Gibt es Notfallpläne, um die Versorgung der Patientinnen und Patienten oder der Pflegeheim- und Seniorenheim-Bewohner sicherzustellen?
- Lage an Kliniken mit Corona-Patienten noch beherrschbar
- Besuchsverbote und "Flexteams" sollen Krankenpflege sicherstellen
- Politik sollte bürokratische Vorgaben lockern
- Kritische Lage am Klinikum Ludwigshafen
- Wie sieht es am Westpfalz-Klinikum aus?
- Nur wenige Ausfälle in Pflegeheimen
- Wie schätzt die PflegeGesellschaft Rheinland-Pfalz die Lage ein?
KGRP: Zahl der Corona-Patienten ist noch beherrschbar
Nach Auffassung der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz (KGRP) ist die Zahl der Corona-Patienten auf Normal- und Intensivstation derzeit nicht besonders kritisch. Man habe sich auf den Höhepunkt der Omikron-Welle Mitte Februar vorbereitet.
Problematischer als die Anzahl der Covid-Patienten erweise sich der potenziell steigende Ausfall von Personal durch Quarantänevorgaben oder fehlende Kinderbetreuung, teilte KGRP-Geschäftsführer Andreas Wermter dem SWR mit.
Aktuelle Informationen Kassen-Chef fordert Aufarbeitung der Pandemie
Nach drei Jahren Corona sind alle Regeln außer Kraft, die Zahlen relativ niedrig. Im Vordergrund stehen nun die Folgen und neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Alle News dazu in unserem Blog.
Besuchsverbot in Kliniken und "Flexteams" sollen Krankenpflege sicherstellen
Für die Kliniken sei es wichtig, dass weiterhin verlässliche Strukturen in Kitas und Schulen zur Verfügung stünden. Der Personalausfall werde von den Kliniken täglich überwacht. Daneben bleibe in vielen Kliniken das Besuchsverbot weitgehend in Kraft, um das Risiko einer Infektion mit Sars-CoV-2 durch Dritte, die nicht unmittelbar an der Patientenversorgung beteiligt sind, möglichst klein zu halten.
Zu den weiteren Maßnahmen, die bereits ergriffen worden seien, zählt nach Wermters Worten eine enge Abstimmung der jeweiligen Kliniken mit den umliegenden Krankenhäusern und der Rettungsdienst-Leitstelle, damit bei Engpässen andere Häuser mit Notfällen angefahren werden können. Es gebe zudem an einigen Kliniken sogenannte Flex-Teams in der Pflege, die standortübergreifend zur Abdeckung kurzfristiger Ausfälle eingesetzt werden könnten. Vorrang habe auf jeden Fall die Versorgung der Patientinnen und Patienten, die bereits in der jeweiligen Klinik untergebracht seien.
Politik sollte bürokratische Vorgaben lockern
Die KGRP fordert von der Bundespolitik eine spürbare Entlastung von bürokratischen Vorgaben und Prüfungen des Medizinischen Dienstes sowie eine verbesserte finanzielle Absicherung durch eine Verlängerung der Ausgleichszahlungen für Betten, die wegen Personalmangels leerstehen. Diese Forderungen habe man auch an die Gesundheitsminister- und ministerinnen der Länder gestellt, so Wermter.
Kritische Lage am Klinikum Ludwigshafen
Omikron bringt das Klinikum Ludwigshafen an seine Grenzen: Fast 70 Patienten liegen auf den Corona-Stationen, 200 Mitarbeitende sind in Quarantäne. Die Klinik sei am Anschlag, sagt Direktor Günter Layer im SWR-Interview.
Interview mit Klinikdirektor Prof. Günter Layer Klinikum Ludwigshafen: "Wir stehen am Rande des Machbaren"
Die Omikron-Welle bringt das Klinikum Ludwigshafen an seine Grenzen: Fast 70 Patienten liegen auf den Corona-Stationen, 200 Mitarbeiter sind in Quarantäne.
Auch Layer erwartet nicht mehr, dass es zu medizinischen Problemen mit Covid-Erkrankten in der aktuellen Omikron-Welle kommt. "Wir haben in der Omikron-Welle kaum noch Patienten auf der Intensivstation. Aber die andere Seite der Medaille ist: Wir haben eine Vielzahl von Patienten, die auf der Corona-Normalstation sind und zusätzlich eine Vielzahl von Mitarbeitern, die wegen Corona in Quarantäne sind. Auch das kann zu einer Überlastung im Gesundheitssystem führen! Wir stehen seit zwei Wochen am Rande des Machbaren. Und das wird sich bis Ende Februar oder Mitte März noch verschärfen", sagte Layer.
"Aber die andere Seite der Medaille ist: Wir haben eine Vielzahl von Patienten, die auf der Corona-Normalstation sind und zusätzlich eine Vielzahl von Mitarbeitern, die wegen Corona in Quarantäne sind. Auch das kann zu einer Überlastung im Gesundheitssystem führen!"
Hohe Impfquote bei Mitarbeitenden
Allerdings verwies Layer auf die hohe Impfquote von rund 95 Prozent unter den Mitarbeitenden. Viele würden sich zudem jetzt noch mit dem neuen Protein-Impfstoff von Novavax impfen lassen. Man werde keinen Druck auf die Beschäftigten ausüben. Aber wer sich nicht impfen lasse, den werde man nach den gesetzlichen Vorgaben am 15. März melden. Gegen diese Personen könnte dann laut Gesetz ein Betretungsverbot ausgesprochen werden.
Unterdessen hat das Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag gegen die Impfpflicht in der Pflege und beim medizinischen Personal abgewiesen. Die Nachteile, die den überwiegend im Gesundheitswesen tätigen Antragstellern durch die Impfpflicht drohten, seien weniger schwer als die Nachteile, die bei einem Aussetzen der Regelung für vulnerable Menschen zu befürchten seien, begründete das Gericht in Karlsruhe seinen Beschluss. Die Impfpflicht kann also wie geplant am 15. März in Kraft treten. Allerdings muss über die Verfassungsmäßigkeit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht noch im Hauptverfahren entschieden werden. Ingesamt liegen dem Gericht 74 Verfassungsbeschwerden von etwa 300 Klagenden vor.
Layer äußerte sich zuversichtlich, dass in der aktuellen Akutphase der Pandemie die meisten Mitarbeitenden bei der Stange blieben. Sorge bereite ihm aber, dass etliche nach der Pandemie wegen der großen Belastung ihre Perspektive in dem Beruf in Frage stellen könnten.
Westpfalz-Klinikum sieht sich gut aufgestellt
Pflegedirektorin Andrea Bergsträßer vom Westpfalz-Klinikum wies im Gespräch mit SWR Aktuell Rheinland-Pfalz darauf hin, dass in ihrem Haus schon frühzeitig eine interdisziplinäre Task-Force gebildet wurde, um einem möglichen Personalmangel durch Corona entgegenzuwirken. Dazu gehöre auch ein striktes Gesundheitsmanagement, das über die Vorgaben der Bundesgesetze und Landesverordnungen hinausgehe. So müsse sich jeder und jede Mitarbeitende ein Mal pro Woche einem PCR- und zwei Schnelltests unterziehen. Dadurch sei es möglich, frühzeitig zu erkennen, wer sich mit Corona infiziert habe, auch wenn er oder sie keine Symptome zeige. Bei infektiösen Mitarbeitenden gebe es während der 14-tägigen Quarantäne dann weitere regelmäßige PCR-Abstriche, betonte Bergsträßer.
Sollten in einer Station zu viele Mitarbeitende aus dem Dienst gehen müssen, werde diese nicht zusätzlich belegt. Wenn dann Patienten entlassen würden, leere sich die Station, und es werde dort weniger Personal benötigt. Sollten Intensiv-Patienten auf Stationen verlegt werden müssen, die nicht für das jeweilige Krankheitsbild vorgesehen sind, würden sie in jedem Fall auch dort von den für sie zuständigen Fachärzten und Fachärztinnen weiter behandelt. Da das Westpfalz-Klinkum über mehrere Standorte verfüge, falle ein solches Krisenmanagement leichter als bei kleineren Krankenhäusern, meinte die Pflegedirektorin.
Pflegekammer Rheinland-Pfalz: Freiwilligen-Pool soll aushelfen
Bergsträßer ist auch eine der stellvertretenden Vorsitzenden der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz. Die Kammer vertritt die Interessen der Pflegenden im Land. Das Gremium habe einen Freiwilligen-Pool gegründet. Auch frühere Mitarbeitende in der Pflege, die bereits aus dem Berufsleben ausgeschieden sind, können sich laut Bergsträßer zur Verfügung stellen, um in Notfall an Brennpunkten auszuhelfen. Dieser Pool stehe aber ausschließlich für die stationäre Pflege in Heimen zur Verfügung.
Bergsträßer sprach sich auf Anfrage gegen eine Impfpflicht ausschließlich für medizinisches und pflegendes Personal aus. Dadurch bestehe die Gefahr einer weiteren Abwanderung aus dem Beruf, wie dies bereits in der Vergangenheit geschehen sei. Sie plädierte dagegen für eine allgemeine Impfpflicht. Nur so könne die Pandemie wirksam bekämpft werden.
Nur wenige Ausfälle in Pflegeheimen
Weitgehend entspannt scheint die Lage in den Pflegeheimen der Pro-Seniore-Gruppe mit Hauptsitz in Saarbrücken zu sein. Wie Pressesprecher Peter Müller auf SWR-Anfrage mitteilte, liegt die Impfquote beim Pflegepersonal bei mehr als 90 Prozent. Die meisten seien auch geboostert. Sollte es zu einer Corona-Infektion etwa im Familienkreis kommen, gebe es in der Regel milde Verläufe. Eine Freitestung nach sieben bis zehn Tagen entweder mit einem PCR- oder einem Antigen-Schnelltest und eine Wiederaufnahme der Arbeit sei dann kein Problem. Allerdings sei gerade auch Grippe-Saison. Nicht jeder Ausfall beim Personal sei daher auf eine Corona-Infektion zurückzuführen, sagte Müller.
Nach einer SWR-Umfrage hat Rheinland-Pfalz bundesweit die höchste Impfquote im medizinischen Bereich und in den Pflegeberufen. Der landesweite Durchschnitt liegt bei 92,05 Prozent. Spitzenreiter ist der Donnersbergkreis mit 95,84 Prozent. Die schlechteste Quote hat der Kreis Germersheim mit 84,72 Prozent. In die Statistik sind neben mindestens zweifach Geimpften auch Genesene einbezogen.
RLP hat deutschlandweit höchste Impfquote in Medizin und Pflege
"Mobile Einspringtruppe" soll Personalengpässe ausgleichen helfen
Für alle Fälle gebe es aber eine "mobile Einspringtruppe", erklärte Müller. Sollte es in einer Einrichtung Personalengpässe geben, könnten Mitglieder dieser Einspringtruppe auf das betreffende Heim verteilt werden. Das Instrument habe sich bereits bei früheren Corona-Wellen bewährt. Müller kritisierte aber, dass es immer noch eine kleine Minderheit beim Personal gebe, die sich nicht impfen lassen wolle - auch nicht mit dem neuen Impfstoff von Novavax. Dafür habe er kein Verständnis. Pro Seniore unterhält zahlreiche Pflege- und Seniorenheime in Rheinland-Pfalz.
PflegeGesellschaft Rheinland-Pfalz sieht auch keine größeren Probleme
Auch nach Angaben der PflegeGesellschaft Rheinland-Pfalz - einem Verband, der die meisten Pflegeinrichtungen im Land angehören, zeichnen sich keine größeren Probleme bei der Versorgung der Heimbewohner ab. Wie Geschäftsführer Sebastian Rutten dem SWR mitteilte, müssen Mitarbeitende nach der geltenden Corona-Verordnung nur noch dann in Quarantäne, wenn sie selbst infiziert sind - nicht mehr als Kontaktpersonen. Nach sieben bis zehn Tagen könnten sich Infizierte freitesten.
"Für den Fall, dass es coronabedingt doch zu Personalengpässen kommt, die Einrichtungen nicht alleine organisieren können, steht ihnen bereits seit Dezember 2020 das Corona-Beratungs- und Organisationsteam Pflege (CoBOP) zur Verfügung", erläuterte Rutten. Dieses Gremium könne individuelle Lösungen für betroffene Pflegeheime erarbeiten. Zudem könne in Absprache mit den Pflegekassen im Einzelfall von der bundesgesetzlich vorgeschriebenen Personalausstattung abgewichen werden.
Diese Möglichkeiten für ein Krisenmanagement seien aber in der Vergangenheit kaum nachgefragt worden, so Rutten. Er gehe insgesamt davon aus, dass die Pflege-Einrichtungen in Rheinland-Pfalz gut auf die aktuelle Situation eingestellt seien.