Als der Angeklagte die letzten Worte im Gerichtsprozess spricht, herrscht absolute Stille im Saal. Mit gesenktem Blick entschuldigt sich der 29-jährige Unfallfahrer noch einmal bei den Angehörigen: "Mir tuts von Herzen weh", sagt der junge Mann am Donnerstag und beteuert: "Ich bin kein Raser und kein schlechter Mensch."
Die Staatsanwaltschaft forderte für den Angeklagten am Donnerstag viereinhalb Jahre Haft - wegen eines Einzelrennens mit Todesfolge, fahrlässiger Tötung in drei Fällen sowie Straßenverkehrsgefährdung. Die Schuld des Unfallfahrers wiege so schwer, so Staatsanwalt Wolfgang Seifert, dass eine Bewährungsstrafe ausgeschlossen ist. Außerdem forderte die Anklage ein Fahrverbot von fünf Jahren für den Angeklagten. Am Freitag will das Gericht das Urteil sprechen.
Staatsanwalt: Angeklagter war auf "Nervenkitzel" aus
Der junge Mann hat vor zwei Jahren einen schweren Verkehrsunfall bei Weisenheim am Berg (Kreis Bad Dürkheim) verursacht: Mit seinem Jaguar war er offenbar mit hoher Geschwindigkeit auf ein entgegenkommendes Auto geprallt - Fahrerin, Beifahrerin und ein 15 Monate alter Junge starben in dem Wagen. Ein vier Wochen altes Baby überlebte.
"Fahrspass und Nervenkitzel" - das habe der Angeklagte an diesem Tag gewollt, sagte der Staatsanwalt im Plädoyer. Er sei kurz vor dem Aufprall mit 130 km/h in die Kurve gefahren und dabei auf die Gegenfahrbahn geraten. Für die Angehörigen seien die Opfer durch den Unfall "einfach weg" gewesen.
Verteidiger: Angeklagter nach Unfall traumatisiert
Der Verteidiger des Angeklagten hingegen will maximal eine Bewährungsstrafe für den jungen Mann - das heißt, nicht mehr als eine Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren. Der Anwalt betonte, der Angeklagte sei nach dem Unfall traumatisiert gewesen. Außerdem kritisierte er die Medien. Dort habe es teilweise eine Vorverurteilung des 29-Jährigen gegeben. Die Berichte seien tendenziös gewesen, und auch die Vernehmungen der Ermittler: Dort sei das Bild eines Raser vom Angeklagten in der Akte gezeichnet worden. Jetzt versuche die Staatsanwaltschaft am Beispiel seines Mandanten, ein Exempel zu statuieren. Es gebe keinerlei Beweise für ein Einzelrennen, das der Angeklagte vor dem Unfall gefahren sein soll.
Lebensgefährte von getöteter Fahrerin: Durch tödlichen Unfall in "schwarzes Loch gerissen"
Auch der Lebensgefährte der tödlich verunglückten Fahrerin, der auch seinen kleinen Sohn bei dem Unfall verlor, äußerte sich am letzten Prozesstag. "Wir waren eine kleine glückliche Familie bis zum Unfall am 19. September 2020", so Steffen Kirchner in seiner Erklärung. "Danach sind wir in ein tiefes schwarzes Loch gerissen worden." An den Angeklagten gerichtet, sagte er: "Ich hoffe, dass Sie bis zum Ende Ihres Lebens die Schreie hören."
Der Anwalt, der die Familie der getöteten Beifahrerin vertritt, sagte, für die Hinterbliebenen bleibe auch nach dem Prozess vieles im Dunkeln. Der Angeklagte habe sein Motiv verschleiert und nur ein Teilgeständnis abgelegt.
Gutachter sagen zum Unfall aus
Zwei Gutachter hatten am Vormittag Rede und Antwort am Landgericht Frankenthal gestanden, um die Frage zu beantworten, wie schnell der Angeklagte am 19. September 2020 auf der Kreisstraße zwischen Weisenheim am Berg und Kirchheim (Kreis Bad Dürkheim) unterwegs war.
Genau 3 Minuten und 27 Sekunden - so viel Zeit lag zwischen dem Anlassen des Autos und dem schweren Unfall, sagten die Gutachter Hubert Mrugalla und Peter Stolle. Beide gehen davon aus, dass der Unfallfahrer, der wegen fahrlässiger Tötung angeklagt ist, kurz vor dem Crash Vollgas gegeben hat. Vor dem Aufprall auf das andere Auto habe der Angeklagte wohl nur leicht gebremst, so "wie man auf eine rote Ampel zufährt."
Kurz vor dem Crash: Unfallfahrer mit 150 Km/h gefahren
Die Geschwindigkeit beim Aufprall wurde anhand der zerbeulten Autos und der Airbag-Steuergeräte berechnet. Drei Sekunden vor dem Aufprall fuhr der Jaguar 150 km/h, so die Gutachter, der Mitsubishi 64 km/h. Die Daten des Jaguars wurden von Bosch-Mitarbeitern in Ungarn ausgelesen. Hubschrauber und Drohnen machten Fotos von der Unfallstelle.
Gutachter: Unfallopfer hatten keine Chance
"Beim Aufprall ist die Masse entscheidend", sage Gutachter Peter Stolle. Der Jaguar des Angeklagten wog zwei Tonnen, der Mitsubishi, in dem die Unfallopfer saßen, eine Tonne. "Deswegen kann man aus einem Zwei-Tonnen-Auto noch aussteigen - aus einem Auto, das eine Tonne wiegt, nicht mehr." Auf die Daten des technischen Gutachtens stützt sich die Anklage, die dem Fahrer fahrlässige Tötung und ein verbotenes Autorennen vorwirft. Alle Anwälte lieferten sich lebhafte Diskussion mit den Gutachtern. Gezeigt wurde auch eine Simulation des Unfalls.
Der Angeklagte hatte zum Prozessauftakt gesagt, er sei ein entspannter und geduldiger Autofahrer. An dem Unfalltag sei er nicht gerast: "Ich habe nicht empfunden, dass ich übermäßig schnell war." Dieses Aussage wird von seinem Beifahrer gestützt.