Die Mainzer Giftnotrufzentrale kämpft ums Überleben.  (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Martin Schutt)

10.000 Anrufe konnten nicht angenommen werden

Hilfe nicht immer möglich - Personalmangel im Giftinformationszentrum in Mainz

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Damaris Diener

Das Giftinformationszentrum mit Sitz in Mainz ist seit einigen Jahren chronisch überlastet. Im vergangenen Jahr konnten knapp 10.000 Anrufe von Hilfesuchenden nicht angenommen werden. Denn es gibt einfach zu wenig Personal.

Im Giftinformationszentrum in Mainz (GIZ) rufen verzweifelte Eltern an, deren Kleinkind in einem unbeobachteten Moment Putzmittel getrunken hat. Oder Menschen, die Pilze gegessen haben und dann Angst haben, dass diese giftig waren. Die Fachleute im GIZ beraten Hilfesuchende in solchen Fällen am Telefon. Auch als eine Mainzer Studentin einen Giftanschlag auf die Technische Uni in Darmstadt verübte, standen die Telefone in Mainz tagelang nicht still.

Knapp 10.000 Anrufe im GIZ konnten nicht angenommen werden

Weil es aber viel zu wenig Personal gebe, könnten viele der etwa 50.000 Anrufe im Jahr gar nicht entgegengenommen werden, so der Leiter des GIZ, Dr. Andreas Stürer. Im vergangenen Jahr, also 2021, waren das knapp 10.000. 2022 werden es mehr als 13.000 sein. Das sei zum einen für die Anruferinnen und Anrufer schlimm, denn diese seien vielleicht in einer Notlage und hofften auf schnelle Hilfe. Zum anderen sei es auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im GIZ sehr unbefriedigend, einem erheblichen Teil der Hilfesuchenden nicht gerecht werden zu können. Zwei Kolleginnen hätten unter anderem deshalb gekündigt.

"Die Mitarbeitenden im GIZ stehen durch die extrem gestiegenen Anrufe unter enormem Druck. "

Wenn niemand im GIZ ans Telefon gehe, sei es nur logisch, dass besorgte Menschen im Zweifelsfall den Rettungswagen alarmierten, sagt Stürer. Im Schnitt betrage die Wartezeit 1,5 Minuten, aber jeder fünfte Anrufer müsse mehr als drei Minuten warten und das ist für die oftmals sehr besorgten Eltern extrem lang. Dabei könnte das GIZ oft Entwarnung geben, einen Notarzt zu rufen sei dann gar nicht notwendig. "Wäre das GIZ personell besser ausgestattet, könnten sicher unnötige Rettungseinsätze verhindert werden", da ist sich Stürer sicher.

Erfahrung und Fachwissen

Zudem arbeiteten im GIZ Personen, die sich extrem gut mit Vergiftungen auskennen und jahrelange Erfahrungen hätten. Dieses Expertenwissen hätten viele Ärztinnen und Ärzte in Krankenhäusern nicht. "Bei über 80 Prozent der kindlichen Vergiftungen, die bei uns im GIZ gemeldet werden, ist nicht mir einer ernsthaften Vergiftung zu rechnen", sagt Stürer.

Anruferzahlen steigen Jahr für Jahr

Die Anruferzahlen sind in den letzten Jahren immer weiter angestiegen. Im vergangenen Jahr waren es mehr als 51.000. Stürer erklärt sich das unter anderem durch die größere Bekanntheit des Giftinformationszentrums in der Bevölkerung. Der Bedarf nach Beratungen ist offensichtlich da. Das würden auch Fragebögen zeigen. Diese belegten, dass die Bürgerinnen und Bürgern die Beratung in der akuten Notsituation sehr zu schätzen wüssten, aber auch über zu lange Wartezeiten klagen würden, so Stürer. Dieses Problem sei auch bereits seit drei Jahren den zuständigen Bundesländern immer wieder mitgeteilt worden.

Länder Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland finanzieren GIZ

Finanziert wird das GIZ überwiegend durch die Länder Rheinland-Pfalz, Hessen und das Saarland. Nach Angaben der zuständigen Ministerien in Hessen und Rheinland-Pfalz erhält das Giftinformationszentrum in Mainz jährlich mehr als eine Million Euro von den beiden Bundesländern. Vom Saarland gibt es auch noch mal einen kleineren Teil.

Länder sehen keinen Handlungsbedarf

Das Giftinformationszentrum in Mainz stehe zwar vor Herausforderungen, zum Beispiel wegen erhöhter Anruferzahlen, Schwierigkeiten bei der Nachbesetzung offener Stellen und höherer Krankenstände, heißt es in einer gemeinsamen Antwort der hessischen und rheinland-pfälzischen Ministerien auf SWR-Anfrage. Die Finanzierung werde derzeit aber grundsätzlich als ausreichend erachtet.

Die Giftnotruf-Zentrale in Mainz braucht dringend mehr finanzielle Unterstützung.  (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Patrick Seeger)
Das Giftinformationzentrum kann in vielen Fällen bereits am Telefon Entwarnung geben.

Stürer fordert mehr Stellen im Giftinformationszentrum

Das Geld der Länder reiche nicht aus, sagt hingegen Stürer. Und auch die Kommission des Bundesinstituts für Risikobewertung schlägt in einer Stellungnahme Alarm. Die Kommission spricht darin in allen sieben Giftinformationszentren in Deutschland von einem Notstand, einer dauerhaften Überlastung und fordert eine deutliche Verbesserung der personellen Ausstattung.

Für das Mainzer Giftinformationszentrum braucht es laut Stürer drei zusätzliche Stellen, um die Arbeit ordentlich zu machen und die Mitarbeiteinnen und Mitarbeiter nicht dauerhaft zu überlasten. Aktuell gebe es sieben Stellen für den Beratungsdienst. Es müsse dringend etwas passieren. Der aktuelle Zustand im GIZ sei nicht hinnehmbar.

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