Bauschutt zwischen den ehemaligen Häsuern auf dem Kasernengelände bei Nierstein (Foto: SWR)

Ehemalige US-Kaserne in Nierstein

Krebserregende Stoffe im Rhein-Selz-Park seit Jahren bekannt

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Die Behörden wissen mindestens seit drei Jahren von schwer belasteten Baumaterialien im Niersteiner Rhein-Selz-Park. Das geht aus einem TÜV-Bericht hervor, der dem SWR vorliegt.

Die kuwaitischen Besitzer eines Teilgebietes im Rhein-Selz-Park hatten 2018 den TÜV Rheinland mit dem Bericht beauftragt. Dies ist behördlich vorgeschrieben, wenn unterschiedliche Firmen auf einer Baustelle tätig sind. Immerhin ging es um den Umbau und die Sanierung von 100 Doppelhaushälften und 216 Appartements. Außerdem konnten die Behörden davon ausgehen, dass in der ehemaligen Kaserne, wie in vielen anderen US-Liegenschaften in Deutschland, gesundheitsgefährdende Materialien verbaut wurden. Das sollte der TÜV prüfen und bestätigte das auch in diesem Bericht.  

Krebserregendes Material verbaut

In dieser Dokumentation des TÜV-Rheinland, wird auf die Gefahren der Materialien und den sicheren Umgang damit hingewiesen (Foto: SWR)

Künstliche Mineralfasern (KMF) werden aufgelistet. Außerdem Asbest, mit "lungengängigen Fasern“, die "unheilbare Erkrankungen (Krebs)“ verursachen. Diese Dinge dürfen laut TÜV-Bericht unter "P3-Atemschutz“ aus den Häusern geholt werden. Das Kehren dort sei "untersagt“, eventuell müsse das Material vorher genässt werden. Die Materialien müssten staubdicht verpackt werden.

Ein Dokument des TÜV-Rheinland weist auf die Gefahren und den sicheren Umgang mit den kritischen Müllstoffen auf dem Rhein-Selz-Park hin (Foto: SWR)

Dieser Prüfbericht des TÜV liegt der Struktur- und Genehmigungsdirektion SGD Süd seit Ende August 2018 vor. Daraus resultierte unter anderem die Überprüfung der Baustelle durch die Gewerbeaufsicht, wobei damals Verstöße gegen die Arbeitsschutzbestimmungen festgestellt wurden, so eine Sprecherin der SGD Süd.

TÜV-Bericht sollte seit Jahren bekannt sein

Dieser TÜV-Bericht muss laut SGD Süd auch der Kreisverwaltung Mainz-Bingen zugegangen sein. Sie ist die Bauaufsichtsbehörde und unter anderem für die Müllentsorgung verantwortlich. Auch andere Quellen bestätigen, dass die Kreisverwaltung in solchen Fällen informiert wird. Aber auch auf mehrmaliges Nachfragen bestreitet die Kreisverwaltung in Ingelheim, dass dieser Bericht vorliegt. Man wisse lediglich von den Kontrollen der Gewerbeaufsicht.  

Belasteter Schutt lagert offen auf dem Gelände

Spätestens seit dem Frühsommer dieses Jahres ist bekannt, dass riesige Halden von Bauschutt im Rhein-Selz-Park liegen – offen auf Brachflächen und ohne Abdeckung. Der SWR hat darüber mehrfach berichtet. Der Schutt ist offensichtlich bei der Entkernung der Häuser der Kuwaitis entstanden, besteht also aus den krebserregenden Materialien, die der TÜV bereits 2018 festgestellt hat. In dem Bericht heißt es, dass kein Staub aufgewirbelt werden darf, dass dort nur in Schutzbekleidung gearbeitet werden kann und dass das Material umgehend verpackt und abtransportiert werden müsse.

Auch "kritische" Abfälle liegen im Rhein-Selz-Park offen und ungesichert bergeweise herum (Foto: SWR)

Die Kreisverwaltung sieht dagegen bis heute keinen dringenden Handlungsbedarf und beruft sich dabei auf ein eigenes Gutachten. Demnach sei sogar eine Abdeckung der Müllhaufen nicht notwendig. Dabei ist leicht vorstellbar, das Trockenheit und Wind den belasteten Staub leicht aufwirbeln können.

Entsorgung hat laut Kreisverwaltung begonnen

Wie lange die Müllhalden dort schon liegen, ist unklar – vermutlich aber seit mehreren Jahren. Da die Kreisverwaltung die Baustelle nach eigenen Angaben regelmäßig kontrolliert, müssten die Halden also aufgefallen sein. Sicherungsmaßnahmen wären also schon lange möglich gewesen. Die kuwaitischen Besitzer hätten schon lange mit der Entsorgung des gefährlichen Mülls beauftragt werden können. Immerhin haben sie inzwischen ein Entsorgungskonzept für den Bauschutt eingereicht, was, so die Kreisverwaltung, seit Anfang der Woche umgesetzt wird. Wie und wann die Kreisverwaltung kontrolliert, ob der belastete Müll gesetzeskonform entsorgt wird, muss sich noch zeigen.

Müllberge auf dem Areal im Rhein-Selz-Park (Foto: SWR)

Sind Jugendliche gefährdet?

Die krebserregenden Baumaterialien im Rhein-Selz-Park erhalten aktuell auch deshalb Brisanz, weil zunehmend Vandalismus im Park beobachtet wird und Spuren auf nächtliche Partys hindeuten. Vermutlich schneiden Jugendliche Löcher in den Zaun, um auf dem Gelände zu feiern. Die Häuser selbst sind durch die Besitzer nicht gesichert: Türen stehen auf, statt Fenster gibt es nur Löcher in den Hauswänden - die Gebäude verwahrlosen. Die, die dort eindringen, feiern also mutmaßlich in schadstoffbelasteten Räumen und steigen über Haufen krebserregenden Mülls.

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SWR