Täglich kommen Geflüchtete aus dem Kriegsgebiet der Ukraine auch Rheinland-Pfalz an. Die meisten mussten alles zurücklassen - auch Medikamente. Der Mainzer Sozialmediziner Trabert fordert ein frühzeitiges Konzept für eine medizinische Grundversorgung. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/AP | Bob Edme)

Mainzer Sozialmediziner Trabert fordert Konzept

Geflüchtete aus Ukraine brauchen dringend medizinische Grundversorgung

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Geflüchtete aus der Ukraine haben einen langen Weg hinter sich. Die meisten sind erschöpft oder traumatisiert, viele mussten ihre Medikamente zurücklassen. Der Mainzer Sozialmediziner Trabert fordert ein frühzeitiges Konzept für eine medizinische Grundversorgung.

Auch in Deutschland kommen mittlerweile täglich tausende Geflüchtete aus der Ukraine an. Bislang wurden laut Bundesinnenministerium bundesweit rund 80.000 Kriegsflüchtlinge registriert. Das Ministerium schätzt die Zahl der in Deutschland Ankommenden aber höher. Auch in Rheinland-Pfalz sind bereits mehr als 690 Flüchtlinge aus der Ukraine angekommen (Stand 8.3.2022).

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) versichert ukrainischen Geflüchteten eine medizinische Grundversorgung in Arztpraxen und Kliniken. Das sei auch wichtig, sagt der Mainzer Sozialmediziner Gerhard Trabert.

Versorgung von Bluthochdruck bis Asthma

"Menschen, die hier ankommen, brauchen schwerpunktmäßig Behandlungen, wie sie auch vom Hausarzt durchgeführt werden", so Trabert. Damit meint er, Kinder mit einer Mittelohrentzündung, Menschen, die ihr Asthma-Spray nicht mitnehmen konnten, Ältere, die ihre Medikation gegen den Bluthochdruck aufgebraucht haben oder zuckerkrank sind. Außerdem hätten einige durch die Strapazen der Flucht offene Wunden. Und auch die psychische Situation sei zu berücksichtigen, sagte der Sozialmediziner.

Fehlende Hausarzt-Behandlungen Gefahrenpotenzial

"Die medizinische Grundversorgung von Geflüchteten wird häufig unterschätzt", warnt Trabert. "Wenn die hausärztliche Versorgung zusammenbricht, dann hat das gravierende Folgen." Es gebe Studien, die gezeigt haben, dass in Syrien seit Beginn des Bürgerkrieges wahrscheinlich bis zu 300.000 Menschen gestorben seien, weil es keine medizinische Grundversorgung mehr gab. Wenn diese fehle, könne zum Beispiel eine Hautinfektion schnell zu einer Sepsis werden. "Und wenn ich den Blutzucker nicht mehr richtig einstelle, dann ist das auch ein Gefahrenpotenzial", erklärt Trabert.

Ukrainische Muttersprache wichtig für Aufklärung

Deswegen sei es wichtig, zu schauen, welche Ärztinnen und Ärzte russisch oder ukrainisch sprechen könnten. "Da muss es sofort Listen geben." Trabert fordert ein Versorgungskonzept. Es müsse jetzt schon geplant und mitgedacht werden. "Wir müssen den Menschen muttersprachliche Informationen aushändigen können, wie sie wo zum Arzt gehen können", so Trabert. Außerdem müsste den Menschen in den Sammelunterkünften eine medizinische Versorgung angeboten werden.

Viele Menschen seien durch die Flucht und durch die Ereignisse in ihrer Heimat traumatisiert. Deswegen sei es elementar, sich über das Erlebte austauschen zu können. Und das ginge nur in ihrer Sprache. Und deshalb sei es um so elementarer, dass Ärzte und Ärztinnen mit den Geflüchteten oder mit Dolmetscher und Dolmetscherinnen reden können. "Wenn das nicht möglich ist, dann kommt es zu einer weiteren Traumatisierung", warnt Trabert.

Taskforce für Flüchtlinge mit Blick auf Kinder

Außerdem fordert er eine Taskforce mit speziellem Blick auf geflüchtete Kinder. "Die Kinder sind alle traumatisiert. Sie spüren die Angst der Eltern, sie haben die Flucht erlebt, sie erleben das Abschied nehmen vom Vater", so der Mainzer Sozialmediziner. Es bräuchte Dolmetscher, muttersprachliche kommunizierende Pädagogen und Pädagoginnen. "Wir brauchen Kinderärzte, wir brauchen Frauenärzte - das muss alles schon im Vorfeld geschehen", so Trabert.

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Corona auch ein Problem

Man dürfe auch nicht vergessen, dass die Welt weiterhin in einer Pandemie stecke: "Wir brauchen ein Konzept, was Corona-Infektionen angeht", fordert Trabert. Denn nur ein Drittel der ukrainischen Bevölkerung ist geimpft. "Dort, wo die Menschen dann sein werden, müssen wir Impf-Kampagnen anbieten."

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