Ruandische Kinder sitzen vor einem Lehmhaus mit einer roten Tür (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance/dpa | Ben Curtis)

Festakt in der Staatskanzlei

RLP und Ruanda feiern 40 Jahre Partnerschaft auf Augenhöhe

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Als Rheinland-Pfalz und Ruanda 1982 eine völlig neue Art der Partnerschaft vereinbarten, wurde das Experiment noch kritisch beäugt. Heute ist es ein international anerkanntes Modell und Grund genug zum Feiern.

Herzstück der Partnerschaft seien alle, "die sich seit Jahren und Jahrzehnten dafür einsetzen, unsere Freundschaft mit Leben zu füllen", sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) beim Festakt vor vielen ruandischen Gästen, unter ihnen Botschafter Igor César. "Unsere Graswurzelpartnerschaft schafft Nähe zwischen Menschen über Kontinente hinweg", sagte die Regierungschefin. "Sie orientiert sich an den Bedürfnissen vor Ort und hilft den Menschen in Ruanda ganz konkret in ihrem alltäglichen Leben." Aber auch Rheinland-Pfalz lerne dazu, so dass es eine Partnerschaft auf Augenhöhe sei.

2.200 Projekte erfolgreich umgesetzt

1982 war es ein revolutionäres Projekt. 40 Jahre später ziehen die Verantwortlichen eine erfolgreiche Bilanz: Bis heute wurden nach Angaben des Innenministeriums etwa 2.200 Projekte umgesetzt - mit einem Fördervolumen von mehr als 70 Millionen Euro, davon zu einem Fünftel aus Spenden der Menschen in Rheinland-Pfalz.

Die Partnerschaft hebe sich von der sonstigen Entwicklungszusammenarbeit dadurch ab, dass sie längerfristig und nicht nur von Nord nach Süd angelegt sei, sagt Elias Vogler im Partnerschaftsbüro von Rheinland-Pfalz in der ruandischen Hauptstadt Kigali. Im Projektprozess könnten beide laufend voneinander lernen und das gemeinsame Vorhaben an veränderte Bedingungen anpassen.

BioNTech baut erste Impfstoff-Produktionsstätte in Ruanda

Und dass dies dauernd geschieht, verdeutlicht auch das jüngste Projekt: Das Mainzer Biotechnologie-Unternehmen BioNTech hat mit dem Bau seiner ersten Corona-Impfstoff-Produktionsstätte in Afrika begonnen.

Zum Spatenstich in Ruandas Hauptstadt Kigali am Donnerstag waren der ruandische Präsident Paul Kagame, weitere Staats- und Regierungschefs sowie BioNTech-Chef Ugur Sahir und der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, anwesend. BioNTech hat für Afrika schlüsselfertige mRNA-Produktionsanlagen in Container-Bauweise entwickelt, Kigali soll bis Jahresende mit den ersten Modulen beliefert werden.

In den vergangenen 40 Jahren habe Ruanda in Bildung und wirtschaftlicher Entwicklung, bei der Gesundheitsversorgung oder in der Gleichstellung von Mann und Frau viel erreicht, sagte Dreyer und fügte hinzu: "Wir sind stolz, Ruanda auf diesem Weg zu begleiten und werden es auch künftig tun." Angesichts der Klimakrise, der Corona-Pandemie oder dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine seien vertrauensvolle internationale Kooperationen auf Augenhöhe wichtiger denn je.

Dreyer kritisiert Ruandas Asylabkommen

Dreyer kritisierte jedoch das Asylabkommen zwischen Großbritannien und Ruanda, das Abschiebungen von Geflüchteten in das ostafrikanische Land vorsieht. "Großbritannien hat die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet und sich somit völkerrechtlich verpflichtet, Schutz vor Ausweisung und Abschiebung zu gewähren." Die Partnerschaft stehe auf einem stabilen Fundament, so dass es möglich sei, offen über Gemeinsamkeiten und auch Differenzen zu sprechen.

Trotz der großen geografischen Distanz profitierten beide Seiten von der Partnerschaft, sagte Innenminister Roger Lewentz (SPD). "Die Partnerschaft fördert die Begegnung und die Freundschaft von Menschen beider Länder. So bieten wir einen Rahmen, um die Zusammenarbeit zivilgesellschaftlicher Gruppen vor Ort zu ermöglichen."

Schüler besuchen sich zur Völkerverständigung

Einen wichtigen Beitrag, den Austausch in der Bevölkerung zu vertiefen, leisten die 187 Schulpartnerschaften. Im Schnitt reisen in jedem Schuljahr fünf bis zehn Schulklassen nach Ruanda, und fünf bis sieben Schulklassen kommen nach Rheinland-Pfalz.

Völkermord in Ruanda schlägt tiefe Zäsur

1994 war die Partnerschaft auf eine harte Probe gestellt worden. Damals töteten Angehörige der Volksgruppe Hutu etwa eine Million Tutsi-Angehörige, die als Minderheit in Ruanda lebten. Für Rheinland-Pfalz waren plötzlich direkte Partner in Ruanda entweder zu Opfern oder zu Tätern des Völkermords geworden. Damals wurde intensiv darüber diskutiert, ob man die Partnerschaft fortführen könne.

Der damalige rheinland-pfälzische Innenminister Walter Zuber (SPD) war dann im Oktober 1994 international der erste offizielle Regierungsvertreter, der nach dem Völkermord in Kigali, der Hauptstadt Ruandas, war. Danach plädierte er dafür, Ruanda nicht im Stich zu lassen, sich jetzt erst recht zu den Menschen im Partnerland zu bekennen und diese bei der Überwindung ihrer Not und beim Wiederaufbau zu unterstützen.

Mainz

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SWR