Die gelbe Fassade des großen Bauernhauses aus dem 19. Jahrhundert strahlt in der Nachmittagssonne, es duftet nach Flieder. Vor der Eingangstür plätschert ein kleiner Springbrunnen und der Krieg in der Ukraine scheint weit weg in Peffingen (Eifelkreis Bitburg-Prüm).
Als russische Soldaten in die Ukraine einmarschieren, entscheiden Anette und Harald Groß, Geflüchtete aufzunehmen. Platz hätten sie genug. In dem Haus leben die beiden mit ihrem elfjährigen Sohn.
Der Anruf kam Anfang März. Eine christliche Privatinitiative, die sich darauf spezialisiert hat, Heimkinder in der Ukraine in Sicherheit zu bringen, bat um Hilfe. Die Ukrainerin Nataliia und ihr Mann waren mit ihren zehn Pflegekindern und der Großmutter vor dem Krieg geflohen. Sie lebten in der Ukraine als sogenannte familienähnliche Heimgruppe. Familie Groß überlegt nicht lange und nimmt alle auf.
Über Nacht Großfamilie
Geplant war eine kurzfristige Unterbringung der 13-köpfigen Gruppe, sagt Anette Groß. Die kleine Familie bezieht zwei Zimmer im Haus. Der Sohn überlässt sein Kinderzimmer den vier Mädchen der ukrainischen Neuankömmlinge. Die sechs Jungen bekommen ein eigenes Zimmer, wie auch die Großmutter. Die Eltern schlafen im eingerichteten Gästezimmer.
Gegessen wird am langen Tisch im Esszimmer. Da ist gerade so Platz für alle. Das Kochen in der geräumigen Küche wird unter den Familien nach Absprachen aufgeteilt. Es läuft besser als gedacht, sagt Anette Groß. Beide Familien verstehen sich gut. Der Sohn freundet sich schnell mit den anderen Kindern an.
Familie Groß beschließt, dass die Ukrainer bei ihnen bleiben können. Die Kommunikation sei anfangs schwierig gewesen. Verständigt habe man sich aber über den Google-Übersetzer und eben mit Händen und Füßen, erzählt Harald Groß und lacht. Inzwischen kennen sich aber alle so gut, da müsste einer manchmal nichts sagen, um es zu verstehen.
Viele Spenden und große Solidarität für Geflüchtete
Die Familie bekommt viel Unterstützung. Von Freunden und den Pfadfindern, bei denen sie ehrenamtlich engagiert sind. Fahrräder für die zehn Kinder werden gespendet. Die örtliche Feuerwehr bringt Betten, Bettbezüge und Stühle vorbei.
Als alle 13 Neuankömmlinge zu den Behörden müssen, um sich anzumelden, wird das im Dorf organisiert. Mindestens vier Autos werden jedes Mal gebraucht. Ein Mann aus Peffingen kümmert sich darum. Anette Groß muss dann nur den Termin bei den Ämtern klarmachen.
Dass allerdings immer einer von ihnen die Ukrainer zu den Behörden begleiten muss, macht es manchmal auch schwierig und kostet Zeit und Kraft, sagt Anette Groß.
Die Zusammenarbeit mit den Behörden funktioniere sehr gut. Finanzielle Unterstützung für die zusätzlichen Kosten wie Lebensmittel und Energie werden gezahlt. Das lief alles ganz problemlos, erzählt Anette Groß.
Momente der Ruhe sind selten
Nach zwei Monaten sind alle 16 Bewohner routiniert. Ihren Alltag gestalten die beiden Familien weitgehend getrennt voneinander. Vormittags gehen alle Kinder in die Schule in Irrel. Harald ist Grundschullehrer im Nachbarort. Anette Groß arbeitet Teilzeit als Erzieherin. Nataliia und ihr Mann kümmern sich unter der Woche meistens um das Kochen für alle und den Haushalt. Sie unterstützen die Familie so gut sie können.
Es ist immer was los im Haus. Ruhe gibt es selten. Die müsse man sich jetzt bewusst suchen. Auch dass liebevoll renovierte Dinge im Haus, wie Treppengeländer oder Türklinken leiden, gehöre dazu. Das sei nicht immer einfach. Da müsse man lernen, Abstriche zu machen, sagt Anette Groß.
Gerade Alltägliches berge Herausforderungen. Alles dauert länger. Abläufe sind komplexer geworden. Es ist viel Arbeit. Der Alltag ist voll mit administrativen Dingen, sagt Harald Groß. Der logistische Aufwand für 13 weitere Menschen ist enorm. Ihre Entscheidung bereuen sie aber nicht.
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Ukrainische Flüchtlinge suchen eigenes Haus
Auch wenn alles gut funktioniert, eine Dauerlösung ist das nicht. Ein Ende des Krieges in der Ukraine ist auch nicht abzusehen. Nataliia und die Pflegekinder sind dankbar für die viele Unterstützung. Aber sie möchten jetzt etwas Eigenes für die Familie. Anette und Harald Groß verstehen das.
Vor ein paar Tagen haben deshalb alle gemeinsam beschlossen, eine Wohnung oder ein Haus für die Neuankömmlinge zu finden. Alle Stellen wie das Sozialamt, Jugendamt und private Kontakte wurden informiert.
Dass es dann wieder stiller und geruhsamer in dem alten Bauernhaus in der Südeifel zugeht, kann sich Anette Groß noch nicht so richtig vorstellen. Denn sie weiß: Der Trubel und die vielen Kinder werden ihr fehlen.