Die Regenbogenfahne weht anlässlich des Berliner Christopher Street Day (CSD) erstmals auf dem Reichstagsgebäude. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance/dpa | Christoph Soeder)

Aufregung wegen Vergleich zu Naziflagge

Mainzer CDU-Politiker kritisiert Regenbogenfahnen an öffentlichen Gebäuden

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Der Vorsitzende des Mainzer CDU-Kreisverbands, Thomas Gerster, kritisiert das Hissen der Regenbogenflagge an öffentlichen Gebäuden. Dazu zieht er auf Twitter einen Nazi-Vergleich und löst damit viel Empörung aus.

Eine klare Grenzüberschreitung, die man nicht dulden könne, eine unsägliche Provokation - mit deutlichen Worten reagiert zum Beispiel die Mainzer SPD-Vorsitzende Mareike von Jungenfeld auf einen Tweet von Thomas Gerster, der Vorsitzende des Mainzer CDU-Kreisverbandes.

Dieser hatte mit einem Vergleich auf einen Tweet des ehemaligen Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt geantwortet, in dem zu sehen ist, wie in Berlin vor dem Familienministerium eine erweiterte Regenbogenflagge gehisst wird. In der Hauptstadt wurde am vergangenen Wochenende der Christopher Street Day gefeiert, erstmals mit gehissten Regenbogenflaggen auf dem Bundestag und vor dem Kanzleramt.

Der Vorsitzende des Mainzer CDU-Kreisverbands, Thomas Gerster, kritisiert das Hissen der Regenbogenflagge an öffentlichen Gebäuden (Foto: Pressestelle, CDU Mainz)
Der Vorsitzende des Mainzer CDU-Kreisverbands, Thomas Gerster.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte das zu bestimmten Anlässen auch an Bundesgebäuden explizit erlaubt. Reichelt fragt, ob es auch erlaubt war, die erweiterte Regenbogenflagge, die er als "deutlich radikaler" bezeichnet, vor dem Familienministerium in Berlin zu hissen.

"Schwarz-Rot-Gold schon mal ersetzt"

Gerster schreibt unter dem Tweet, dass die Farben der Bundesflagge, Schwarz, Rot und Gold, schon mal durch andere Farben ersetzt worden seien und spielt damit auf die Nationalflagge im Dritten Reich an.

"Auch damals war das Ziel die Durchsetzung der eigenen Weltanschauung. Spoiler: Es ging nicht gut." Die Nachfrage eines Twitter-Users, ob er die Flagge meine, unter der "trans und homosexuelle Menschen systematisch ermordet wurden", bejaht er in einer weiteren Antwort.

Empörung über Vergleich

Der Vergleich löst bei anderen Politikerinnen und Politikern in Mainz Kritik und Empörung aus. Die Mainzer Grünen werten diese Aussage als Verharmlosung des Holocaust, die queere Menschen mit der faschistischen Naziregierung gleichsetze. "Das ist besonders perfide, weil im Dritten Reich LGBTQIA* auf staatliches Geheiß verfolgt und ermordet wurden", sagt Stefanie Gorges, die stellvertretende Kreisvorsitzende der Mainzer Grünen.

Die Kreisvorsitzende der Mainzer FDP, Almut Rusbüldt, hofft, dass Thomas Gerster den entstandenen Eindruck korrigiert. Auf Anfrage des SWR schreibt sie: "Falls hier tatsächlich das Hissen der Regenbogenflagge mit dem der Hakenkreuzfahne der Nationalsozialisten verglichen worden ist, wäre dies eine Ungeheuerlichkeit. Ein derartiger geschichtsloser Fehltritt wäre eines Kreisvorsitzenden einer demokratischen Partei und Mitglieds des Mainzer Stadtrats absolut unwürdig."

"Nicht unwidersprochen stehen lassen"

In der SPD habe man sich Gedanken gemacht, ob man den Tweet überhaupt noch mit einer Reaktion Aufmerksamkeit gibt und sich dann doch für ein Statement entschieden. "Lässt man den Unsinn unkommentiert und unwidersprochen, steht er am Ende als mögliche Meinungsäußerung da. Das ist er aber nicht. Der Unsinn muss als nicht hinnehmbar markiert werden", findet die Kreisvorsitzende von Jungenfeld.

"Habe nichts gegen die Regenbogenflagge"

Im Gespräch mit dem SWR sagt Gerster, dass sein Tweet wohl zu überspitzt formuliert war. "Ich will auf keinen Fall eine Diskriminierung und bin für Gleichberechtigung", sagt er. Er habe nichts gegen die Regenbogenflagge an sich, er sträube sich aber gegen eine "Verwässerung" der Beflaggung an öffentlichen Gebäuden.

Werde die Regenbogenflagge gleichberechtigt neben der Bundesflagge gehisst, sieht Gerster dabei ein Problem: "Wir haben uns als Bundesrepublik für die Farben Schwarz, Rot und Gold entschieden als Symbol unseres Grundgesetzes. Das schützt alle Gruppen vor Diskriminierung und verbietet eine Bevorzugung von anderen." Wenn man eine Minderheit, auch aus berechtigten Gründen, hervorhebe, sei das eine Verwässerung des Anspruchs, alle gleich zu behandeln. "Es ist schwierig, Einzelinteressen über das Gemeinwohl zu stellen."

"Keineswegs die LGBTQ-Gemeinschaft mit Drittem Reich gleichsetzen"

Die queere Community mit dem Nazi-Regime gleichzusetzen, sei nicht seine Absicht gewesen. Aber: "Es sollte außer den staatlichen Flaggen nichts anderes daneben hängen." Vor allem, dass nicht die einfache, genehmigte Regenbogenflagge sei, sondern eine erweiterte Variante, die auch intersexuelle Menschen explizit berücksichtigt, drehe die Schraube weiter.

Die rheinland-pfälzische CDU empfindet den Vergleich zwischen der Naziflagge und der Regenbogenfahne als unpassend und schließt sich nicht an. In einem Statement gegenüber dem SWR sagt Sprecherin Stefanie Bach aber ebenfalls, dass der Staat zu Neutralität verpflichtet ist. "Ganz gleich, welchen Anlässen oder Gesellschaftsgruppen gegenüber. Die Bundesflagge, die auf öffentlichen Gebäuden weht, steht für unser Grundgesetz, das die Würde des Menschen an den Anfang stellt und die Freiheit und Gleichheit aller symbolisiert."

Mainzer CSD und Sommerschwüle mit Regenbogenbeflaggung

Was an den Bundesgebäuden neu ist, gehört in Mainz schon seit vielen Jahren dazu: Nach Angaben der Stadt wird schon seit Mitte der 2000er Jahre die Regenbogenflagge zum Christopher Street Day gehisst. "Dass die Bundesflagge Schwarz-Rot-Gold ist, bestreitet niemand", sagt Mareike von Jungenfeld von der Mainzer SPD.

Die Äußerung des CDU-Kreisvorsitzenden sei kein Stil, den man unter demokratischen Parteien pflegt. Sie freue sich auf den CSD in Mainz Anfang August und die Sommerschwüle.

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SWR