Lange Wartezeiten und weite Wege
Viele Bürger haben in Freckenfeld keinen Hausarzt mehr, denn die Praxen in den Nachbarorten haben Aufnahmestopps verhängt. Diejenigen, die dort einen Termin ergattern, müssen weite Wege und lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Freckenfeld ist kein Einzelfall: Überall in der Südpfalz schließen Hausarztpraxen - mit gravierenden Folgen für die Bürger.
"Die Situation spitzt sich zu"
35 Jahre lang hat Paula Anslinger regelmäßig die Hausarztpraxis von Doktor Günther Hay in Freckenfeld besucht. "Das war super bequem. Da konnte ich immer schnell mit dem Fahrrad hin“, sagt die 81-jährige Rentnerin. Jetzt muss ihr Mann sie mit dem Auto in den Nachbarort zum Arzt fahren. "Dass Dr. Hay aufgehört hat, war ein schwerer Schlag für das Dorf.“ Das bestätigt Freckenfelds Ortsbürgermeister Martin Thürwächter (CDU): "Die Situation spitzt sich zu.“
Erschwerte Suche nach einem Arzt
Denn viele von Dr. Hays ehemaligen Patienten haben keinen neuen Arzt gefunden. Zum Beispiel Sabrina Elias: "Wenn ich mal krank bin, versuche ich mich mit Hausmitteln zu kurieren“, berichtet die 38-Jährige.
Sie versorgt sich, wenn sie krank ist, mit Medikamenten aus der Apotheke und versucht sich damit über Wasser zu halten. Sie ärgert sich enorm: „Unser Gesundheitssystem stimmt in dieser Hinsicht nicht mehr“, kritisiert die 38-jährige die Hausarztmisere. "Man müsste vieles ändern, damit der Beruf wieder attraktiver wird und es wieder mehr Hausärzte gibt."
Verbliebene Arztpraxen sind völlig überlastet
Renate Hanß hatte Glück und wurde in einer Praxis in einem Nachbarort aufgenommen. Doch die ist völlig überlastet.
"Man kommt am Telefon überhaupt nicht durch. Entweder hängt man über 20 Minuten in der Warteschleife oder der Anruf wird weggedrückt.“
Als Renate Hanß neulich stark erkältet und eines ihrer Augen völlig vereitert war, rief ihr Mann Alois in der Praxis an. Nach 21 Minuten in der Warteschleife kam er durch. Doch die Arzthelferin sagte, man könne seine Frau nicht annehmen, er solle sich an den Notarzt wenden. "Das ist doch idiotisch, bei einer Erkältung den Notarzt anzurufen“, kritisiert der 72-Jährige. Alois Hanß rief deshalb in der geschlossenen Freckenfelder Praxis an. Dr. Günther Hay reagierte sofort und schaute bei der kranken Renate Hanß vorbei.
"Es kommt großer Frust auf, wenn man sowas erlebt. Das war eine ganz schlimme Erfahrung.“
Extreme Situation in Kandel
Noch gravierender ist die Situation in Kandel, wo zwei Hausarztpraxen zugemacht haben. Alois Hanß betreut für die "Bürgergemeinschaft Kandel“ ehrenamtlich mehrere allein lebende Senioren. Weil die verbliebenen Kandeler Mediziner völlig überlastet sind und deshalb keine Hausbesuche mehr machen, hat Hanß bei acht Senioren Haus-Notrufsysteme installiert. Die Rentner können darüber das Deutsche Rote Kreuz alarmieren, das dann notfalls die Erkrankten in eine Klinik transportiert. Finanziell sei das ein Wahnsinn, findet der 72-Jährige.
„Südpfalz-Docs“ wollen Nachwuchsärzte anlocken
Das meint auch Dr. Jonas Hofmann-Eifler aus Kandel, der die Ärzteinitiative "Südpfalzdocs“ gegründet hat. Diese Organisation will junge Mediziner in die Region locken.
"Wir möchten zeigen, wie erfüllend und schön der Hausarzt-Beruf ist, vor allem bei uns in der Südpfalz. Einer Region, in der sich super arbeiten und leben lässt - zwischen Wein und Rhein.“
Dr. Jonas Hofmann-Eifler und seine mittlerweile 110 Mitstreiter bei den „Südpfalzdocs“ befürchten, dass sich die Situation für die Patienten verschlimmern wird: "Über 40 Prozent der Hausärzte in der Südpfalz sind mittlerweile 60 Jahre und älter“, sagt der 38-Jährige. "Weitere Hausarzt-Praxen stehen vor dem Aus.“