"Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er die Wahrheit spricht". Das sagte schon der griechische Dichter Äsop vor hunderten Jahren; der Strafverteidiger Manfred Zipper nahm dieses Zitat in seinem Plädoyer auf, in dem er, wie die Staatsanwaltschaft, zwei Jahre Gefängnis zur Bewährung für seine Mandantin am Landgericht Frankenthal forderte.
Mehrere Lügen der Angeklagten
Dass es im Prozess der 42-jährigen Mutter, die ihr Baby mit Morphium vergiftet haben soll, nicht nur eine Lüge, sondern gleich mehrere gab, verdeutlichten der Verteidiger, die Staatsanwaltschaft und ein vom Gericht einberufener Psychiater gleich mehrfach:
Die Mutter täuschte jahrelang eine Krebskrankheit vor. Sie verschwieg einem Schmerztherapeuten, der ihr Opioide verschrieb, eine Schwangerschaft. Und sie täuschte das Gericht, indem sie vorgab, ihre Tochter habe das Morphium versehentlich über eine ausgelaufene Flasche oder durch das Nuckeln an Schmerzpflastern der Mutter aufgenommen.
Vom versuchten Totschlag zu gefährlicher Körperverletzung
Der Vorwurf an die 42-jährige Mutter am Anfang des Prozesses wog schwer: Die Staatsanwaltschaft warf ihr zunächst versuchten Totschlag vor. Die angeklagte Mutter soll ihr ihr Baby vor sechs Jahren mit Morphium vergiftet haben. Das Baby erlitt durch die Vergiftung lebensgefährliche Krampfanfälle und mehrere Atemstillstände, konnte aber in letzter Minute im Krankenhaus gerettet werden.

Nach Rechtsgespräch: Mutter gestand
Nach einem Rechtsgespräch zwischen Anklage, Verteidigung und Gericht gab es eine juristische Verständigung, die das Verfahren abkürzen soll. Der Vorwurf des versuchten Totschlags wurde fallengelassen. Die 42-Jährige aus dem Rhein-Pfalz-Kreis wird wohl nur noch wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt.
Im Gegenzug gestand die Mutter ihre Tat. Sie sei mit der Situation überfordert gewesen und habe deshalb ihre Tochter vergiftet, soll ihr Verteidiger im Geständnis gesagt haben. Mit der Vergiftung wollte sie die Entlassung aus dem Krankenhaus herauszögern.
Psychiater: "Münchhausen-by-proxy-Syndrom" als Grund für die Lügen
Warum also die ganzen Lügen? Am letzten Prozesstag stellte der vom Gericht beauftragte Psychiater sein Gutachten vor: Er bescheinigte der Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung. Ihr Handeln erklärte er mit dem "Münchhausen-by-proxy-Syndrom". Die 42-jährige Mutter sei seiner Meinung nach eine chronische Lügnerin.
Plädoyers: Angeklagte sei "empathielos"
In ihrem Plädoyer im Anschluss warf die Oberstaatsanwältin der Angeklagten fehlende Empathie vor: "Es hat mich persönlich betroffen, wie verantwortungslos sie war", sagte die Staatsanwältin. "So etwas ihrem eigenen Kind anzutun, ist für mich unvorstellbar".
In der hintersten Reihe des Gerichtssaals schniefte der Ehemann der Angeklagten, mit dem sie die junge Tochter bekommen hatte. Es ist ihr neuntes Kind, sieben Kinder hatte sie zuvor mit ihrem Ex-Ehemann bekommen, der auch als Zeuge im Gericht aussagte.

Staatsanwaltschaft wie Verteidigung sprachen von einem außergewöhnlichen Fall, der mehr als sechs Jahre zurückliegt. Der Verteidiger verdeutlichte in seinem Plädoyer: "Natürlich wollte meine Angeklagte nicht, dass ihr Kind stirbt". Er hoffe darauf, dass sie aus der ganzen Sache lerne, und diese Erfahrung für sie "ein Exit ist". Ein Ende des Lügens.
Verteidiger und Staatsanwältin forderten zwei Jahre Haft auf Bewährung. Das Urteil verkündet die Richterin am Donnerstag.