Der schlimmste Schädling, den der Ackerbau in der Region in den vergangenen 50 Jahren entdeckt hat, ist aggressiver als bislang angenommen. Davon geht der Verband der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer in Worms aus. Konkret geht es um die Schilf-Glasflügelzikade.
Bislang war bekannt, dass sie Kartoffeln und Rüben befällt und Bakterien auf sie überträgt. So entstehen vergilbte Zuckerrüben-Pflanzen oder eingeschrumpelte Kartoffeln. Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse des Verbandes zeigen jetzt: Das Insekt befällt auch Spargel und Rhabarber und nutzt diese als Wirtspflanze.
Erstmals Befall von Dauerkulturen nachgewiesen
Für Landwirte sei das eine äußerst schlechte Nachricht, ist sich Christian Lang, der Geschäftsführer des Verbandes sicher. Bislang seien sie davon ausgegangen, dass die Zikade nur einjährige Kulturen befalle. Sprich: Nach der Saison, wenn die Kultur abgestorben ist, hatte sich auch das Problem mit der Zikade erledigt. "Nun haben wir die Zikade allerdings in Dauerkulturen nachgewiesen. Das ist ein Paradigmenwechsel."

Zikade sorgt für Ernteausfälle
Das Problem, das sich den Landwirten stellt: Die Zikade kann nun Jahr für Jahr ihre Eier auf demselben Acker ablegen. Besonders unter Folien, wie sie auf Spargelfeldern in der Region zum Einsatz kommen, entwickeln sich die Schädlinge wegen der Wärme besser. Sie fliegen früher auf benachbarte Äcker und richten dort weiteren Schaden an. In der Vergangenheit beklagten Landwirte deswegen schon große Ernteausfälle bei Kartoffeln und Rüben.
Vor einigen Monaten hatte das Experten-Team auch Karotten und Rote Bete zu Wirtspflanzen erklärt und daraufhin begonnen, auch weitere Pflanzen zu beobachten.
Befall für Menschen ungefährlich
"Mit dem Befall von Dauerkulturen haben wir nun eine niemals versiegende Quelle von neuen Tieren", sagt Lang dem SWR. "Das wird langfristig unsere Ernährung beeinflussen." Denn die Zikade breite sich von Jahr zu Jahr weiter aus – erst innerhalb Deutschlands, dann womöglich in ganz Europa. Die Folge: Es könnte überall zu geringeren Erntemengen kommen.
Beim Spargel selbst rechnet Lang nicht mit Ernteausfällen. Auch wenn er von der Zikade als Wirtspflanze benutzt werde, zeige der Spargel keine Schäden. Diesen Spargel zu essen, sei auch für den Menschen nicht gefährlich. Beim Rhabarber dagegen spricht der Fachmann von "schweren Schäden" an der Pflanze, aber auch dieser Befall sei für den Menschen ungefährlich.
Kaum geeignete Pflanzenschutzmittel
Dass sich die Zikade weiter ausbreiten kann, liegt daran, dass vor allem im Bio-Anbau keine geeigneten Pflanzenschutzmittel zur Verfügung stehen. Den Landwirten fehlt aktuell also eine Möglichkeit, effektiv gegen dieses Insekt vorzugehen.
Um eine Lösung zu finden, plant Lang Gespräche mit der Politik – auf Bundesebene, aber auch auf europäischer Ebene. Ein Ziel dabei ist es, die Zikade von der Roten Liste der gefährdeten Tiere streichen zu lassen. Denn da, so seine Überzeugung, "gehört sie schon lange nicht mehr hin."