Senioren sitzen in Rollatoren in einem Altenheim im Kreis. In Rheinland-Pfalz wird die einrichtungsbezogene Impfpflicht ind Altenheimen, Pflegeheimen, Krankenhäsuern, Arztpraxen, bei Zahnärzten und in der Eingleiderungshilfe eingeführt. Heimleitungen müssen ungeimpfte Mitarbeiter an die Gesundheitsämter melden. Es drohen Geldstrafen und ein Betretungsverbot. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, dpa Bildfunk, icture alliance/dpa | Bernd Weißbrod)

Einrichtungsbezogene Impfpflicht in RLP

Pflegeleiterin: "Dass diese Menschen jetzt ausscheiden, ist bitter"

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Mitarbeitenden in rheinland-pfälzischen Alten- und Pflegeheimen, die bis zum 15. März keinen Impfnachweis vorlegen, droht eine Geldstrafe und ein Betretungsverbot. Wie gehen Leitungsteams mit Impfverweigerern um? Ein Interview.

SWR Aktuell: Frau Schniering, vor einem Monat waren in Ihrem Altenheim 24 der 178 Beschäftigten nicht vollständig geimpft. Damals hat die Landesregierung von Rheinland-Pfalz angekündigt, die Impfpflicht unter anderem in Pflegeeinrichtungen mit Bußgeldern und Betretungsverboten durchsetzen zu wollen. Hat das etwas bewirkt?

Mona Schniering: Prinzipiell ja, einige der Mitarbeiter haben mittlerweile die erste Impfung. Aber sie standen vor dem Problem, dass die Termine in Impfzentren sehr schwer zu kriegen waren, oder es bei den Hausärzten Probleme mit den Impfstofflieferungen gab. Eine Kollegin hat etwa innerhalb von vier bis sechs Wochen keinen Termin bekommen. Ungeimpft sind jetzt noch 13 oder 14 Mitarbeiter. Da ist auch nicht abzusehen, dass die daran noch etwas ändern wollen.

SWR Aktuell: Welche Gründe haben diese Menschen, sich nicht impfen zu lassen?

Schniering: Wir haben natürlich mit den Kollegen gesprochen, das sind ja keine prinzipiellen Impfverweigerer. Einige hatten beispielsweise schon mehrfach Thrombosen, bekommen von ihrem Hausarzt aber nicht das nötige Attest ausgestellt, dass sie von der Impfung ausgenommen sind. Oder ihnen wird gesagt, es seien schon so viele Menschen geimpft worden und es sei so wenig Schlimmes passiert. Wenn ich als gesunder Mensch bei der Entscheidung schon gut beraten sein will, will ich es als vorerkrankte Person, die viele Medikamente nimmt, erst recht. Dass diese Menschen jetzt schweren Herzens ausscheiden, ist natürlich bitter. Bitter für uns als Unternehmen und bitter auch einfach als Kollegin. Das ist ja oft eine jahrelange Zusammenarbeit. Es ist sehr schwierig, damit umzugehen.

Mainz

Vor Start der einrichtungsbezogenen Impfpflicht Noch 13.000 medizinische Beschäftige in RLP ohne Status für Impfpflicht

In der nächsten Woche tritt auch in Rheinland-Pfalz die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht in Kraft. Derzeit haben etwa 13.000 Beschäftigte keinen entsprechenden Impfstatus.


SWR Aktuell: Wie sind Sie in diese Gespräche gegangen?

Schniering: Ich muss in solchen Gesprächen neutral bleiben, muss beide Seiten sehen können, sonst wäre ich ja keine gute Vorgesetzte. Ich muss natürlich den rechtlichen Aspekt vorbringen und erklären können. Gerade denjenigen Mitarbeitern, die das emotional sehr verletzt, die dann sagen: 'Ich bin doch keine Gefahr, ich bin doch gesund, ich lass mich doch jeden Tag testen und ich halt mich doch an alles.' Denen muss man aber immer wieder ein Aber oder Dennoch davor setzen. Und trotz alledem muss ich auch versuchen, den Mitarbeiter zu verstehen, der weinend vor mir sitzt und sagt, 'Ich habe solche Angst, mich impfen zu lassen. Schau doch mal, was da alles passiert ist.'

SWR Aktuell: Welcher Fall ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Schniering: Das beste Beispiel ist vielleicht eine Mitarbeiterin, die nach der Impfung tatsächlich eine Gesichtsseitenlähmung bekommen hat. Das hat sich Gott sei Dank innerhalb von sechs bis acht Wochen rehabilitiert, aber jetzt ist sie zweifach geimpft und wäre bald dran, sich boostern zu lassen. Die sitzt jetzt vor mir und sagt: 'Frau Schniering, ich möchte nicht.' Sie war eine von denjenigen, die eine dieser sehr seltenen Nebenwirkungen hatte. Was soll ich so einem Menschen jetzt sagen? Ihn ermutigen und sagen: Nein, ein zweites Mal... so viel Pech kann keiner haben? Ich schick ihn hin, am Ende vertraut er mir und dann passiert was Schlimmeres oder es bleibt für immer?

"Ich schick ihn hin, am Ende vertraut er mir und dann passiert was Schlimmeres oder es bleibt für immer?"

Ich versuche, die Ängste von den Kollegen zu verstehen, ihnen beratend zur Seite zu stehen und immer wieder auf die Hausärzte oder auf unseren Betriebsarzt zu verweisen. Aber die Entscheidung am Ende kann ich keinem Kollegen abnehmen. Die muss er für sich selbst oder eventuell mit der Familie oder mit Freunden treffen.

SWR Aktuell: Bei allem Verständnis, das sie aufbringen, sind Sie mit Ablauf des 15. März diejenige, die die Kolleginnen und Kollegen meldet, die noch keine zwei Impfungen haben. Fühlen Sie sich in eine Denunziantinnenrolle gedrängt?

Schniering: Natürlich. Wenn sie Menschen wie eine Mitarbeiterin von uns hier haben, die in der Corona-Zeit eingesprungen ist, die Station gerettet hat mit ihrem Einsatz, die immer da war, immer versucht hat, die Kollegen aufzumuntern: Ihr jetzt zu sagen, wenn du dich nicht impfen lässt, dann wird das geahndet und dann verlierst du vielleicht deinen Job und auf der anderen Seite dazustehen und zu sagen: 'Ich verstehe dich.' Das ist nicht schön und ich weiß auch nicht, ob dieses lachende und weinende Auge den Mitarbeitern dann so viel bringt. Schlussendlich, der Job ist gefährdet durch die Regelung.

Das Altenheim Haus Jacobus in Osthofen. In Rheinland-Pfalz wird die einrichtungsbezogene Impfpflicht ind Altenheimen, Pflegeheimen, Krankenhäsuern, Arztpraxen, bei Zahnärzten und in der Eingleiderungshilfe eingeführt. Heimleitungen müssen ungeimpfte Mitarbeiter an die Gesundheitsämter melden. Es drohen Geldstrafen und ein Betretungsverbot. (Foto: Haus Jacobus)
Das Altenheim Haus Jacobus in Osthofen.


SWR Aktuell: Jetzt haben Sie von 13 Personen gesprochen, die nach wie vor ungeimpft sind. Warten die ab, was passiert, oder haben die bereits gekündigt?

Schniering: Von denen, die sich nicht impfen lassen wollen, sind es drei, die aktiv gesagt haben: Nein. Die haben definitiv gestern mit dem Tag aufgehört. Eine andere Mitarbeiterin ist gerade in Quarantäne, weil sie positiv ist, und eine weitere aus dieser Gruppe ist aufgrund von Long Covid sowieso nicht arbeitsfähig und die ganze Zeit zu Hause.

SWR Aktuell: Und der Rest? Die erhalten ja, so zumindest der Plan der Landesregierung, vom Gesundheitsamt zwei Wochen Zeit, einen Impfnachweis vorzulegen. Passiert das nicht, folgt ein Bußgeld über 500 Euro und ein Betretungsverbot für Ihre Einrichtung.

Schniering: Wir stehen da hinter unseren Kolleginnen und wenn da etwas kommt, werden wir auch mit dem Gesundheitsamt sprechen. Insgesamt ist es zahlenmäßig ja überschaubar und unsere pflegerische Versorgung ist nicht gefährdet. Das meiste Personal, was so ein bisschen 'hinterherhinkt' bei den Impfungen, ist tatsächlich aus der Küche, der Hauswirtschaft oder aus dem Bereich des Servicepersonals.


SWR Aktuell: Die Impfpflicht kommt, daran ist nicht mehr zu rütteln. Was wünschen Sie sich von der Politik?

Schniering: Ich erwarte von der Politik, dass sie aus den Fehlern, die sie in den Jahren seit Corona gemacht hat mit den Pflegekräften, lernt. Ich erwarte, dass die Politik nachvollziehen kann, dass eine berufsbezogene Impfpflicht nicht der Problemlöser des Ganzen ist. Eine berufsbezogene Impfpflicht durchzuziehen bei einer Berufsgruppe, die sowieso schon am Boden liegt, sei es monetär oder von der Kopfzahl her, die sich - ob geimpft oder ungeimpft - die ganze Zeit abgequält hat in diesen zwei Jahren Corona, da sollte sich die Politik mal überlegen, ob das so sinnvoll war. Wenn, hätte man es durchziehen müssen und für alle machen müssen, sodass Deutschland auch über Applaus von den Balkonen hinaus zusammenhält.


Die Corona-Zahlen steigen ja wieder und wir sind alle in Lauerstellung wegen der Omikron-Untervariante. Geschützt werden müssen unsere älteren Leute und die vulnerablen Gruppen, egal welchen Alters, das ist unwahrscheinlich wichtig. Das fängt schon bei der Einheitlichkeit der Coronaregeln an: Es dürfen in die Heime beispielsweise weiter Gäste und Angehörige ungeimpft, aber getestet rein. Aber die ungeimpften und getesteten Pflegekräfte sollen gefeuert werden. Das steht für mich in keiner Relation.

Das Interview führte SWR Aktuell-Redakteur Fridolin Skala.

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