Weinfeste, Straßenumzüge, Feuerwerke - eigentlich könnten die Dörfer in Rheinland-Pfalz wieder so richtig loslegen. Durch neue Regelungen fällt es kleinen Ortschaften aber zunehmend schwerer, ihre Feste in traditioneller Form fortzuführen.
Die Änderung des rheinland-pfälzischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes wurden letztes Jahr verabschiedet, mitten in der Corona-Pandemie. Damals hatten viele Organisatoren der Neuerung kaum Beachtung geschenkt, weil aufgrund der Corona-Regeln sowieso keine Veranstaltungen stattfinden konnten. Jetzt, wo Feste wieder gefeiert werden dürfen, machen die Sicherheitsauflagen einigen Veranstaltern zu schaffen.
Kein Festumzug beim Weinfest der Mittelmosel
Die neuen Änderungen erfordern unter anderem verschärfte Sicherheitskonzepte. In Bernkastel-Kues (Kreis Bernkastel-Wittlich) ist der große Festumzug auf dem traditionellen Weinfest der Mittelmosel daher in diesem Jahr abgesagt. Das Problem: 6.000 sogenannte Mannheimer Gitter. Die müssten beim Umzug aufgestellt werden, um den Streckenverlauf abzusperren und die Zuschauer von den Wagen zu trennen - damit niemand unter die Räder kommt.
Die Auflagen, die wir zur Zeit im Bereich von Veranstaltungen haben, die schlagen dem Fass teilweise den Boden aus.
"6.000 Mannheimer Gitter, die hat nicht mal der größte Verleiher. Der hat nur 2.000. Die kann man gar nicht so einfach kriegen", erklärt Michael Denzer vom Kulturbüro. Zusammen mit Bürgermeister Wolfgang Port hat er schon viele Weinfeste in Bernkastel-Kues organisiert. Immer mehr Auflagen bedeuten zudem immer mehr Kosten.
Ministerium: Sicherheitskonzept nur bei Großveranstaltungen
Das rheinland-pfälzische Innenministerium erklärt auf SWR-Anfrage, durch die Gesetzesänderungen hätten sich für kleine Veranstaltungen keine neuen Anforderungen ergeben. Vielmehr gebe es "zusätzliche Handlungsoptionen" für die zuständigen Ordnungsbehörden, die zuvor nicht bestanden hätten - zum Beispiel die Möglichkeit, vom Veranstalter zu verlangen, ein Sicherheitskonzept vorzulegen.
Eine grundsätzliche Pflicht für ein solches Konzept bestehe jedoch nur bei Großveranstaltungen (15.000 Besucher zeitgleich oder 30.000 Besucher täglich). Bei kleineren Veranstaltungen sei es nicht zwingend erforderlich, außer es bestehe beispielsweise "erhöhtes Gefährdungspotential", wie zum Beispiel wenn sehr viele Personen auf einmal erwartet würden.
Verantwortung liegt bei den Ordnungsämtern
Auch wenn sie für kleine Feste nicht zwingend erforderlich sind, fordern viele Ordnungsämter dennoch hohe Sicherheitskonzepte, um für den Fall, dass auf einem Fest etwas passiert, abgesichert zu sein.
Die Behördenleiter von Feuerwehr und Ordnungsämtern wurden alle stark in die Pflicht genommen. Wenn sie eine Unterschrift drunter setzen, haben sie Angst, sie stehen mit einem Fuß im Gefängnis.
Auch die Freien Wähler im rheinland-pfälzischen Landtag kritisieren die neuen Regeln für öffentliche Veranstaltungen. Das überarbeitete Gesetz erschwere es Kommunen, Feste zu veranstalten und bereite den Veranstaltern Sorgen. Entsprechend des Gesetzes könne die Ordnungsbehörde ein Sicherheitskonzept fordern. Das Problem daran: Das "kann" würde in der Verwaltung in der Regel als "muss" gelesen, weil im Schadensfall immer die Frage der Haftung der Verwaltungsmitarbeiter oder Bürgermeister im Raum stehe. Der Gesetzgeber müsse die Regeln so verändern, dass die Durchführung kleiner Volksfeste noch wirtschaftlich darstellbar sei, fordern sie.
Weitere Feste auf der Kippe
In Lieser (Kreis Bernkastel-Wittlich) wurde das Wein- und Straßenfest wegen der hohen Auflagen erstmal komplett abgesagt und in ein Höfefest verkleinert. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass ein Traktor als Terrorsperre beim Straßenfest gereicht hätte. Jetzt wird im Dorf wieder diskutiert.
Auch in Deidesheim (Kreis Bad Dürkheim) ist wegen der neuen Sicherheitsbestimmungen noch unklar, wie die Weinkerwe im August stattfinden soll. Eigentlich sollte darüber am Dienstag im Stadtrat entschieden werden. Aber zunächst wollen Veranstalter, Standbetreiber, Ordnungsamt und Feuerwehr noch einmal darüber beraten, ob sich die Weinkerwe in ihrer ursprünglichen Form erhalten lässt. Wenn nicht, könnte es auch hier ein verkleinertes Höfefest geben.
Da geht ein Stück Kultur und ein Stück soziales Miteinander vor die Hunde. Da muss man sich allen Ernstes fragen: Will man das?