Coronatest (Foto: SWR)

Dubiose Online-Anbieter wittern Geschäftsmodell

Corona-Tests - Vorsicht vor gefakten Zertifikaten

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Eric Beres
David Meiländer

Über Anbieter im Internet lassen sich dubiose Corona-Testzertifikate erwerben. Und das teils ganz ohne Test. Fallen diese Tests bei Kontrollen auf? SWR-Reporter haben sich in Mainz umgehört.

Seit eineinhalb Wochen sind Corona-Schnelltests kostenpflichtig. Wer sich gegen eine Impfung entscheidet, muss zahlen, um sich den Theater- oder Restaurantbesuch zu ermöglichen. Dubiose Online-Anbieter wittern hier ein Geschäftsmodell.

Was Experten befürchtet hatten, ist eingetreten. In Telegramgruppen, in denen sich Kritiker der Corona-Maßnahmen und Impfgegner sammeln, werden Online-Angebote geteilt, über die sich begehrte Corona-Testzertifikate erhalten lassen. Für wenig Geld - und nach SWR-Recherchen bei mindestens zwei Anbietern auch ganz ohne Test.

Ärztin bescheinigt negatives Ergebnis

Die Anbieter bewerben ihre Seiten offensiv, zum Beispiel per Mail. So verschickt der Anbieter dransay.com vergangene Woche eine Werbemail, die im privaten Postfach eines SWR-Reporters landet: "Du willst dich nicht zum Impfen zwingen lassen durch die ab morgen kostenpflichtigen 'Bürgertests' und willst trotzdem überall freien Zugang?", heißt es darin. Der Anbieter verspricht Abhilfe, schreibt: "Du musst dafür nur nach dem selbst angewendeten Schnelltest einen Fragebogen ausfüllen und erhältst dann ohne weiteres Gespräch nach 5 Min. das Test-Zertifikat als PDF."

Ein Selbstversuch zeigt: Tatsächlich erhält der Reporter nach dem Ausfüllen eines Fragebogens ein negatives Corona-Testzertifikat per Mail, ausgestellt von einer Ärztin aus Hamburg. Einen Selbsttest musste er dafür nicht vorlegen. Trotzdem bestätigt die Ärztin auf dem Schreiben, er habe den Test unter der "fachärztlichen Überwachung" ihrer Arztpraxis durchgeführt.

Behörden prüfen Angebote

Sind solche Angebote aber überhaupt erlaubt? Der Anbieter zeigt sich davon überzeugt, schickt dem SWR ein anwaltliches Gutachten, das die Rechtmäßigkeit seines Angebots aus seiner Sicht begründen soll und schreibt, ein Mitarbeiter des Bundesgesundheitsministeriums habe ihm sogar "eine clevere legale Lösung" zugestanden.

Die zuständige Sozialbehörde in Hamburg teilt auf SWR-Nachfrage allerdings mit, das Angebot der Webseite decke sich nach deren Ansicht "nicht mit den geltenden gesetzlichen Regelungen". Ein solches Zertifikat "berechtigt nicht dazu, einen Zutritt im Rahmen der 3-G-Zugangsregelung zu erhalten." Sie kündigt an, Behörden würden gegen das Angebot des Anbieters vorgehen.

Täuschend echte Zertifikate

"Testet Euch gegenseitig frei!" – so bewirbt der Anbieter der Seite test-express.de sein Online-Angebot. Dort können zertifizierte Personen anderen Personen für je 1,99 Euro beliebig viele negative Bescheinigungen ausstellen. Um zu einer sogenannten Fachperson zu werden, reicht es, sich nach der Registrierung auf der Seite ein etwa zehnminütiges Schulungsvideo anzusehen. Theoretisch soll die Fachperson dann die Selbsttests beaufsichtigen. Doch wie wird das kontrolliert?

Screenshot der homepage "Testet Euch gegenseitig frei!" (Foto: SWR, Quelle: test-express.de)
Schulungsvideo ansehen, "Fachperson" werden, andere frei-testen - das Prinzip von test-express.de.

Der Betreiber der Website, Markus Bönig, sagt im SWR-Interview, für ihn gelte die Unschuldsvermutung: "Wir verpflichten unsere Mitarbeiter dazu, sich korrekt zu verhalten und gehen davon aus, dass das dann auch jeder so tut." Was Bönig von den aktuell geltenden Corona-Maßnahmen halte, daraus macht er als Geschäftsführer allerdings auch keinen Hehl. Viele davon seien unverhältnismäßig. Er habe auch kein Problem damit, dass sein Geschäftsmodell in Social Media-Plattformen von Coronaleugnern und Impfgegnern beworben werde. Er selbst ist Mitglied der Partei "Die Basis", die als Sammelbecken von sogenannten Querdenkern gilt.

SWR-Reporter erhalten ein über die Seite test-express.de erstelltes Testzertifikat, abrufbar als PDF oder über einen Link - sogar ein QR-Code kann gescannt werden. Ein Corona-Test wurde vor dem Ausstellen dieses Zertifikats nicht durchgeführt. Können solche täuschend echt aussehenden Fake-Zertifikate bei Zutrittskontrollen auffallen?

Testzertifikat überzeugt

Die Reporter gehen mit dem Zertifikat in Mainz zu einem Restaurant, zum Schwimmbad, zum Theater, sogar zu einer Messe im Rhein-Main-Gebiet. Überall wollen die Reporter von den Personen an Einlass oder Kasse wissen: Würden sie bei einer Kontrolle dieses Zertifikat als Fake erkennen? Die übereinstimmende Antwort: Nein.

So berichtet Benno Frank, Geschäftsführer des "Eisgrubbräu" in Mainz beispielweise, ihm sei ein Zertifikat des Anbieters Test Express vor wenigen Tagen schon einmal gezeigt worden. Er habe es sich durchgelesen und es habe ihn überzeugt. Ob bei diesem Zertifikat vorher tatsächlich ein Selbsttest gemacht wurde, lässt sich im Nachhinein nicht sagen.

Benno Frank, Geschäftsführer "Eisgrubbräu"  (Foto: SWR)
Ihn habe das Zertifikat überzeugt, sagt Benno Frank, Geschäftsführer des "Eisgrubbräu" in Mainz

Allerdings schreibt das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Webseite: "3G-fähige Testzertifikate werden vor allem durch Personen oder Einrichtungen ausgestellt, die zur Leistungserbringung nach der Coronavirus-Testverordnung berechtigt sind. Dazu zählen insbesondere Arztpraxen, Zahnarztpraxen, Apotheken, Teststellen von Rettungs- und Hilfsorganisationen, kommunal betriebene Teststellen sowie private Teststellen, die vom öffentlichen Gesundheitsdienst mit der Durchführung von Testungen beauftragt wurden."

Anbieter spricht von "Regelungslücken"

Auf Nachfrage teilt uns die für den Anbieter "Test Express" zuständige Kreisverwaltung mit, das Unternehmen sei "vom Kreisgesundheitsamt nicht mit der Durchführung von Testungen beauftragt" worden. Die Kreisverwaltung prüfe, ob ein "gewerberechtlich unzuverlässiges Handeln" vorliege und ein "Gewerbeuntersagungsverfahren eingeleitet werden" könne.

Markus Bönig jedoch gibt sich dem SWR gegenüber überzeugt: "Wir sind ganz klar der Auffassung, dass es für Dienstleister und Hilfsorganisationen auch weiterhin zulässig ist, Bescheinigungen zu erstellen." Weiter schreibt er: "Die aktuelle Coronavirus-Testverordnung ist diesbezüglich sehr ungenau formuliert und beinhaltet etliche Regelungslücken."

Markus Bönig, Betreiber der Webseite test-express.de (Foto: SWR)
Markus Bönig, Betreiber der Webseite test-express.de, hat kein Problem damit, dass sein Geschäftsmodell von Impfgegnern beworben wird.

Nach Ansicht des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) gibt es jedoch "keine Gesetzeslücke". Das Ministerium teilt dem SWR auf Nachfrage mit: "Wer Impf- oder Testzertifikate fälscht, kann je nach Fallkonstellation […] zu einer Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren oder zu einer Geldstrafe verurteilt werden. Das BMG steht mit dem BMJV (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz) darüber im Austausch, wie gesetzliche Regelungen in dieser Hinsicht nochmals klargestellt werden können."

Mit mehr Gewissheit gegen Fakes

Die SWR-Recherche zeigt: KontrolleurInnen sind nicht glücklich darüber, dass sie von möglichen Fälschungen solcher Zertifikate wissen, im Endeffekt aber aktuell wenig dagegen tun können. Denn jedes Zertifikat sehe anders aus, einheitliche Regeln gebe es hierfür bislang offenbar noch nicht. So wünscht sich die Kassiererin eines Mainzer Schwimmbads im Interview mit dem SWR eine einheitliche Überprüfungsmöglichkeit für Corona-Testzertifikate, zum Beispiel über die für die Überprüfung der Impfzertifizierung eingesetzte CovPassCheck-App. "Wir wollen Gäste nicht ausschließen, die nur einen Test haben. Aber das dann nicht überprüfen zu können, ist natürlich schlecht."

Strafrechtler Henning Rosenau, Universität Halle (Foto: SWR)
Es ist kein Vergehen, wenn Kontrolleure einen gefälschten Corona-Test nicht erkennen, sagt Strafrechtler Henning Rosenau von der Universität Halle.

Strafbar machten sich Kontrolleure und Kontrolleurinnen nicht, wenn sie nach ordnungsgemäßer Kontrolle eine Fälschung nicht erkennen, sagt der Strafrechtler Henning Rosenau von der Universität Halle. Doch alle Kontrolleure in Mainz, mit denen die SWR-Reporter gesprochen haben, sagen, sie hätten gerne selbst mehr Gewissheit. Gerade weil sie um die dubiosen Angebote im Netz wissen.

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