Das ganze Ausmaß offenbart eine unabhängige Studie, die am Freitagabend in Trier der Öffentlichkeit vorgestellt worden ist. Der Trierer Bischof Ackermann gesteht Verfehlungen des Bistums ein und bittet um Verzeihung.
Gewalt war am Bischöflichen Internat "Albertinum Gerolstein" eine dauernde Erfahrung, daran lässt der Abschlussbericht keinen Zweifel. Von 1946 bis 1983 lief der Betrieb, bis Mitte der 1970er Jahre gab es an dem Internat in der Eifel psychische und physische Übergriffe. Die Verantwortlichen des Abschlussberichts haben auf seinen 137 Seiten zusammengetragen, was ihnen ehemalige Schüler berichtet haben. 54 haben sich bei ihnen gemeldet, darunter auch ehemalige Beschäftigte.
Was sie erlebt haben, belastet viele der ehemaligen Schüler bis heute. Das sagte Claudia Bundschuh, eine der Projektleiterinnen, bei der Vorstellung des Berichts am Freitagabend in Trier. Die traumatischen Erfahrungen hätten zu Depressionen, Gefühlen von Ohnmacht, Ängsten, Selbstmordgedanken und Süchten geführt. Bei der Misshandlung der Kinder handelte es sich vor allem um körperliche Gewalt, aber ebenso psychische – und sexualisierte. Ausgeübt wurde sie dem Bericht zufolge von insgesamt zwölf am Internat beschäftigten Männern. Sexualisierte Gewalt hätten vor allem drei Priester, die das Internat in jenen Jahrzehnten nacheinander leiteten, und ein weltlicher Mitarbeiter ausgeübt.
"Von den drei Leitern des Internats, die Priester waren, sowie einem weltlichen Mitarbeiter, wurde auch sexualisierte Gewalt verübt. Und auch psychische Gewalt war für viele an der Tagesordnung - daran lassen die Schilderungen keinen Zweifel."
Im Bericht finden sich etliche Formen von körperlichen Übergriffen. Schläge mit dem Stock, mit einem Schlauch, die Wange mit Kniffen schmerzhaft verdrehen, unter Zwang Essen bis zum Erbrechen – und immer wieder die Gerte auf den Po. Unter dem Vorwand, die Sauberkeit prüfen zu wollen, hätten Täter den Penis von Schülern nach dem Duschen berührt, Situationen sind geschildert, in denen sie Jungen zum Samenerguss bringen, auch von Penetration wurde berichtet. Aber auch vom langen Strafestehen oder Einsperren ohne Möglichkeit, zu trinken oder zur Toilette zu gehen.
Dem Bericht zufolge war das Internat ein "geschlossenes System". Vielen Schülern sei außerhalb nicht geglaubt worden. Und auch das Bistum als Träger griff nicht ein. Dabei hatten sich den Schilderungen zufolge Verantwortliche ans Bistum gewandt und um personelle und materielle Unterstützung gebeten.

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann, der vor der öffentlichen Vorstellung des Berichts noch mit Betroffenen von damals unter Ausschluss der Öffentlichkeit zusammengekommen war, sagte, der Bericht zeige, dass das Bistum das Albertinum "stiefmütterlich behandelt" habe. Es sei nicht ausreichend kontrolliert worden, es habe keine wirksame Aufsicht gegeben, zu wenig Engagement. Bistumsverantwortliche hätten sich durch Nachlässigkeit schuldig gemacht.
"Am Beispiel des Albertinums kann man sehen, dass und wie Bistumsverantwortliche sich auch dann schuldig machen, selbst wenn sie nicht aktiv vertuschen, sondern in der Führung von Bistumseinrichtungen nachlässig sind."
Der Bericht listet Wünsche der Betroffenen auf und Handlungsempfehlungen. Dabei geht es unter anderem auch um eine Verantwortungsübernahme des Bistums. Bischof Ackermann sagte, es sei richtig und wichtig, dass diese dunkle Seite des Albertinums nun öffentlich sei und die Täter beim Namen genannt würden. Er bat die ehemaligen Schüler des Internats um Verzeihung "für das, was Ihnen an Schmerz in einer Institution des Bistums zugefügt worden ist".
Es beschäme ihn, dass Kindern und Jugendlichen dies widerfahren sei. Ackermann sagte, er werde auch bezogen auf materielle Anerkennung des Leids zeitnah mit Betroffenen ins Gespräch kommen, wie eine angemessene Lösung aussehen könnte.
Werner Schenk, ehemaliger Albertinum-Schüler unter der Leitung des ersten Direktors, begrüßte die Aussage des Bischofs. Der heute 77-Jährige war Mitglied im Lenkungsausschuss, der die Projektdurchführung begleitet hat.
Die Hauptpeiniger von damals sind verstorben. Die Aufarbeitung der Vorfälle am Albertinum war 2019 gestartet worden. Wegen Corona hatte sich der Abschlussbericht verzögert.