Die Inschrift des Grabstzeines lautet: Luzia Wagner ist die erste Bewohnerin dieses Friedhofes (Foto: Stadt Bingen)

Ruhezeiten abgelaufen

Gräber auf Friedhöfen in Bingen werden abgeräumt

Stand
AUTOR/IN
Markus Volland

Auch die ewige Ruhe hat ein Ende. Egal, ob Erdbestattung oder Urnengrab, wenn die Laufzeit vorbei ist, werden die Gräber abgeräumt. Auf den Binger Friedhöfen ist es jetzt wieder soweit.

20 Jahre beträgt die Ruhezeit für Reihengrabstätten auf den acht Friedhöfen in Bingen, bei Kindergrabstätten sind es 15 Jahre. Wenn die Ruhezeit für Gräber auf Binger Friedhöfen abgelaufen ist, dann werden die Hinterbliebenen angeschrieben, damit sie Grabsteine und Schmuck beseitigen. Die Stadt selbst darf ohne Ankündigung die Gräber nicht einebnen. Das ist laut Satzung der Stadt Bingen am Rhein über das Friedhofs- und Bestattungswesen nicht erlaubt.

"Die Angehörigen müssen die Chance haben, Grabsteine oder -lampen, Pflanzen oder Grabschmuck abzuräumen", sagt Marieluise Praß, Leiterin des Friedhofsamts Bingen. Kontakt mit den Angehörigen aufzunehmen, sei aber gar nicht so einfach. Das gelinge nur sehr selten. "Von hundert angeschriebenen Angehörigen melden sich zwei - höchstens", so Praß.

Viele haben andere Namen oder sind weggezogen

"Wer nach einer Heirat seinen Namen ändert, wegzieht, vielleicht sogar ins Ausland, den können wir nicht finden", so Praß. Andere wollten auch gar nicht gefunden werden. Denn ein Grablicht zu entfernen, ist das eine. Das Abräumen eines Grabsteins das andere. Da fallen richtig Kosten an. Und die bleiben, wenn sich die Hinterbliebenen nicht melden, an der Stadt Bingen hängen. Um dem künftig einen Riegel vorzuschieben, soll es bald eine neue Friedhofssatzung geben. "Da werden dann die Kosten für das Abräumen in die allgemeinen Gebühren schon am Anfang eingerechnet", sagt Praß.

Aus den Grabsteinen wird Schotter für den Straßenbau

Wer schon mal einen Grabstein gekauft hat, weiß, wie teuer der sein kann. Wenn er nach 20 Jahren ausgedient hat, lässt sich damit aber kein Geld mehr verdienen. Deshalb werden die Steine zerbrochen, aus ihnen wird Schotter. Der wird dann hauptsächlich im Straßenbau eingesetzt.

Auf dem Friedhof gibt es auch Flächen für naturnahe Bestattungen. (Foto: Stadt Bingen)
Auf dem Friedhof gibt es auch Flächen für naturnahe Bestattungen.

Auch Familiengräber in Bingen werden aufgegeben

Vor kurzem hatte das Binger Friedhofsamt eine Liste mit Familiengrabstätten veröffentlicht. Auch für diese waren die Ruhezeiten abgelaufen. Die Familienangehörigen wollen diese Gräber meist nicht weiterführen. "Inzwischen werden in Bingen 80 Prozent der Verstorbenen in Urnen bestattet", sagt Thomas Dahn, technischer Leiter des Binger Friedhofsamts. Die Pflege großer Familiengräber sei vielen zu aufwendig, eine Bestattung in einer Urnenwand oder unter einem Ruhebaum sei einfacher und koste weniger.

"Die meisten Hinterbliebenen kümmern sich maximal fünf Jahre um die Gräber."

Die Kosten für das Abräumen von abgelaufenen Gräbern sind nicht die einzigen, die die Stadt Bingen zu tragen hat. Nach einer Beisetzung gehe es häufig sehr schnell, bis sich niemand mehr um die Pflege des Grabes kümmere, sagt Praß. Die Leute kämen in den meisten Fällen maximal fünf Jahre zum Grab - wenn überhaupt.

Wenn die Hinterbliebenen keine Gärtnerei mit der Pflege beauftragt haben, springt dann ebenfalls die Stadt Bingen ein und mäht beispielsweise mal das Gras.  

Verschiedene Grabanlagen sind aufwendig zu restaurieren (Foto: Stadt Bingen)
Familiengräber auf Friedhöfen in Bingen können weitergegeben werden.

Alte Familiengräber werden an neue Interessenten weitergegeben

Bingen-Stadt heißt der älteste Friedhof, auf dem auch heute noch Bestattungen stattfinden. Er wurde vor 110 Jahren gegründet. Auf ihm gibt es noch zahlreiche aufwändige Familiengräber und Grabstätten, die das Friedhofsamt aus historischen Gründen erhält. Die meisten davon befänden sich nicht mehr in Familienbesitz, sagt Marieluise Praß.

Weil sie aber einen geschichtlichen Wert darstellten, würden sie gepflegt. Diese Grabstätten könnten von anderen Interessenten übernommen werden. In ein paar Fällen sei das auch bereits passiert. Die neuen Besitzer kümmerten sich dann um das Grab, könnten dort Angehörige bestatten und auch Namen auf alte bestehende Grabsteine gravieren lassen.

10.000 Grabstätten gibt es auf Friedhöfen in Bingen

Ein Platzproblem gibt es auf den Binger Friedhöfen nicht. 10.000 Grabstätten gibt es derzeit insgesamt, eine Hälfte ist mit Särgen, die andere mit Urnen belegt. Ein Grab hält das Friedhofsamt dabei in ganz besonderen Ehren. Dort wurde vor über 110 Jahren Luzia Wagner bestattet. Auf ihrem Grabstein steht: Luzia Wagner ist die erste Bewohnerin dieses Friedhofes.

Mehr zu Friedhöfen und Bestattungen

Mainz

Urteil am Verwaltungsgericht Mainz Mann muss Bestattung von unbekanntem Halbbruder aus Rheinhessen bezahlen

Ein Mann aus Hessen muss für die Bestattung seines unbekannten Halbbruders aus Rheinhessen aufkommen. Das hat das Mainzer Verwaltungsgericht entschieden.

Am Tag SWR4 Rheinland-Pfalz

Mainz

Arbeiten an Grabsteinen Jüdischer Friedhof Mainz: Das Weltkulturerbe wird restauriert

Restauratoren haben auf dem jüdischen Friedhof in Mainz damit begonnen, Grabsteine zu bearbeiten. Das Unesco-Weltkulturerbe soll so dauerhaft erhalten und für Besucher zugänglich gemacht werden.

Am Nachmittag SWR4 Rheinland-Pfalz

Friedhöfe im Wandel der Zeit Historische Friedhöfe: Als Père Lachaise in Mainz sein Vorbild fand

Über die Jahrhunderte hat sich der Umgang mit Friedhöfen gewandelt und reflektiert damit die Entwicklungen der Gesellschaft. Um der überfüllten Massengräber Herr zu werden, sucht Paris um das Jahr 1800 nach neuen Lösungen. Der Mainzer Hauptfriedhof wird dabei zum Vorbild für den Père Lachaise – einen der berühmtesten Friedhöfe der Welt.

Stand
AUTOR/IN
Markus Volland