Der Ärztliche Direktor des Klinikums Ludwigshafen Prof. Günter Layer (Foto: Klinikum Ludwigshafen)

Steigende Corona-Zahlen

Klinikum Ludwigshafen: Professor Layer blickt besorgt auf Winter

Stand
INTERVIEW
Birgit Baltes

Die neue Corona-Welle ist da, auch in der Pfalz. Wie sich die steigenden Infektionszahlen aktuell im Klinikum Ludwigshafen auswirken und womit wir noch rechnen müssen, beantwortet Klinikumsdirektor Günter Layer.

SWR Aktuell: Die Zahl der gemeldeten Corona-Infektionen steigt wieder deutlich, auch in der Pfalz: Kommt das bereits im Klinikum Ludwigshafen an?

Professor Günter Layer: Die Patientenzahlen sind noch relativ konstant mit einer Seitwärtsbewegung. Wir haben in den vergangenen Wochen die ganze Zeit so um die 30 aktiven Infektionspatienten im Haus gehabt und haben das auch weiterhin. Wir sind ja sehr gut über die Landesregierung, über das Gesundheitsministerium vernetzt mit den anderen Regionen. Bei den anderen steigen die Zahlen deutlich. Hier in der Region ist das bei den Patienten noch nicht angekommen. Anders ist aber die Situation bei den Mitarbeitern: Bei denen sehen wir wieder deutlich mehr Infektionen, als das vor ungefähr vier Wochen der Fall war. Da waren wir fast auf Null runter.

SWR Aktuell: Und wie sieht es jetzt aus?

Layer: Nun haben sich die Zahlen in den letzten vier Wochen verfünffacht. Das ist schon ein Wort - auch wenn die Corona-Zahlen immer noch unter den Höchstzahlen des Frühjahrs liegen. Aber wenn wir berücksichtigen, dass wir jetzt gerade mal am Eingang zum Herbst stehen, dann ist zu befürchten, dass wir in einigen Wochen die Zahlen des Frühjahrs wieder erreicht haben.

SWR Aktuell: Es heißt, der Krankenstand beim Personal ist allgemein sehr hoch? 

Layer: Ich kann Ihnen da zwar keine Absolutzahl liefern, aber allgemein wird hier gesprochen von ungefähr einer Verdoppelung des Krankenstandes gegenüber den Vorjahren. Und das ist natürlich schon sehr viel. Sie wissen, dass die Krankenhäuser nicht gerade gesegnet sind mit zu viel Personal. Und wenn dann die Kranken mehr als doppelt so viele sind wie sonst, dann ist die Situation für die, die verbleiben, unter den zunehmend harten Arbeitsbedingungen nicht sehr gut. 

Gebäude des Städtischen Klinikums Ludwigshafen mit Kunstwerk "Ring des Seyns" . (Foto: SWR, Foto: Panja Schollbach)
Am Klinikum Ludwigshafen war die Peresonallage auch im Sommer schon schwierig.

SWR Aktuell: Ich habe gehört, dass sie aktuell besonders Probleme in der Urologie haben. Können Sie dazu etwas sagen? 

Layer: Es ist einfach so, dass die Urologie tatsächlich im Moment ein paar Versorgungsprobleme hat, weil sehr viele Kolleginnen und Kollegen in Quarantäne sind. Das liegt daran, dass letzte Woche der Jahreskongress der Urologen mit 5.000 Teilnehmern in Hamburg war. Und das gleiche Phänomen wie beim Oktoberfest in München haben Sie natürlich auch bei wissenschaftlichen Kongressen. Das sind alles Spreader-Ereignisse. Wir reagieren jetzt darauf, dass wir die Teilnahme an Präsenz-Kongressen für den Herbst und Winter wieder einschränken. Und wir bitten die Kollegen, davon Abstand zu nehmen, weil wir sehen, dass das ein erhebliches Gefahrenpotenzial birgt. 

SWR Aktuell: Es ist ja auch noch von einer neuen Variante BA 275 die Rede. Muss man damit rechnen, dass da was kommt, was noch infektiöser ist? 

 Layer: Ja, mit Sicherheit muss man damit rechnen! Wobei diese Variante bei uns im Moment nicht systematisch getestet wird. Das ist ja noch eher wissenschaftliche Arbeit. Im Moment ist die BA4/ BA5-Variante weit dominant, mit deutlich über 90 Prozent im Krankenstand. Dass die nächste Variante kommen wird, ist eigentlich nach dem Verlauf der letzten zwei, drei Jahre so sicher wie das Amen in der Kirche. Die sind meistens infektiöser, die nächste als die vorhergehende. Sonst könnte sie sich ja nicht durchsetzen. Ob die dann auch mehr krankmachend ist, das ist ja der entscheidende Faktor. Das weiß kein Mensch.

SWR Aktuell: Also, Sie sagen die Krankheitsverläufe sind milder, aber es fällt deutlich mehr Personal aus. Können Sie da überhaupt den Regelbetrieb überall aufrechterhalten oder müssen Sie Stationen schließen?  

Layer: Wir sind in der Lage, die Versorgung vollständig aufrechtzuerhalten. Man hat immer mal wieder punktuelle Probleme, so wie jetzt in der Urologie, wenn dann halt ein ganzer Schwung von Kollegen ausfällt. Eine Woche später ist es dann wieder soweit okay, weil die meisten ja nach einer Woche zurückkehren können. Und wir haben natürlich hier bei uns im Haus das Problem, dass wir durch die Sicherheitsmaßnahmen generell eingeschränkt sind in unserer Kapazität. Wenn man das alles zusammenfasst, dann haben wir letztendlich 150 Betten weniger zur Verfügung, als vor der Corona-Pandemie. Und das ist ein systemisches Thema, was natürlich den Häusern auch einen riesigen wirtschaftlichen Schaden zufügt. Das heißt nicht, dass es auch weniger Arbeit ist - leider Gottes - weil die Patienten ja sehr viel aufwändiger in der Versorgung sind.

SWR Aktuell: Das heißt, dass sie aktuell einfach nicht so viele Patienten aufnehmen können, wie vor Corona? 

Layer: Korrekt. Wir haben eine Differenz von ungefähr knapp zehn Prozent an Patienten gegenüber 2019. Das ist zum einen darauf zurückzuführen, dass wir einfach nicht können, weil es die Kapazität nicht gibt. Zum anderen ist es leider auch so, dass einige Patienten nicht mehr gerne ins Krankenhaus kommen wollen. Da ist ein Shift seit zwei, drei Jahren zu schwereren Erkrankungen, weil die Patienten zu spät kommen. Also die schweren Herzinfarkte haben zugenommen, zugunsten der leichten Herzinfarkte, weil die Leute zu spät kommen. Die schwerwiegenderen onkologischen Krankheitsstadien (fortgeschrittenen Krebserkrankungen) haben zugenommen. Patienten, die in einem nicht mehr operablen Zustand kommen.

Auf einer Intensivtherapiestation in einem Klinikum steht eine Mitarbeiterin am Bett einer Patientin (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Waltraud Grubitzsch)
Die Krankenhäuser und Intensivstationen können wegen fehlendem Personal weniger Leute aufnehmen.

SWR Aktuell: Sie haben vorhin diesen Ärztekongress erwähnt als Spreader-Ereignis. Wir hatten den Wurstmarkt und viele Weinfeste - nirgends muss mehr Maske getragen werden, auch nicht in Restaurants, Innenräumen. Was sagen Sie dazu? Ist das vernünftig?  

Layer: Also ich bin ja ein bekennender Fan der Maske. Ich bin der festen Überzeugung, dass das sehr hilfreich ist und keine wesentliche Einschränkung bedeutet. Ich kann nur jedem raten, wenn immer er in Gesellschaft sich befindet und das machbar ist, sollte er Maske tragen.

SWR Aktuell: Rechnen sie jetzt nochmal mit einer so dramatischen Situation oder sagen Sie, jetzt haben wir das hinter uns? 

Layer: Vermutlich haben wir es hinter uns. Aber wir wissen es eben nicht genau, weil dieses Virus weiter mutieren wird. Wir wissen nicht, wie es mutieren wird. Und wenn man viel Pech hat, dann wird wieder eine viel krankmachendere Variante dabei auftauchen. Und wenn man ehrlich ist, haben wir therapeutisch nicht so wahnsinnig viel dazugelernt. Also wir haben die Impfung als einen Schutzmechanismus. Wir haben einige wenige unterstützende Medikamente. Aber die wesentliche Erkenntnis ist eigentlich, dass wir gar nicht viel in der Hand haben, dass die meisten Dinge, die wir in der Therapie versucht haben, gar nicht so sehr viel geholfen haben. Und das gibt eine gewisse Restunsicherheit, über die keiner hinweg sehen kann. Also insofern: vorsichtiger Optimismus will ich mal sagen, dass das Ganze wie das Grippevirus zu einem normalen Ereignis werden wird. Aber ja, völlig über den Berg, glaube ich, sind wir noch nicht und so eine richtige Sicherheit hat keiner. Wir sind alle noch sehr verunsichert. 

Prof. Layer berät sich mit Mitarbeitern im Klinikum Ludwigshafen (Foto: SWR)
Prof. Layer sieht die Lage vorsichtig optimistisch, dass das Coronavirus wie die Grippe irgendwann normaler wird.

SWR-Aktuell: Wenn sie jetzt am Wunschrad drehen könnten. Was würde dem Klinikum Ludwigshafen helfen, gut vorbereitet zu sein und auch gut durch einen harten Corona-Winter zu kommen? 

Layer: Der Personalmangel ist tatsächlich das einzige wirkliche Problem. Wir haben natürlich auch beim Personal eine gewisse Frustration in den vergangenen Monaten gehabt. Da würde ich mir wünschen, dass wir die überwinden können, dass wir wieder zu der Solidarität zurückkehren, wie es 2020 der Fall war. Das bröckelt. Das kann man nicht bestreiten. Das zehrt an den Nerven der Mitarbeiter. Sie wissen, dass auch einige dem Beruf ganz den Rücken gekehrt haben. Das wäre natürlich der dringlichste Wunsch, dass man da wieder mehr Begeisterung für die ärztliche und pflegerische Tätigkeit entfachen kann. Dass wir da auch wieder die Kraft haben, in die nächsten Winter reinzugehen. Und das hängt in allererster Linie auch an der öffentlichen Unterstützung und an der politischen Unterstützung mit Personal und auch mit Geld. Wenn ich mir anschaue, wie locker über Milliarden gesprochen wird in ganz vielen Bereichen und wie wenig tatsächlich in Krankenhäusern und in der Medizin vergleichsweise ankommt – ich will das nicht kleinreden, dass da auch geholfen wurde - aber eigentlich hilft man dort immer nur in dem Maße, dass das vollkommene Umkippen des Systems verhindert wird. Eine wirkliche, nachhaltige Hilfe vermisse ich dort. Und das wäre natürlich der Wunsch, dass da eine nachhaltige Hilfe geschehen wird, um den Mitarbeitern auch wieder Zuversicht und Kraft zurückzugeben. 

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