Im Prozess um den Mord in einem Asylbewerberheim in Wiesbaden haben Anklage und Verteidigung die Plädoyers gehalten.

Lebenslange Haft und besondere Schwere der Schuld gefordert

Plädoyers im Prozess um Mord in Flüchtlingsunterkunft in Mainz-Kastel

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Autor/in
Sabine Steinbrecher
Sabine Steinbrecher ist Reporterin im SWR Studio Mainz
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Katja Jorwitz
SWR4 Moderatorin Katja Jorwitz

Der Angeklagte hat einen Mann erstochen und dessen schwangere Frau schwer verletzt, sodass diese ihr Kind verlor - das ohne erkennbares Motiv. In ihren Plädoyers vor dem Wiesbadener Landgericht sind sich Anklage und Verteidigung deshalb einig: Der Mann sollte 15 Jahre und länger hinter Gitter.

Es ist ein sehr ungewöhnlicher Prozess vor dem Wiesbadener Landgericht. Denn auch nach mehreren Verhandlungstagen, Zeugenaussagen und einem psychologischen Gutachten über den 41-jährigen Angeklagten aus Ghana bleibt die Frage nach dem Motiv offen.

Warum attackiert jemand aus dem Nichts heraus drei Menschen mit dem Messer?

In allen Verfahren am Wiesbadener Landgericht habe es immer ein Motiv gegeben wie Eifersucht, Rache oder Habgier. In diesem Mordprozess sei keines erkennbar, so die Staatsanwältin Sabine Kolb-Schlotter in ihrem Schlussplädoyer. Es gebe jedoch keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte schuldig sei.

Zu Besuch in Flüchtlingsunterkunft

Demnach war der 41-Jährige im Oktober vergangenen Jahres in die Flüchtlingsunterkunft im Wiesbadener Stadtteil Mainz-Kastel gekommen, um seine Freundin und das gemeinsame Kind zu besuchen. Die Freundin sagte im Prozess aus, die Beziehung sei harmonisch gewesen. Man habe geplant, zu heiraten. Auch zu den Mitbewohnern der Freundin, einem Ehepaar aus Kamerun, sei die Beziehung gut gewesen.

Angeklagter sticht unvermittelt zu

Während seine Freundin in der Küche beschäftigt war, hatte der 41-Jährige offenbar an die Tür des Kameruners geklopft und ihn gefragt, ob er rüberkommen und ihm bei Internetproblemen helfen könne. Arglos war ihm der Mann in das Zimmer gefolgt, um zu helfen, und wurde dort unvermittelt attackiert.

Der Angeklagte stach mit einer 20 Zentimeter langen Messer auf den Kameruner ein. Jeder der sechs Stiche wäre tödlich gewesen, sagte die Staatsanwältin. Getroffen wurde das Herz, die Leber, die Lunge – fast alle inneren Organe. An dem Messer habe noch das Preisschild gehangen.

Baby stirbt im Bauch der Mutter

Als seine Freundin und die Ehefrau des Opfers dazu kamen, habe er auch auf die beiden Frauen eingestochen. Beide überlebten nur durch Not-Operationen. Die Ehefrau des Mordopfers war im sechsten Monat schwanger. Ein Stich habe die Nabelschnur getroffen und das Baby sei noch im Bauch gestorben.

Die 31-Jährige war von den Einsatzkräften in einer Blutlache gefunden worden, 1,8 Liter hatte sie bei dem Gemetzel verloren. Ihre Gebärmutter musste im Krankenhaus entfernt werden, um ihr Leben zu retten. Die Frau hat nicht nur ihren Mann verloren, sondern auch die Aussicht, Kinder bekommen zu können, sagte Staatsanwältin Kolb-Schlotter. Nach der Bluttat hatte sich der Angeklagte selbst in den Bauch gestochen und dabei schwer verletzt.

Die Frage nach dem "Warum" bleibt

Obwohl der Ablauf des Tatabends im Prozess gut nachzuvollziehen war, blieb die Frage nach dem Motiv unbeantwortet. Der 41-Jährige selbst sagte nichts dazu, auch ein Gutachten über seinen psychischen Zustand konnte die Frage nicht beantworten.

Ich weiß selbst nicht, was geschehen ist.

Der 41-jährige aus Ghana lebte illegal in Deutschland, ein Asylantrag war in Schweden abgelehnt worden. Daraufhin sei er nach Deutschland gekommen und habe hier jahrelang "unter dem Radar der Behörden gelebt“, wie die Staatsanwältin sagte. Mit falschen Ausweispapieren habe er sich Jobs und ein Zimmer besorgt.

Am Tattag habe das System aus Lügen nicht mehr funktioniert: Er habe seinen Job verloren, musste sein Zimmer, wo er zur Untermiete lebte, räumen. Die Staatsanwältin sagte, über ein Motiv könne man nur spekulieren. Vielleicht habe er gedacht, wenn er ohnehin schon alles verloren habe, könne er auch den Rest verlieren.

Lebenslange Haft und besondere Schwere der Schuld

Wegen Mordes forderte die Staatsanwaltschaft eine lebenslange Haftstrafe und beantragte, dass die Richter eine besondere Schwere der Schuld feststellen. Das würde bedeuten, dass der Mann auch nach 15 Jahren Gefängnis nicht entlassen werden würde.

Auch Verteidiger fordert die Höchststrafe

Nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft, plädierte der Verteidiger des Angeklagten. Was bei Gericht sehr selten vorkommt: Er schloss sich der Forderung nach der Höchststrafe an. Und auch er will, dass das Gericht die besondere Schwere der Schuld festgestellt.

Das Urteil wird am 23. November gesprochen.

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