Das Albertinum in Gerolstein (Foto: SWR)

Bistum Trier beendet Anerkennungsverfahren

650.000 Euro für Gewaltopfer am Albertinum

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Nicole Mertes
Nicole Mertes arbeitet als Redakteurin im SWR Studio Trier (Foto: Nicole Mertes)

Ein Jahr, nachdem eine unabhängige Aufarbeitungskommission ihren Bericht zu Gewalt und Missbrauch am Albertinum Gerolstein vorgestellt hat, beendet das Bistum das Anerkennungsverfahren.

Bischof Stephan Ackermann habe mit 38 ehemaligen Schülern gesprochen, die am Albertinum Gerolstein Opfer körperlicher, sexualisierter und seelischer Gewalt geworden waren.

Ihnen wurden jeweils 17.000 bis 38.000 Euro Entschädigung ausgezahlt, so das Bistum. Insgesamt seien aus Mitteln des Bischöflichen Stuhls 650.000 Euro geflossen, so das Bistum Trier. Es sei für viele Betroffene wichtig gewesen, dass nicht irgendjemand, sondern der Bischof persönlich mit ihnen über ihre Gewalterfahrung gesprochen habe, sagte Werner Baulig vom Betroffenenbeirat.

"Das Albertinum konnte die Hölle sein, wenn man Pech hatte."

Gewalt durch Priester und Mitarbeiter

Es sei sehr unterschiedlich gewesen, welche Erfahrung die Schüler im Albertinum mit Gewalt gemacht hätten, so Baulig. Für einige Schüler sei das Internat die Hölle gewesen.

Das Bistum Trier hatte die Internatsschule für Jungen von 1946 bis 1983 betrieben. Ab dem Jahr 2010 hatten sich ehemalige Schüler beim Bistum gemeldet, die dort durch Priester und Mitarbeiter Gewalt erlitten hatten.

Eine Untersuchung einer unabhängigen Aufarbeitungskommission zum Albertinum begann aber erst im Jahr 2019. Der Bericht zu Gewalt gegenüber Schülern in dem Internat wurde im Februar 2022 vorgestellt. Darin werden auch ehemalige Schüler anonym zitiert, die Opfer von Gewalt wurden.

"Wir haben mehr Prügel gekriegt wie Brot zum Essen, täglich."

Streng geregelter Tagesablauf im Internat in Gerolstein

Die Studie der unabhängigen Aufarbeitungskommission benennt 12 Täter, die alle Formen von Gewalt gegenüber den Internatsschülern ausübten. Drei der Täter waren Priester, die Direktoren des Altbertinums waren, dazu kamen ihre neun Mitarbeiter. Der Tagesablauf sei streng geregelt gewesen.

In dem Internat waren bis zu 90 Jungen im Alter zwischen 9 und 20 Jahren untergebracht. Viele kamen aus kleinen Dörfern aus der Region Eifel, Mosel, Hunsrück, aber auch aus dem Saarland und der Region Köln-Bonn. Ihre Eltern wollten ihnen eine gute Schulbildung ermöglichen. Doch viele Kinder erlitten im Albertinum Gewalt und haben ihre Erfahrung für den Bericht der unabhängigen Aufarbeitungskommission geschildert.

"Mit einem Schlauch hat er auf unsere Rücken eingeschlagen."

Eiskalte Duschen und Prügel

Für den Bericht der unabhängigen Aufarbeitungskommission haben sich 54 ehemalige Schüler des Albertinums gemeldet. Nicht alle Schüler wurden Opfer von Gewalt. Doch viele berichten von Sadismus und Unmenschlichkeit der Priester und ihrer Mitarbeiter.

Eiskalte Duschen, an den Schläfen hochgezogen werden, Prügel mit der Gerte: Das alles sind Gewalterfahrungen, die ehemalige Schüler des Albertinums im Bericht schildern. Einigen Schülern sei mit einem Schlauch auf den Rücken geschlagen worden.

Ein Mitarbeiter hätte Schüler ohne Grund und Anlass geprügelt, es habe ihm sichtlich Freude gemacht, schildert ein ehemaliger Schüler im Bericht der Aufarbeitungskommission. Vor allem Jungen, deren Eltern nicht so häufig zu Besuch kommen konnten, waren von Gewalt betroffen, sagen ehemalige Schüler in dem Bericht. Kinder aus wohlhabenden Familien seien eher verschont geblieben.

"Die Traumatisierung hält ein Leben lang an."

Er selbst sei sieben Jahre im Albertinum gewesen, sagt Werner Baulig. Er ist im Betroffenenbeirat ehemaliger Schüler. Es sei sehr unterschiedlich, wie Betroffene mit der Gewalterfahrung umgingen. Einige litten unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, seien bis heute in Therapie. Einige der Gewaltopfer hätten Suchtprobleme und psychosomatische Beschwerden. Auch die Auseinandersetzung mit den Vorfällen während ihrer Schulzeit habe sie retraumatisiert.

"Jeder, den es hart erwischt hat, der ist sein Leben lang damit beschäftigt."

Modell für andere Einrichtungen

Für den Betroffenenbeirat ist es wichtig, dass die Aufarbeitung der Gewalt am Albertinum Modell sein kann für vergleichbare Einrichtungen. Eine wissenschaftliche Studie sei wichtig, denn vielen Betroffenen sei als Kind und auch später nicht geglaubt worden.

Die Mehrzahl der Opfer von Gewalt am Albertinum Gerolstein sei mit der Aufarbeitung einverstanden gewesen. Es sei vielen auch wichtig gewesen, dass Bischof Ackermann mit jedem, der es wollte, persönlich gesprochen habe, so der Betroffenenbeirat.

"Viel zu oft wird auch heute noch weggeschaut"

Was den Opfern von Gewalt am Albertinum Gerolstein wichtig ist: Sie wollen Kinder schützen, die jetzt Opfer von Gewalt und Missbrauch sind. Sie hätten ihre Geschichte erzählt, damit mehr darauf geachtet werde, Kinder zu schützen, die in Familien, im Sport oder an Schulen Opfer von Gewalt würden. Auch heute noch werde zu vieles verharmlost und Opfer nicht ernst genommen, sagte Werner Baulig vom Betroffenenbeirat Albertinum.

Weitere Opfer von Gewalt am Albertinum können sich melden

Das Anerkennungsverfahren Albertinum werde zwar beendet, trotzdem könnten sich Betroffene immer noch melden, so das Bistum. Wer eine finanzielle Entschädigung beantragen wolle, könne das bis zum 31. Dezember 2023 machen, sagte eine Sprecherin des Bistums. Die Ansprechpersonen für sexualisierte Gewalt im Bistum Trier seien nach wie vor für Betroffene da.

"Da gibt es mit Sicherheit eine hohe Dunkelziffer."

Opfer sind noch nicht in der Lage, sich zu äußern

Werner Baulig vom Betroffenenbeirat Albertinum findet es wichtig, dass von Gewalt Betroffene weiter ein offenes Ohr finden. Es gebe mit Sicherheit eine hohe Dunkelziffer. Einige Betroffene hätten gesagt, die Aufarbeitung habe zu lange gedauert, die Entschädigungssumme sei dem Leid nicht angemessen gewesen.

Es gebe auch Opfer von Gewalt am Albertinum, die noch immer nicht in der Lage seien, sich wieder mit dem Missbrauch auseinanderzusetzen. Vielleicht brauchten sie noch Zeit, um das zu tun. Den Weg solle man ihnen dann offenlassen. Denn es sei wichtig, Opfern von Gewalt und Missbrauch zu helfen.

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