
Es ist ein sehr, sehr lautes Piepsen von dem Sebastian Gress am Mittwoch geweckt wird. Schnell macht er die Rolladen hoch, blickt auf seinen Balkon und siehe da: Neun entzückende, kleine Entenküken sitzen samt Mama aufgeregt in seiner Pflanzenkiste auf dem Balkon. "Ein schöner tierischer Weckdienst", sagt er mit einem breiten Grinsen.
Ende März hatte der 47-jährige Mainzer seine Untermieterin bemerkt: Mitten im Rosmarinstrauch saß die Ente auf ihrem Nest. Seitdem ging sein Blick als erstes jeden Morgen zu seiner neuen Mitbewohnerin.
Wohin, wenn geschlüpft?
Sebastian Gress hatte ausgerechnet, dass die Küken in diesen Tagen schlüpfen müssten, aber wann genau, war nicht klar. Um so glücklicher ist er nun, "die Geburt" mitbekommen zu haben. Denn inzwischen weiß er, dass Enten Nestflüchter sind. Kurz nach dem Schlüpfen verlassen sie das Nest - eine ziemlich gefährliche Angelegenheit im fünften Stock, mitten in der Stadt.
Rettungsaktion mit Nabu-Vogelexpertem
Diese Situation hatte Sebastian Gress im Vorfeld Sorgen gemacht, deshalb hatte er sich informiert. Seitdem steht ihm Nikolaus Strupp, Vogelschutzberater vom Naturschutzbund (NABU), mit Rat und Tat zur Seite. Gleich nach dem Schlüpfen am Mittwoch starten die beiden dann auch eine kleine Rettungsaktion: Enten-Mama und Kinder werden ins Schlafzimmer in eine Kiste gelockt. Eine emotional sehr stressige Situation, sagt Rupp. Denn, wenn die Entenmutter weg geflogen wäre, hätte man neun Waisenküken gehabt. Dementsprechend erleichtert ist er. Nun kommen die Enten ins Paradies, wie Rupp es nennt, an ein Gewässer nach Oppenheim. Dort würden sie sich innerhalb kürzester Zeit einleben.
Andenken in Pflanzenkiste
Sebastian Gress wird seine Balkon-Ente vermissen. Sie sei eine sehr tolerante Untermieterin gewesen. Während er seinen Balkon genutzt habe, sei sie seelenruhig sitzengeblieben. "Es war eine sehr schöne Erfahrung!", so sein Fazit. Aber ein Gutes hat der Auszug der Ente doch auch: Sebastian Gress kann seinen Balkon jetzt endlich frühlingsfit machen und die Kiste frisch bepflanzen. Vielleicht findet auch eine kleine Keramikente Platz - als Erinnerung.