Zerstörung im Ort Rech (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Boris Roessler)

Nach interner Revision bei der Polizei

Hunderte Polizei-Mails zur Flutnacht aufgetaucht - Ebling schließt Konsequenzen nicht aus

Stand

Dem Flut-Untersuchungsausschuss des Mainzer Landtags sind erst jetzt rund 900 Mails der Polizei geliefert worden. Die Opposition spricht von einem Skandal, Innenminister Michael Ebling (SPD) schließt personelle Konsequenzen nicht aus.

Der Obmann der größten Oppositionspartei im U-Ausschuss, Dirk Herber (CDU), sprach von "einem glatten Verfassungsbruch". "Die Regierung von Ministerpräsidentin Malu Dreyer versagt nicht nur bei der Aufklärung der Flutkatastrophe, sondern behindert zusätzlich die Ausschussarbeit", sagte Herber. "Wer so mit der Verfassung umgeht, verspielt jedes Vertrauen in einen ernsthaften Willen zur Aufklärung einer Katastrophe, die viele Menschenleben gekostet hat." Zudem werde so die zweite Vernehmung Dreyers verzögert.

Ebling erwägt mögliche personelle Konsequenzen

Ebling hält personelle Konsequenzen für möglich. Der Innenminister sagte im Gespräch mit dem SWR, es sei nicht auszuschließen, dass in Folge der internen Überprüfung auch personelle Konsequenzen gezogen werden müssten.

Empörung bei den Freien Wählern über nachgereichte Akten

Der Obmann der Freien Wähler im Untersuchungsausschuss, Stephan Wefelscheid, sagte, wenn die E-Mails gleich zu Anfang übermittelt worden wären, wäre der Untersuchungsausschuss ganz anders verlaufen.

Dass scheibchenweise neue Unterlagen auftauchten, sei ein Skandal. Es gehe mittlerweile abstrakt um die Frage, wie die Landesregierung mit der parlamentarischen Kontrolle der Regierung verfahre, so Wefelscheid.

Auch der Fraktionsvorsitzende und Ausschuss-Obmann der AfD-Fraktion, Michael Frisch, bezeichnete das Verhalten der Landesregierung als "skandalös". Die Möglichkeit "einer versehentlichen Nichtlieferung" halte er für ausgeschlossen, sagte Frisch.

Mails betreffen teilweise direkt Geschehnisse der Flutnacht

Die rund 900 neuen E-Mails, die den Untersuchungsausschuss zur Flut nun erreicht haben, kommen nach Angaben des rheinland-pfälzischen Innenministeriums aus dem polizeilichen Lagezentrum. 20 dieser Mails beträfen die Flutnacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 selbst, die restlichen Mails die Zeit danach bis zum 6. August.

Prüfung fördert weitere Dokumente des Innenministeriums zur Flut zutage

Grund für die jetzige Aktennachlieferung ist eine interne Revision, die von Ebling angestoßen wurde. Ebling hatte eine erneute Vollständigskeitsprüfung im Bereich der Polizeibehörden und der Polizeiabteilung des Innenministeriums angeordnet. Die Frage, welche Unterlagen für den Untersuchungsausschuss wichtig sind und welche nicht, sollte neu betrachtet und breiter ausgelegt werden.

Deshalb sind dem Innenministerium zufolge nun Dokumente nachgeliefert worden, die ursprünglich aussortiert worden seien. Ebenso weitergeleitet worden seien Mails, bei denen nicht vollständig klar gewesen sei, ob sie dem Untersuchungsausschuss bereits vorlagen.

Ministerium räumt ein: Einige Akten zur Flut hätten direkt vorgelegt werden müssen

Das Ministerium räumte allerdings ein, dass nun auch Akten weitergeleitet worden seien, die unstrittig schon hätten direkt vorgelegt werden müssen. Die interne Revisionsgruppe sei allerdings zu dem Ergebnis gekommen, dass es keine Anzeichen dafür gebe, dass Akten mit Absicht zurückgehalten wurden.

Verspätet vorgelegte Polizeivideos hatten zu Rücktritt von Lewentz geführt

Der Flut-Untersuchungsausschuss bekommt nicht zum ersten Mal mit großer Verspätung Material nachgeliefert. Im September 2022 waren im Flut-Untersuchungsausschuss Polizeivideos aufgetaucht, die am Abend der Flutkatastrophe aus einem Hubschrauber heraus gedreht worden waren. Die verspätete Vorlage dieser Videos wurde mit einem Versehen der Polizei erklärt.

Der damalige Innenminister Roger Lewentz (SPD) sagte aus, ihm seien die Videos in der Flutnacht nicht bekannt gewesen. Die Kritik daran, dass diese Videos zwar gedreht, anschließend aber in Vergessenheit geraten waren, führte letztlich zum Rücktritt von Lewentz.

Neuaufstellung für Katastrophenschutz in RLP: umstrittene Personalie geplant

Mitte November hatte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion ADD zugegeben, dass auch sie dem U-Ausschuss Akten verspätet zugeleitet hat. Auch sie sprach von einem Versehen. ADD-Präsident Thomas Linnertz steht deswegen in der Kritik - CDU und Freie Wähler im Landtag fordern seinen Rücktritt. Nun allerdings erklärte Ebling, dass Linnertz bei der geplanten Neuaufstellung des Katastrophenschutzes eine wichtige Rolle spielen soll.

Die ADD ist in Rheinland-Pfalz für den Katastrophenschutz zuständig. Linnertz sagte dem SWR-Politikmagazin Zur Sache Rheinland-Pfalz, er bedaure den Vorfall. Zu den Rücktrittsforderungen wolle er sich nicht äußern. Er sehe seine Aufgabe darin, seine Erfahrung in die Neuausrichtung des Katastrophenschutzes einzubringen.

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SWR