Wer bei Hochbegabten Klischees von bleichen Computer-Nerds mit Brille im Kopf hat, wird bei Alexandra Beran überrascht. Sie ist einfach eine quirlige Frau mit wachen Augen, die viel und gerne lacht. Die 54-Jährige, die sich Sascha nennt, hat von ihrer Hochbegabung erst erfahren, als sie selbst schon Kinder hatte.
Hochbegabung führte zu Ausgrenzung
Sie selbst hätte nie für möglich gehalten, dass sie außergewöhnlich intelligent ist: "Ich stehe manchmal total auf dem Schlauch, kann weder besonders gut Englisch noch Kopfrechnen. Ich habe wirklich früher geglaubt, ich bin eher ein bisschen dumm."
Auch von Eltern, Lehrern und anderen Kindern bekam sie eher vermittelt, dass sie zu energiegeladen und ein bisschen anstrengend ist. "Ich habe nie zu einer Gruppe dazu gehört. Ich will nicht gerade sagen, dass ich gemobbt wurde, aber das war schon Ausgrenzung."
Sascha Beran fand erst spät Freunde
Sascha machte den Realschulabschluss. Als sie danach in die Oberstufe eines Gymnasiums wechselte, wurde es besser, sagt sie. Dort fand sie zum ersten Mal Menschen, die in ähnlichen Strukturen dachten wie sie und mit denen sie sich auf einer gemeinsamen Ebene austauschen konnte. Sascha machte ihr Abitur nach, studierte Medizin und wurde Ärztin. Erst im Studium fand sie dann zum ersten Mal richtige Freunde.
Smalltalk macht Hochbegabten Probleme
Bis heute aber merkt sie im Alltag ihr Anderssein. Zum Beispiel beim Smalltalk mit Bekannten. Schon die einfache Frage "Wie geht’s dir?" kann sie ins Grübeln bringen: "Für mich ist das eine hochkomplexe Frage. Ich überlege dann: Will derjenige wissen, wie es mir beruflich geht, oder privat, gesundheitlich, emotional oder was?"
Sie wolle dann eine umfassende Antwort geben und müsse sich immer wieder bewusst daran erinnern, dass das nur eine Floskel ist. Und dass die korrekte Antwort keine lange Erklärung ist, sondern: "Gut. Und selbst?" Und dass auch sie darauf keine echte Antwort erwarten darf. Floskeln sind für Hochbegabte oft schwierig, sagt Sascha Beran. Das sei wie ein Spiel, das man auswendig lernen müsse.
"Das fühlt sich im Kopf so an, als würden Sie mit einem Porsche durch die 30-er-Zone fahren und permanent auf der Bremse stehen."
Außerdem ist die Geschwindigkeit zu denken einfach eine andere, sagt sie. Das fällt ihr zum Beispiel auf, wenn sie in Meetings oder Fortbildungen in einer Gruppe Aufgaben bearbeiten muss. Dann stellt Sascha oft fest, dass sie sich auf die Geschwindigkeit der anderen "herunterdrosseln" muss.
Hochbegabung zuerst bei Sascha Berans Sohn erkannt
Für Sascha Beran war es ein Glücksfall, als bei ihrem Sohn eine Hochbegabung festgestellt wurde. Er war im Kindergarten aufgefallen, weil er bei Gruppenaktionen wie Stuhlkreisen ständig gestört hatte. Eine Kinderarzthelferin erkannte, dass sein Verhalten auf Langeweile zurückzuführen war. Mitarbeiter einer Beratungsstelle stellten dann seine besondere Begabung offiziell fest und ermutigten Sascha Beran, sich ebenfalls testen zu lassen.
Es ist superwichtig für Betroffene, zu erfahren, dass sie nicht falsch oder komisch sind - sondern genau richtig, wie sie sind, nur eben anders.
Für die Mainzerin war es ein regelrechtes Erweckungserlebnis, als sie endlich eine Erklärung für ihr Anderssein hatte und wusste: Sie war nicht falsch oder seltsam, sondern einfach nur anders.
Bildung Hochbegabte Kinder erkennen und fördern
Vor allem Mädchen und Migrantenkinder werden oft gar nicht als hochbegabt erkannt. Wie lässt sich das ändern? Und wie fördert man hochbegabte Kinder am besten?
Hochbegabten-Verein "Mensa" vernetzt Betroffene
Seit vielen Jahren ist die 54-Jährige Mitglied in dem Verein "Mensa", in dem Hochbegabte auf der ganzen Welt miteinander vernetzt sind. Einer von Saschas Schwerpunkten in der Region Mainz-Wiesbaden ist die Arbeit mit Eltern.
Denn das ist ihr großes Anliegen: Hochbegabung so früh wie möglich zu entdecken, damit betroffene Kinder miteinander in Kontakt kommen können, Freunde finden und keine Ausgrenzung erfahren müssen.