Das Amtsgericht Bitburg hat den Mann wegen Nötigung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einem Jahr und elf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Der Angeklagte hatte am Vormittag über seinen Anwalt ein umfassendes Geständnis abgelegt.
Als Motiv gab er eine Angststörung an. Er wies nach, dass er deswegen schon in der geschlossenen Psychiatrie behandelt wurde. Es tue ihm leid, er bereue sein Verhalten, sagte der 27-Jährige, er hoffe auf eine milde Strafe. Laut Anklage flüchtete der Mann in der Nacht vom 8. auf den 9. September 2019 in seinem Auto vor einer Kontrolle der Bundespolizei, weil er Drogen genommen hatte und auch Drogen dabei hatte.
Stress und Adrenalin
Vor Gericht sagte heute auch ein Bundespolizist aus Kleve aus, der am Steuer saß, als er mit Kollegen den flüchtenden Autofahrer quer durch die Eifel verfolgte. Die Verfolgungsfahrt habe etwa eine halbe Stunde gedauert und sei auch auf kurvenreichen Straßen durch Wald verlaufen. Der flüchtende Autofahrer habe die Beleuchtung seines Wagens dabei zeitweise ausgeschaltet. In Ortschaften sei er bis zu 80 km/h schnell gefahren, er habe öfter andere Autos überholt, teils seien entgegenkommende Autofahrer gefährdet worden.
Knalltrauma, Schleudertrauma und Schnittverletzungen an der Hand
Der Bundespolizist schilderte die angespannte Situation während der Verfolgungsfahrt. In einem Kreisverkehr in Prüm habe der flüchtende Autofahrer abgebremst. Da sei er mit dem Einsatzwagen der Bundespolizei mit ihm zusammengestoßen. Der Airbag des Einsatzfahrzeugs sei aufgegangen, dadurch habe er ein Knalltrauma erlitten. Die Frontscheibe sei zersplittert, sein Kollege habe eine oberflächliche Schnittwunde an der Hand gehabt.
Mutmaßliche Prügelattacke bei Festnahme
Was genau danach geschah, wurde in dem Prozess vor dem Amtsgericht nicht angesprochen. Einer der Bundespolizisten soll den geflüchteten Autofahrer aus dem Wagen gezerrt, zu Boden gerissen und verprügelt haben. Das Handyvideo eines Augenzeugen zeigt die Szene. Dadurch wurde der Fall erst publik. Der Bundespolizist ist wegen Körperverletzung im Amt angeklagt. Er sollte in Bitburg als Zeuge aussagen. Da er aber ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht gehabt hätte, verzichtete das Gericht darauf, ihn zu befragen. Sein Kollege wurde zu dem Vorfall nicht befragt, sondern nur zur Verfolgungsfahrt.
Der Richter sagte in seiner Urteilsbegründung zum Angeklagten, er habe mutwillig das Leben anderer Menschen riskiert. Er solle froh sein, dass die Sache glimpflich ausgegangen und niemand ums Leben gekommen sei. Schließlich habe er auch das Leben seines Bruders und seines Freundes gefährdet, die mit in seinem Wagen saßen. Der Richter ermahnte den jungen Mann, einen Drogenentzug zu machen und sich eine geregelte Ausbildung zu suchen. Der 27-Jährige Angeklagte hatte angegeben, bei seiner Mutter zu leben und seit dem Abitur nur Gelegenheitsjobs in Restaurantküchen und Fabriken gemacht zu haben.
Drei Jahre Bewährungszeit
Das Gericht machte dem Angeklagten keine weiteren Bewährungsauflagen wie soziale Arbeit oder Drogenentzug, da er in Frankreich lebt und die Umsetzung kaum zu überprüfen wäre, so die Staatsanwältin. Allerdings wurde ihm die Fahrerlaubnis für Deutschland dauerhaft entzogen. Der Richter wies ihn außerdem darauf hin, dass es eine Straftat sei, wenn er zum Beispiel nach Rotterdam führe, sich dort Drogen kaufe und sich dann ans Steuer eines Autos setze. Sollte der Mann innerhalb der nächsten drei Jahre wieder straffällig werden, müsste er die Haftstrafe verbüßen.
Angeklagter saß schon seit Januar in Untersuchungshaft
Insgesamt hätte der Angeklagte sich und anderen einiges ersparen können, wäre er nicht vor der Kontrolle der Bundespolizei geflüchtet, so der Richter am Amtsgericht Bitburg. Der 27-Jährige war im vergangenen August nicht vor Gericht erschienen, als der Prozess eigentlich hätte beginnen sollen. Daraufhin wurde er mit europäischem Haftbefehl gesucht und im Januar in Basel bei der Einreise aus der Türkei festgenommen. Er kam in der Schweiz in Auslieferungshaft, dann in die JVA Freiburg, bevor er im Februar in die JVA Trier eingeliefert wurde. Die monatelange Untersuchungshaft im Ausland wurde dem Angeklagten als strafmildernd angerechnet. Er konnte heute nach Hause zurückkehren.
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Bundespolizist angeklagt
Wann der Prozess gegen den Bundespolizisten beginnt, der wegen Körperverletzung im Amt angeklagt ist, weil er den jetzt verurteilten 27-Jährigen verprügelt haben soll, steht noch nicht fest. Der Bundespolizist aus Nordrhein-Westfalen war im September 2019 im Rahmen eines beruflichen Austauschs in der Eifel im Einsatz. Der Angeklagte soll an der Kontrollstelle an einer Baustelle der A60 bei Bleialf direkt auf den Beamten und Kollegen zugefahren sein, um zu flüchten.