- Ausstellung zur Waldgeschichte
- Naturschutzgebiet statt Militäranlage
- Verseuchte Böden und Asbest
- Paradies für seltene Pflanzen
- Kunst aus dem Kalten Krieg
- Schlafen im Bunker
Panzer und Raketen bestimmten vor 30 Jahren das kleine Waldgebiet im Südwesten von Mainz. Heute ist der Ober-Olmer Wald durch die Konversion ein unter Naturschutz stehendes Refugium für mehr als 400 Schmetterlingsarten und seltene Pflanzen. Die Reste der einstigen Raketenstellung der US-Streitkräfte sind weiter sichtbar, teilweise von der Natur überwachsen.
An die Bedrohung im Kalten Krieg erinnern ein "Hügel der Freundschaft" und ein Kunstprojekt mit Foto-Stelen. Die Ausstellung der Landesforstverwaltung "Von Bäumen und Raketen - 75 Jahre im Ober-Olmer Wald" blickt jetzt auf 75 Jahre Geschichte des Waldes zurück.

Militärflächen sind naturnah
Der Ober-Olmer Wald ist eines von neun größeren Konversionsprojekten in Rheinland-Pfalz, bei denen frühere Militäranlagen jetzt dem Naturschutz dienen. Andere sind etwa der Stegskopf bei Daaden im Westerwald, die Schmidtenhöhe bei Koblenz oder die Mehlinger Heide in der Pfalz. Weil militärische Flächen von einer intensiven Nutzung durch die Landwirtschaft verschont seien, gebe es dort "ein hohes Maß an Naturnähe", erklärt ein Sprecher des Umweltministeriums.
"Die ökologische Konversion insgesamt war auf jeden Fall erfolgreich", sagt Revierförster Jan Hoffmann. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Ober-Olmer Wald als Holzlieferant genutzt, übrig blieb fast nur noch Buschwerk. In den fünfziger Jahren bauten die US-Streitkräfte dann ihre Militärstützpunkte aus. Zunächst wurde 1953 ein Munitionsdepot errichtet, 1957 folgte eine Raketenstellung. Zumindest zeitweise sollen dort nach offiziell nie bestätigten Informationen auch Atomsprengköpfe gelagert worden sein.

Asbest, verseuchte Böden und Hochsicherheitszäune
Bei ihrem Abzug 1993 hinterließen die US-Streitkräfte zahlreiche Bunkeranlagen, Hochsicherheitszäune auf einer Länge von acht Kilometern und versiegelte Wege. Zwei Jahre danach startete Rheinland-Pfalz das "Ökologische Modellprojekt Konversion Ober-Olmer Wald". Bunker wurden zertrümmert, Gebäude und Wachtürme abgerissen, Zäune abgebaut und Schadstoffe wie asbesthaltiges Material und mit Mineralöl verseuchter Boden entsorgt. Die Arbeiten auf einer Fläche von rund einem Drittel des gesamten Waldes dauerten bis Ende 1998.
Geschützte Orchideen und Borstige Glockenblume
"Die Strukturen, die die Militärzeit hinterlassen hat, sorgen für einen großen Artenreichtum", erklärt Hoffmann. Auf ehemaligen Militärparkplätzen erstrecken sich heute Magerwiesen. Diese selten gewordenen nährstoffarmen Biotope sind ein Lebensraum für geschützte Orchideenarten wie die gerade blühende Bocksriemenzunge. Und auf alten Schutthaufen treibt zurzeit die Bienenragwurz, eine weitere Orchideenart, ihre Blütenknospen aus. Ein Refugium gefunden hat hier auch die in Deutschland vom Aussterben bedrohte Borstige Glockenblume.
Zum "Hügel der Freundschaft", einem künstlich aufgeschütteten Aussichtspunkt, führen heute Treppenstufen mit Denkanstößen auf Deutsch, Englisch und Russisch. "Das Ende der Bedrohung setzt Potentiale frei", heißt es auf einer Stufe des von Dörthe Bäumer gestalteten Kunstwerks. Mit dem Kalten Krieg hat sich auch die Künstlerin Ursula Bertram zum Abschluss des vom Innenministerium Rheinland-Pfalz organisierten Konversionsprojekts beschäftigt.
Kalter Krieg - vorbei und doch aktuell
Ihre neun Foto-Stelen mit Aufnahmen tanzender Menschen aus Deutschland, den USA und Russland sollten "der völlig anonymen und kollektiven Bedrohung im Kalten Krieg die Situation dieser Menschen in ihrem Familienleben entgegenstellen", sagt der Dokumentarfilmer Alfred Engler, der 2001/2002 die Entstehung des Werks begleitete und einen Film für die Ausstellung "Von Bäumen und Raketen - 75 Jahre im Ober-Olmer Wald" gestaltet hat.
Die Bedrohung im Kalten Krieg ist heute kaum noch gegenwärtig. Mit dem Krieg in der Ukraine habe das Werk von Ursula Bertram aber eine neue beklemmende Aktualität gefunden, sagt Hoffmann. Er plant, die Foto-Stelen auf neue Weise zu präsentieren, damit die Geschichte dahinter wieder sichtbarer wird.
In alten Bunkern schläft es sich gut

Auf einem ehemaligen Bunker leuchtet das Bild eines Tagpfauenauges den Waldbesuchern entgegen. Einige der alten Bunker wurden nicht abgerissen. Dort finden heute Fledermäuse ihre Schlaf- und Ruheplätze. Unter ihnen sind Arten wie der Kleine Abendsegler, die vom Aussterben bedrohte Fransenfledermaus oder die seltene Bechsteinfledermaus.
Erholung für die Stadtmenschen
Im Unterschied zu den großflächigen Wäldern in Rheinland-Pfalz treten die Interessen der Forstwirtschaft im Ober-Olmer Wald in den Hintergrund. "Im urbanen Raum geht es eher um Naturschutz und Erholung als um Nutzung", sagt der Revierleiter. "Daher lassen wir auch Eichen gezielt alt werden, bis sie absterben." Im Februar aber fiel eine 75 Jahre alte Eiche einem Sturm zum Opfer. Ihre Jahresringe erzählen in der Ausstellung jetzt die Geschichte des Waldes.