtagsabgeordnete Michael Ludwig (CDU) kann die Besorgnis der regionalen Wirtschaft auch verstehen: "Gerade einige Handwerksbetriebe haben jetzt die Befürchtung, dass ihre Mitarbeiter zur 'Frasers Group' abwandern könnten." Und diese Angst sei auch nicht ganz unbegründet. Das zeige das Beispiel Prüm, sagt Ludwig.
Als der Elektroautohersteller Tesla dort ein Werk der Firma Grohmann übernommen hat, seien auch einige Handwerker in diesen Industriebetrieb gewechselt, erinnert sich der Eifeler Politiker und Unternehmer: "So eine Ansiedlung kann schon eine gewisse Sogwirkung entfalten."
Unternehmer Propson aus Daleiden hat das im Norden des Kreises selbst mit Tesla und anderen Industriebetrieben erlebt, sagt er. Auch qualifizierte, ausgebildete Arbeitskräfte seien in die Werke gewechselt: "Die großen Konzerne können den Leuten ja viel mehr bieten als so ein kleiner Handwerksbetrieb."
Konkurrenz belebt das Geschäft
Dennoch glaubt CDU-Mann Ludwig, dass die "Frasers Group" der Region guttun wird. Und auch auf dem Arbeitsmarkt einiges in Bewegung setzen kann. "Konkurrenz belebt das Geschäft. Von der Ansiedlung werden auch andere Firmen profitieren", ist sich der Ludwig sicher.

So denkt auch Matthias Schmitt von der IHK Trier. Langfristig werde das Logistikzentrum den Arbeitsmarkt in der Eifel stärken: "Wir gewinnen damit einen weiteren attraktiven Arbeitgeber hinzu." Und der werde Neubürger nach Bitburg locken.
Luxemburg wirbt viele Fachkräfte aus der Eifel ab
Vielleicht lasse sich ja auch der ein oder andere Luxemburg-Pendler mit einem guten Angebot überzeugen, doch in der Heimat zu arbeiten, meint Schmitt.
Mehr als 5.000 Menschen aus dem Eifelkreis zieht es nach Angaben der luxemburgischen Zentralstelle der Sozialversicherungen täglich zum Arbeiten über die Grenze. "Viele werden es sich künftig vielleicht überlegen, ob sie die Anfahrt und die Staus auf sich nehmen wollen", sagt Schmitt.

Es braucht Zuzug in den Eifelkreis
Insgesamt, glaubt der Experte der Industrie- und Handelskammer Trier, sei die Herausforderung zu stemmen. Die Voraussetzung sei aber, dass Betriebe, Stadt und Kreis sich um Zuzug bemühen, aus anderen deutschen Regionen, aber auch aus dem Ausland.
Diese Notwendigkeit sieht auch Landrat Andreas Kruppert (CDU): "Eine solche Ansiedlung führt in einer Region, die schon über eine Vollbeschäftigung verfügt, zu neuen Herausforderungen, den notwendigen Wohnraum zu schaffen. Alles das sind Dinge, die wir jetzt auch in Zukunft angehen müssen."
Wohnraum schaffen auf dem Housing-Gelände in Bitburg
Potenzial für weiteren Wohnraum gibt es in Bitburg. In direkter Nähe zum geplanten Logistikzentrum auf dem Flugplatz steht seit Jahren das sogenannte Housing-Gelände leer.
In der ehemaligen Siedlung der US-Soldaten wäre genügend Platz, um Wohnungen zu bauen. Nur lässt die Erschließung des Areals lange nach dem Abzug der Truppen auf sich warten. Auch, weil es mit der Landesgartenschau in Bitburg nichts wurde.
Unternehmer: "Konkurrenz belebt das Geschäft"
Die Bundesanstalt für Immobillienaufgaben, die die Housing verwaltet, hat das Konversionsgebiet noch immer nicht zum Verkauf angeboten. Damit rechnet der Zweckverband Flugplatz aber in den kommenden Monaten.
Und so bringt die Ansiedlung in Bitburg einiges ins Rollen. Das freut Unternehmer Thomas Mutsch aus Bitburg: "Es ist Zeit, dass hier etwas in Bewegung kommt. Ich sehe die ganze Entwicklung durchaus positiv." Gerald Propson aus Daleiden sieht das ganz anders. Die "Frasers Group", glaubt er, werde vielen Betrieben die Suche nach Personal noch weiter erschweren.