Nach Angaben von Innenminister Roger Lewentz (SPD) hat es in Rheinland-Pfalz seit Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 insgesamt 952 Aktionen gegen die Corona-Beschränkungen gegeben. Sorge bereitet Lewentz nach eigenen Angaben, dass sich Teile der Protestbewegung radikalisierten und dass es eine zunehmende Gewaltbereitschaft gebe. Es zeichne sich ab, dass Extremisten versuchten, die Versammlungen für ihre Zwecke zu vereinnahmen. Lewentz rief dazu auf, "sich von Extremisten und Verschwörungsphantasten in aller Deutlichkeit abzugrenzen".
Kritik wegen Rechtsextremisten bei Corona-Protesten
Auch CDU-Fraktionschef Christian Baldauf sagte, er beobachte mit großer Sorge, dass sich die Szene radikalisiere. Er forderte landesweit einheitliche Regeln für die Versammlungen, die Polizei und Ordnungskräfte konsequent durchsetzen müssten. Sie benötigten eine bessere Rückendeckung der Landesregierung. Es dürfe beispielsweise nicht toleriert werden, wenn Privatadressen von Kommunalpolitikern unter den Maßnahmengegnern weitergegeben würden. "Es geht auch um Grenzen der Meinungsfreiheit", so Baldauf.
AfD sieht Spaltung im Land
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Michael Frisch hingegen begrüßte die anhaltenden Proteste gegen die Corona-Maßnahmen als "Lehrstück demokratischer Kultur". Auf die Straße gehe eine breite und bunte Mischung aus der Mitte der Gesellschaft; friedliche Demonstranten, die von Politik und Medien ausgegrenzt würden. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) warf er vor, nichts dagegen zu unternehmen. Das Land werde dadurch zutiefst gespalten.
Fragen und Antworten Corona-Proteste in RLP: Was ist erlaubt, was nicht?
Auch in den vergangenen Tagen gab es in Rheinland-Pfalz Proteste gegen die Corona-Maßnahmen. Oft sind sie unangemeldet - trotz Verbot. Wir klären die wichtigen Fragen.
"Versammlungsrecht wird unterlaufen"
Redner der anderen Fraktionen kritisierten Frisch scharf. So hielt ihm der FDP-Fraktionsvorsitzende Philipp Fernis vor: "Da artikulieren sie ihr Wunschdenken, weil sie davon träumen, diese Gesellschaft zu spalten." Mit den Versammlungen gegen Corona-Maßnahmen werde versucht, das Versammlungsrecht zu unterlaufen, indem man sie verdeckt organisiere, statt sie anzuzeigen.
"Es gehört zu unseren Aufgaben, auf Menschen zuzugehen, die sich nicht mitgenommen fühlen", erklärte der Grünen-Abgeordnete Carl-Bernhard von Heusinger. Auch Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen seien legitim. Es sei aber absolut inakzeptabel, wenn bei den Protesten Pandemieopfer, medizinisches Personal oder die Mehrheit der Bevölkerung verhöhnt würden.
Entwicklung der Pandemie Sieben-Tage-Inzidenz in RLP steigt weiter
Das Landesuntersuchungsamt (LUA) hat am Montag 3.781 (Freitag: 2.588) neue bestätigte Corona-Fälle gemeldet. Die Sieben-Tage-Inzidenz in Rheinland-Pfalz ist im Vergleich zu vergangener Woche erneut gestiegen.
Landesregierung kündigt "konsequente Strafverfolgung" an
SPD-Fraktionschefin Sabine Bätzing-Lichtenthäler betonte, bei den Teilnehmern müsse differenziert werden: Viele Demonstrierende seien keine Radikalen, manche Kritik an den Corona-Beschränkungen sei auch nachvollziehbar. Es gebe aber auch Neonazis, Reichsbürger und Rechtspopulisten, die Chaos stifteten und die Gesellschaft spalten wollten. Die Täter müssten mit konsequenter Strafverfolgung rechnen, so Bätzing-Lichtenthäler.
Der Großteil der Abgeordneten des rheinland-pfälzischen Landtags appellierte an die Gegner der Corona-Schutzmaßnahmen, sich bei Protestaktionen an das Versammlungsrecht zu halten. Rednerinnen aus dem Regierungslager sowie von CDU und Freie Wähler forderten die Demonstranten zudem auf, sich von rechtsextremistischen Kräften und "Reichsbürgern" zu distanzieren.
Der rheinland-pfälzische Landtag hat am Donnerstag auf Antrag der SPD-Fraktion über die Corona-Proteste debattiert.