"Es ist nicht fair, nicht gerecht"
"Die Löhne und Sozialleistungen sind zu gering", sagt Sozialarbeiter Rönner aus Koblenz. "Sinnvoll wäre so viel Lohn, dass die Menschen davon tatsächlich leben können", sagt auch Gambino vom Diakoniewerk Pfalz. "Das wäre schon ein großer Schritt." Außerdem brauche es mehr Sozialwohnungen, sagt sie. "Die Leute haben zwei oder mehr Jobs und es reicht trotzdem nicht für eine Wohnung."
In eine günstigere Wohnung zu ziehen hat auch Veronika Erol aus Koblenz bereits erwogen. Ihre Miete steigt jährlich und wird nicht komplett vom Jobcenter übernommen. Von ihrem Hartz-IV-Satz muss sie für die Wohnung daher etwas drauflegen - hat somit weniger Geld zum leben. Aber eine günstigere oder kleinere Wohnung zu finden ist schier unmöglich, sagt sie. Seit Jahren gibt es immer weniger Sozialwohnungen. 2008 gab es noch mehr als 80.000 sozial geförderte Wohnungen mit Preisbindung in Rheinland-Pfalz. 2020 waren es rund 44.000.
"Müssen die Schwächsten in der Gesellschaft schützen"
Gerade die Pandemie habe gezeigt, dass es nicht gerecht zugehe in der Gesellschaft, sagt Bähr.
"Ich spreche dem Staat nicht ab, dass er sich bemüht. Aber wenn die zehn reichsten Menschen in der Pandemie noch reicher geworden sind, während immer mehr Menschen in die Armut rutschen, geht es nicht gerecht zu."
Schutzpakete und Rettungsschirme für Wirtschaft und zum Beispiel die Gastronomie hält auch Bähr für sinnvoll. "Aber wir müssen auch die Schwächsten in der Gesellschaft schützen", sagt er. "Sie haben keine Lobby."
Diakoniepfarrer: Welle der Armut wird noch kommen
Bähr rechnet damit, dass sich die Lage noch weiter zuspitzen wird. "Ich sehe eine versteckte Armut, viele Menschen, die aus Scham noch versuchen, die Schieflage zu kompensieren." Doch das werde auf Dauer nicht funktionieren. "Da wird noch, wie bei Infektionen, eine Welle kommen."
Veronika Erol wird vorerst weiterhin jeden Cent fünf Mal umdrehen müssen, ehe sie ihn ausgibt, sagt sie. In diesem Jahr möchte sie wieder Arbeit finden und nicht mehr auf Arbeitslosengeld II angewiesen sein. "Man möchte ja gar nicht viel", erklärt sie. Ausflüge oder kostspielige Unternehmungen möchten weder sie noch ihre Tochter. "Sie fordert nicht viel, sie hat keine großen Wünsche."
Derzeit ist aber nicht mal eine Brezel für die Elfjährige beim Spazierengehen drin, von neuer Kleidung für das aktuell schnell wachsende Kind ganz zu schweigen. "Es ist ungerecht", sagt Erol. "Nicht mal unbedingt für mich - für alle anderen, deren Löhne gleich bleiben."