Betroffene warben am Samstag in Mainz um mehr Spendenbereitschaft. Die zentrale Veranstaltung des bundesweiten Aktionstags findet jedes Jahr in einer anderen Stadt statt, in diesem Jahr bereits zum 40. Mal. Unter dem Motto "Zeit, Zeichen zu setzen" kamen viele Menschen zu Wort: Patienten auf der Warteliste, Organempfängerinnen oder Angehörige von Organspendern. Transplantierte zeigten in Mainz Plakate, auf denen die Zahl der Lebensjahre stand, die ihnen durch die Spende geschenkt wurde: 527 geschenkte Jahre für 41 Menschen.
Gegen Widerspruchslösung Koblenzer Arzt: Kein Hirntoter sollte zu Organspende verpflichtet sein
Jeden Tag sterben drei Menschen in Deutschland, die vergeblich auf ein Organ gewartet haben. Dennoch warnt der Koblenzer Mediziner Andreas Molitor vor einer emotionalen Erpressung.
Transplantierte wollten Dank ausdrücken
In der ganzen Stadt gab es Aktionen - eine Ausstellung, ein begehbares Nierenmodell und Themenzelte. Abends wurden Bilder und Botschaften auf Gebäude projiziert. Ziel des Aktionstags war es, "den unsagbaren Dank in den Fokus zu rücken, den wir als Transplantierte gegenüber denjenigen empfinden, die uns dieses große Geschenk eines Spenderorgans gemacht haben", sagt Burkhard Tapp. Er erhielt vor über 20 Jahren eine neue Lunge. "Jede und jeder von uns kann schon morgen auf ein Spenderorgan angewiesen sein - sei es durch eine Krankheit oder einen Unfall", sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Vorfeld der Veranstaltung. "Organspende genießt prinzipiell eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. Ich wünsche mir, dass die persönliche Erklärung für jede und jeden zu einer Selbstverständlichkeit wird."
DSO: "Persönlich entscheiden und die Entscheidung dokumentieren"
Von dem Aktionstag müsse eine Aufbruchsstimmung ausgehen, forderte Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) im Vorfeld. Jeder und jede solle sich persönlich für die Organspende entscheiden und das auch dokumentieren. Denn: "Jeden Tag sterben Patienten, denen man mit einer Organspende hätte helfen können", sagt Rahmel. "Das darf nicht aus den Augen verloren werden." Die Dokumentation der eigenen Entscheidung zur Organspende sei auch eine Entlastung für die Angehörigen.
Der Einbruch bei den Organspenderzahlen fiel heftig aus: Bundesweit spendeten von Januar bis April nur 239 Personen Organe - 26 Prozent weniger als im gleichen Vorjahreszeitraum. Die Zahl der Transplantationen in den ersten vier Monaten sank im Jahresvergleich um nahezu 22 Prozent auf 801. Diese Entwicklung sei für die nahezu 9.000 Patienten auf den Wartelisten für Spenderorgane äußerst dramatisch, erklärte das Bundesgesundheitsministerium.
Gründe für den Rückgang
Was sind die Ursachen für den Rückgang? Die DSO vermutet, dass die Arbeitsüberlastung in den Kliniken durch die Corona-Pandemie ein Grund sein könnte: "Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass hierdurch weniger Organspenden realisiert werden konnten, als unter normalen Umständen möglich gewesen wären." Auch die Zahl der Nein-Voten nach den Beratungsgesprächen nahm zu. Ein weiterer Grund ist, dass Verstorbene mit einer Corona-Infektion von der Organspende ausgeschlossen waren.

Minister Hoch wirbt für Widerspruchslösung
Der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) rief dazu auf, sich persönlich für die Bereitschaft zur Organspende zu entscheiden. Bei offenen Fragen seien die DSO ebenso wie die Hausärzte gute Ansprechpartner.
Gleichzeitig warb er für eine Änderung der Rechtslage. Die seit 2012 bestehende Regelung erlaubt Organspenden nur mit Zustimmung der Spender oder ihrer Angehörigen. Er kämpfe weiter für die Widerspruchslösung, sagte Hoch. Träte diese in Kraft, wären alle Bürger automatisch als Organspender registriert. Eine Organentnahme wäre dann nur bei ausdrücklich erklärtem Widerspruch nicht möglich. Aus Sicht von Hoch hätten so mehr Menschen die Chance, ein lebensnotwendiges Organ zu erhalten.
Dass es in der laufenden Wahlperiode des Bundestags zu einer Gesetzesänderung kommt, glaubt der DSO-Experte Rahmel aber nicht. Er erwarte, dass die Gesetzgebung nun zunächst die Erfahrungen mit dem beschlossenen Online-Zentralregister für die Bereitschaft zur Organspende abwarten wolle, anstatt "schon wieder etwas Neues zu machen". Das ursprünglich zum 1. März geplante Register hat sich allerdings verzögert.