Der Hauptmarkt in Trier am Tag der Amokfahrt (Foto: SWR)

Konfrontation mit dem Leid

Ersthelfer erinnern sich an Amokfahrt in Trier

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AUTOR/IN
Claudia Krell

Als am 1. Dezember 2020 ein Auto durch die Fußgängerzone raste, wurden fünf Menschen getötet, zahlreiche verletzt. Ersthelfer erinnern sich - fast ein Jahr später - an diesen Tag.

Die Frauenärztin Andrea Steinmetz hat ihre Praxis direkt am Hauptmarkt in Trier - im Herzen der Stadt. Am 1. Dezember vergangenen Jahres wurde dieser Ort Schauplatz der Amokfahrt. Die Ärztin war gerade im Gespräch mit einer Patientin, als sie plötzlich einen lauten Knall hörte.

"Das Kind lag ganz alleine da."

"Da bin ich aufgesprungen ans Fenster. Ich hörte schreiende Menschen und sah, dass Menschen auf der Straße lagen, da bin ich sofort raus aus dem Zimmer." Zwei Helferinnen kamen mit ihr. Sie hatten die Notfallausrüstung dabei.

Auf der Straße kümmerte sich die Ärztin um verletzte Menschen. Dann kamen Passanten und riefen: "Sind sie Arzt, dann bitte kommen sie schnell, da vorne liegt ein Kind". Das Baby lag auf dem Rücken auf dem Boden am Hauptmarkt.

Andrea Steinmetz hat geschaut, ob es atmet, ob es Herzschlag hat und dann hat sie begonnen, die Kleine zu reanimieren. Eine zweite Ärztin kam hinzu - doch beide konnten nicht mehr helfen.

Der erste Gedanke war, es kann nur ein Anschlag sein.

Der Hauptmarkt war zu diesem Zeitpunkt voller Menschen. Viele weinten, zitterten, manche schrien - sie alle waren in Schocksituationen. Gut zwei Stunden half die Ärztin mit ihrem Team dort, wo sie gebraucht wurde. "Das Schlimme ist, dass man weiß, wenn ich mich jetzt dem Einen zuwende, kann ich dem Anderen nicht helfen", sagt Andrea Steinmetz.

Ihr erster Gedanke war, dass es nur ein Anschlag gewesen sein kann. Und dann kam in ihr Wut auf. Dass ein Mensch anderen unschuldigen Menschen und auch dem kleinen Baby so viel Leid antut. "Das hat mich wütend gemacht. Das war eigentlich mein Hauptgefühl, das mich zu Tränen bewogen hat", sagt die Ärztin.

Der Blick aus dem Fenster dorthin, wo das Baby lag

Andrea Steinmetz hat nach der schrecklichen Amokfahrt in Trier viel Zeit gebraucht, um diese Ereignisse auch bewusst zu realisieren. Oft ist sie abends, wenn sie noch in der Praxis war, ans Fenster gegangen.

Ihr Blick ging auf den Hauptmarkt, der mit unzähligen Lichtern, Blumen und Stofftieren geschmückt war - für einige Wochen war er Gedenkort. Und auch heute, fast ein Jahr danach bleiben ihr diese Bilder, die nie weggehen werden, sagt sie. Sie sind Teil von dem, was sie erlebt hat.

Steisy Colon Sandoval arbeitet als medizinische Fachangestellte im Krankenhaus Mutterhaus der Borromäerinnen in Trier. Sie kam an diesem 1. Dezember 2020 aus der Pause, da kam der Anruf, dass ein Auto durch die Stadt gerast war.

"Ich habe sofort den ärztlichen Leiter informiert und dann wurde der Katastrophenschutz ausgelöst". Zuerst kamen Menschen zu Fuß ins Krankenhaus, die von Seelsorgern betreut worden. Dann die Rettungswagen mit Verletzten.

Personen betreut, die Menschen verloren haben

"Es war sehr emotional für mich. Man musste sich für die Patienten zusammenreißen. Man hat funktioniert, wollte für die Patienten da sein", sagt die junge Frau. An diesem Tag hat sie Personen betreut, die Menschen verloren haben. Wir waren alle geschockt, sagt sie.

"Ich kam aus der Pause und da kam der Anruf."

Abends, als sie nach Hause kam, hat sie alles, was an dem Tag passiert ist, nochmal Revue passieren lassen und dann kamen ihr die Tränen. Auch habe sie davon geträumt. Man lerne, mit der Situation umzugehen, aber es sei schon sehr schwer gewesen.

Jetzt - so kurz vor dem Jahrestag der Amokfahrt geht ihr alles wieder durch den Kopf. Man wird sich immer daran erinnern, sagt sie.

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