20 Jahre beträgt die Ruhezeit für Reihengrabstätten auf den acht Friedhöfen in Bingen, bei Kindergrabstätten sind es 15 Jahre. Wenn die Ruhezeit für Gräber auf Binger Friedhöfen abgelaufen ist, dann werden die Hinterbliebenen angeschrieben, damit sie Grabsteine und Schmuck beseitigen. Die Stadt selbst darf ohne Ankündigung die Gräber nicht einebnen. Das ist laut Satzung der Stadt Bingen am Rhein über das Friedhofs- und Bestattungswesen nicht erlaubt.
"Die Angehörigen müssen die Chance haben, Grabsteine oder -lampen, Pflanzen oder Grabschmuck abzuräumen", sagt Marieluise Praß, Leiterin des Friedhofsamts Bingen. Kontakt mit den Angehörigen aufzunehmen, sei aber gar nicht so einfach. Das gelinge nur sehr selten. "Von hundert angeschriebenen Angehörigen melden sich zwei - höchstens", so Praß.
Viele haben andere Namen oder sind weggezogen
"Wer nach einer Heirat seinen Namen ändert, wegzieht, vielleicht sogar ins Ausland, den können wir nicht finden", so Praß. Andere wollten auch gar nicht gefunden werden. Denn ein Grablicht zu entfernen, ist das eine. Das Abräumen eines Grabsteins das andere. Da fallen richtig Kosten an. Und die bleiben, wenn sich die Hinterbliebenen nicht melden, an der Stadt Bingen hängen. Um dem künftig einen Riegel vorzuschieben, soll es bald eine neue Friedhofssatzung geben. "Da werden dann die Kosten für das Abräumen in die allgemeinen Gebühren schon am Anfang eingerechnet", sagt Praß.
Aus den Grabsteinen wird Schotter für den Straßenbau
Wer schon mal einen Grabstein gekauft hat, weiß, wie teuer der sein kann. Wenn er nach 20 Jahren ausgedient hat, lässt sich damit aber kein Geld mehr verdienen. Deshalb werden die Steine zerbrochen, aus ihnen wird Schotter. Der wird dann hauptsächlich im Straßenbau eingesetzt.

Auch Familiengräber in Bingen werden aufgegeben
Vor kurzem hatte das Binger Friedhofsamt eine Liste mit Familiengrabstätten veröffentlicht. Auch für diese waren die Ruhezeiten abgelaufen. Die Familienangehörigen wollen diese Gräber meist nicht weiterführen. "Inzwischen werden in Bingen 80 Prozent der Verstorbenen in Urnen bestattet", sagt Thomas Dahn, technischer Leiter des Binger Friedhofsamts. Die Pflege großer Familiengräber sei vielen zu aufwendig, eine Bestattung in einer Urnenwand oder unter einem Ruhebaum sei einfacher und koste weniger.
"Die meisten Hinterbliebenen kümmern sich maximal fünf Jahre um die Gräber."
Die Kosten für das Abräumen von abgelaufenen Gräbern sind nicht die einzigen, die die Stadt Bingen zu tragen hat. Nach einer Beisetzung gehe es häufig sehr schnell, bis sich niemand mehr um die Pflege des Grabes kümmere, sagt Praß. Die Leute kämen in den meisten Fällen maximal fünf Jahre zum Grab - wenn überhaupt.
Wenn die Hinterbliebenen keine Gärtnerei mit der Pflege beauftragt haben, springt dann ebenfalls die Stadt Bingen ein und mäht beispielsweise mal das Gras.

Alte Familiengräber werden an neue Interessenten weitergegeben
Bingen-Stadt heißt der älteste Friedhof, auf dem auch heute noch Bestattungen stattfinden. Er wurde vor 110 Jahren gegründet. Auf ihm gibt es noch zahlreiche aufwändige Familiengräber und Grabstätten, die das Friedhofsamt aus historischen Gründen erhält. Die meisten davon befänden sich nicht mehr in Familienbesitz, sagt Marieluise Praß.
Weil sie aber einen geschichtlichen Wert darstellten, würden sie gepflegt. Diese Grabstätten könnten von anderen Interessenten übernommen werden. In ein paar Fällen sei das auch bereits passiert. Die neuen Besitzer kümmerten sich dann um das Grab, könnten dort Angehörige bestatten und auch Namen auf alte bestehende Grabsteine gravieren lassen.
10.000 Grabstätten gibt es auf Friedhöfen in Bingen
Ein Platzproblem gibt es auf den Binger Friedhöfen nicht. 10.000 Grabstätten gibt es derzeit insgesamt, eine Hälfte ist mit Särgen, die andere mit Urnen belegt. Ein Grab hält das Friedhofsamt dabei in ganz besonderen Ehren. Dort wurde vor über 110 Jahren Luzia Wagner bestattet. Auf ihrem Grabstein steht: Luzia Wagner ist die erste Bewohnerin dieses Friedhofes.