Die scheidende Direktorin des Gutenberg-Museums Mainz, Annette Ludwig, spricht von einem "Coup": Ihr ist es noch kurz vor ihrem Weggang aus Mainz gelungen, mehr als 40.000 verschiedene Exemplare und damit die wohl weltgrößte und bedeutendste Sammlung an Orangen-Einwickelpapieren für ihr Museum zu gewinnen.
Vom Schutzpapier zur Werbebotschaft
Die Orangenpapiere wurden im Jahr 1878 zum Patent angemeldet und sollten die Früchte während des Transports vor Stößen, Feuchtigkeit und Fäulnis schützen. Heute gibt es sie gar nicht mehr, denn mittlerweile übernehmen chemische Stoffe diese Schutzfunktion. Die Einwickelpapiere waren zunächst unbedruckt. Bald wurden sie aber als Träger für Werbebotschaften entdeckt. Als "Plakate im Kleinformat" warben sie für die Früchte, die Hersteller oder die Händler.
Virtuelle Ausstellung gibt es schon
Die vielseitigen Motive hat Dirik von Oettingen aus dem niedersächsischen Salzgitter seit den 1990er-Jahren zusammengetragen. Damit hat er nicht nur die weltweit größte Sammlung an Orangen-Einwickelpapieren geschaffen, sondern auch ein "virtuelles Museum": Unter dem Namen OPIUM, das für OrangenpaPIermuseUM steht, findet man seine digitalisierte Sammlung im Internet.
Dort schreibt er auch, wie er zur kuriosen Sammlung gekommen ist: "Mit einer rational getroffenen Entscheidung beginnt eine Sammelleidenschaft höchst selten. Zufällig gerät einem ein Orangenpapier in die Hände, das einem gefällt, und man wirft es nicht weg. Erst viel später gesellt sich ein zweites ebenso zufällig dazu." Schließlich seien ihm immer mehr Einwickelpapiere aufgefallen und es habe ihn "gepackt".
Sammlung ist ein "großer Schatz" für Gutenberg-Museum
Gepackt haben die Papiere auch die Direktorin des Gutenberg-Museums Mainz. Ludwig sagte auf SWR-Anfrage, dass diese nicht nur Teil der Druckgeschichte seien, sondern auch der Kulturgeschichte. "Man kann ganz viele Aspekte aufzeigen, die Varianz ist toll", sagt Ludwig und nennt als Beispiel die Kolonialismus-Debatte.
"Das ist ein echt großer Schatz und passt gut ins Weltmuseum der Druckkunst."
Zeitpunkt der Ausstellung noch unklar
Neben den mehr als 40.000 Einwickelpapieren beinhaltet die Sammlung auch 3.800 Plakate, die ungefähr zwischen 1900 und 1960 als Blickfang auf die hölzernen Obstkisten geklebt wurden. Genau wie die Papiere stammen auch die Plakate aus aller Welt. Wann die Stücke, die 300 Aktenordner und 50 Archivboxen umfassen, nach Mainz kommen und ausgestellt werden können, ist aber noch völlig unklar. Denn Dirik von Oettingen werde die Sammlung "zu gegebener Zeit, nach seinem eigenem Ermessen" ins Gutenberg-Museum überführen, heißt es in einer Pressemitteilung.
Das Museum werde dann auch die virtuelle OPIUM-Ausstellung übernehmen, sagte die Museumsdirektorin dem SWR. Dass die Sammlung der Einwickelpapiere und Plakate, die laut Mitteilung "einen erheblichen materiellen Wert" hat, schon im Internet zu finden ist, stört Ludwig nicht - im Gegenteil. Das diene als eine Art "Vorspeise" und könnte noch mehr Menschen nach Mainz locken, sobald die Sammlung ausgestellt werden kann. Denn Ludwig weiß: "Nichts geht über die Aura des Originals."