SWR AKTUELL: Herr Weniger, wie haben Sie die Situation erlebt in den vergangenen Wochen?
Marcus Weniger: Es ist natürlich anstrengend, ganz klar. Man bekommt eine ganz neue Herausforderung, die man da bewältigen muss. Es ist anders als im gewöhnlichen Alltag, weil die Bewohner auf ihren Zimmern bleiben müssen. Das, was die Altenpflege meines Erachtens nach ausmacht, das Zusammensein und das gemeinsame Genießen des Alltags, kam da etwas zu kurz. Wenn man im Zimmer ist, versucht man aber natürlich trotzdem, dem Bewohner all das entgegenzubringen, was er benötigt.
SWR AKTUELL: Wie war das für Sie emotional?
Weniger: Es ist natürlich belastend, wenn man sieht, dass Menschen an einer Krankheit leiden, über die man so wenig weiß. Man fühlt sich auch ein bisschen ohnmächtig. Natürlich kann man mit den Menschen sprechen, kann Trost bieten. Aber es ist nicht so wie bei einem Knochenbruch. Da weiß ich genau: Ich kann nach Schema F verfahren und wenn alles gut läuft, verheilt es wieder.
"Es sterben natürlich Menschen, was nie schön ist. Aber der Unterschied dazu ist, dass es so geballt kam. Das sind wir natürlich auch nicht gewohnt."

SWR AKTUELL: Sie waren auf einer Station eingesetzt, auf der es besonders viele Infektionsfälle gab. Sind bei Ihnen auch Personen gestorben, die Sie kannten?
Weniger: Das ist ja in der Altenpflege immer ein Thema. Es sterben natürlich Menschen, was nie schön ist. Aber der Unterschied dazu ist, dass es so geballt kam und so auf einmal. Das sind wir natürlich auch nicht gewohnt. Man kennt die Menschen ja nicht nur hier von der Einrichtung. Es gibt auch welche, die jetzt hier sind, die man früher auf dem Markt getroffen hat. Wir leben hier in Osthofen. Das ist keine Großstadt, wo es sehr anonym ist, sondern natürlich kennt man sich und es ist nie einfach, einen Menschen gehen zu sehen.
SWR AKTUELL: Welche besonderen Erinnerungen haben Sie da?
Weniger: Es gab eine Dame, die war 99 Jahre alt. Und man freut sich im Vorfeld: bald 100 Jahre. Das ist ja immer ein schönes Ereignis. Da war ich schon sehr erschrocken. Wochen vorher hatte ich sie noch lebhaft gesehen, wir hatten uns noch unterhalten. Und dann hieß es, die Dame ist verstorben. Da ist es schon passiert, dass man mal ein Tränchen vergießt.
SWR AKTUELL: Wie schaffen Sie es dennoch, positiv zu bleiben?
Weniger: Jeder hat ja so seine Möglichkeiten, Kraft zu schöpfen. In meinem Fall sind das mein Glaube, die Kollegen, meine Familie. Im Endeffekt sind wir für die Bewohner da. Und die brauchen uns als positive Menschen. Wir Pfleger arbeiten mit Herz. Nicht nur wir, sondern alle, die im Gesundheitswesen arbeiten. Wir machen das, um den Menschen zu helfen, und das geht einem ja nicht verloren, auch wenn die Situation schwierig ist. Letztendlich hat mir geholfen, mir immer wieder zu sagen, warum ich das eigentlich tue.