Der Landkreis Mainz-Bingen und die Stadt Mainz wollen gemeinsam eine Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) gründen, die sich ab 2024 um die Müllentsorgung in Stadt und Kreis kümmert. Im Kreistag war das in den vergangenen Monaten umstritten. Nun hat das Parlament mit den Stimmen von SPD, FDP, Grünen und CDU für diese Kooperation gestimmt. Dagegen waren FDP und AfD.
CDU zunächst gegen gemeinsame Müll-Entsorgung
Eine zentrale Rolle bei dieser Entscheidung hat die CDU eingenommen. Bei der vorletzten Kreistagssitzung hatten sich die Christdemokraten noch gegen die gemeinsame Anstalt ausgesprochen. Sie hätten die Aufgaben der Müllentsorgung im Kreis lieber öffentlich ausgeschrieben und sie so in die Hände eines privaten Unternehmens gelegt. Ein Hauptargument bei der Sitzung im Oktober waren die Kosten. Die Ausschreibung sei günstiger und würde die Menschen im Kreis Mainz-Bingen vor höheren Müllgebühren schützen.
Mitarbeiter befürchten Nachteile
Ein weiteres Argument gegen die Fortführung der Zusammenarbeit waren die Mitarbeiter der Entsorgungsbetriebe des Kreises und der Stadt. Da die Aufgaben der Müllentsorgung an die AöR übertragen werden, müssen auch sie in die Anstalt wechseln. Viele wollten das nicht. Obwohl ihnen mündlich eine tarifliche Bezahlung zugesagt und ihnen versprochen wurde, dass sie sich auch sonst vertraglich nicht schlechter stellen, sahen sie für sich vor allem Nachteile oder zumindest nicht gut genug informiert.
Landrätin Schäfer begründet Meinungswechsel
Landrätin Dorothea Schäfer (CDU), die im Oktober auch für die Ausschreibung für einen privaten Entsorger war, begründete ihren Meinungswechsel und den ihrer Partei: "Als wir im Oktober über diese Frage abgestimmt haben, haben zu viele Antworten auf zu viele Fragen gefehlt. Dadurch, dass wir nun den Start der AöR von 2023 auf 2024 verschoben haben, haben wir nun ein Jahr Zeit, diese Fragen bis dahin zu klären. Damit müssen wir aber auch gleich am Montag anfangen."
SPD: "Müssen mit Mitarbeitern sprechen."
Michael Hüttner sprach in der Debatte vor der Abstimmung einen der Kernpunkte an, mit dem seiner Meinung nach sofort begonnen werden müsse: "Wir haben nun ein Jahr Zeit, mit den Mitarbeitern zu reden und sie von einem Wechsel in die AöR zu überzeugen." Gelingt das nicht, müssen die Stadt und der Landkreis die Mitarbeiter womöglich an die AöR entleihen. Die Anstalt müsse für diese Leiharbeiter Geld bezahlen, auf das wiederum Mehrwertsteuer fällig würde. Gerade das wollten Stadt und Landkreis mit der AöR ja umgehen. (Siehe "Hintergrund des Müll-Streits")
Grüne sehen wichtige Voraussetzungen für AöR erfüllt
Andrea Müller-Bohn (Grüne) sprach von einem langen und emotionalen Weg hin zu der aktuellen Entscheidung. Sie sieht die Stadt und den Kreis nun gut aufgestellt: "Wir haben jetzt alle wichtigen Voraussetzungen, um erfolgreich mit der AöR zu starten: Wir haben Fahrzeuge, Betriebshöfe und das Know-how." Einige Themen, zum Beispiel die Mitarbeiter-Frage, müsse bis zum Start der AöR noch geklärt werden.
FDP sieht sich den Menschen im Kreis verpflichtet
Stephanie Steichele-Guntrum (FDP) war von den Argumenten der Befürworter einer AöR nach wie vor nicht überzeugt. Zu diesen Argumenten zählt unter anderem, dass die Stadt Mainz schon seit Jahren zuverlässig den Müll im Landkreis abholt und entsorgt. Manches Kreistagsmitglied hatte einem Privatunternehmer diese Zuverlässigkeit nicht zugetraut. Dazu Steichele-Guntrum: "Ich halte den Staat nicht immer für den besseren Unternehmer. Das sehen wir zurzeit auch bei der KRN." Außerdem sehe sich die FDP den Menschen im Kreis und niedrigen Müllgebühren verpflichtet.
AfD: "Mitarbeiter verraten"
Carsten Propp (AfD) nutzte seinen Wortbeitrag für einen Angriff auf die Befürworter der AöR: "Wir müssen nicht unterstützen, dass Sie sich vor den Karren der Stadt Mainz haben spannen lassen und die Mitarbeiter verraten haben."
Nach den intensiven Diskussionen der vergangenen Monate versuchte Michael Hüttner (SPD) die Wogen im Kreistag wieder zu glätten: "Lasst uns jetzt nach vorne blicken. Danke an die CDU, dass ihr die Entscheidung zur AöR jetzt mittragt." Auch die Grünen "begrüßen die Unterstützung der CDU", so Müller-Bohn.
Bei der Müllentsorgung ändert sich nichts
An den Abläufen der Müllentsorgung im Kreis Mainz-Bingen ändert sich durch den verschobenen Start der Anstalt öffentlichen Rechts auf 2024 nichts, sagte ein Kreissprecher dem SWR. Der Kooperationsvertrag mit der Stadt Mainz zur Müllentsorgung sei ohnehin bis Ende 2023 gelaufen. Wäre die Anstalt öffentlichen Rechts früher gegründet worden, wäre dieser Vertrag entsprechend früher in die neue Form übertragen worden.
Der Hintergrund des Müll-Streits
Der Entsorgungsbetrieb der Stadt Mainz holt seit 2012 den Müll im Kreis Mainz-Bingen ab. Dieser zahlt der Stadt dafür Geld. Wegen einer Gesetzesänderung wäre auf diese Zahlungen künftig Mehrwertsteuer in Höhe von knapp einer Million Euro jährlich angefallen. Mit einer gemeinsamen Anstalt öffentlichen Rechts soll die Mehrwertsteuerzahlung umgangen werden. Der Kreistag hatte im Sommer auch eine entsprechende Absichtserklärung mit der Stadt Mainz unterschrieben. Doch davon rückten dann einige Kreistagsmitglieder ab.