Eine Frau geht alleine spazieren (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Sina Schuldt)

Pfalzklinikum Klingenmünster: Immer mehr Fälle in der Pfalz

So erkennen Sie, ob Sie eine Angststörung haben

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Helen Roth
Porträt von SWR Redakteurin Helen Roth (Foto: SWR)

Corona, Krieg, Inflation: Es gibt gerade einiges, was Menschen Angst macht. Problematisch wird es, wenn sich die Angst zu einer Angststörung entwickelt. Was das ist und was man dagegen tun kann, weiß Sylvia Claus, Chefärztin im Pfalzklinikum in Klingenmünster.

SWR Aktuell: Haben die Angsterkrankungen mit dem Krieg in der Ukraine und den damit einhergehenden Krisen zugenommen?

Dr. Sylvia Claus: Im Bezug auf die Corona-Pandemie haben wir schon verlässliche Zahlen, dass deutschlandweit mehr Patientinnen und Patienten an einer Angststörung leiden. Im Hinblick auf die aktuellen Krisen ist es noch zu früh, eine klare Aussage diesbezüglich zu treffen. Es zeichnet sich aber ein Trend auch am Pfalzklinikum ab. Verlässlich können wir sagen, dass im Jahr 2021 Angststörungen leicht zugenommen haben, insbesondere in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Zudem sind häufiger Frauen als Männer von Angststörungen betroffen.

Klassischer Weise werden Menschen, die an einer Angststörung leiden, aber nicht in der Klinik, sondern ambulant behandelt. Nur in besonders schweren Einzelfällen, bei denen die betroffenen Menschen ihren Alltag durch die Ängste überhaupt nicht mehr bewältigen können, raten wir zu einem Aufenthalt in der Klinik.

SWR Aktuell: Welche Formen von Angststörungen gibt es und mit welchen Symptomen gehen sie häufig einher?

Claus: Es gibt Ängste, die sind rein auf Sachen oder Situationen bezogen, zum Beispiel Spinnen- oder Platzangst. Das ist die häufigste Form von Ängsten. Dann gibt es die sogenannten Panikstörungen. Das sind Ängste, die aus heiterem Himmel kommen. Diese gehen häufig mit vielen körperlichen Symptomen einher, wie Schwitzen und Schwindel. Zudem erleben Betroffene starke Ohnmachtsgefühle.

"Schließlich gibt es noch die sogenannte generalisierte Angststörung. Menschen, die darunter leiden, machen sich quasi um alles und jeden Sorgen. Dies kann zum Beispiel auf Menschen zutreffen, die sich viele Sorgen wegen des Ukraine-Kriegs und der Auswirkungen machen."

Dann gibt es Ängste vor sozialen Situationen, zum Beispiel Schulangst oder Unwohlsein in Menschengruppen. Gerade während der Pandemie hat diese Angstform zugenommen, weil Menschen sich vor Infektionen übermäßig fürchteten. Schließlich gibt es noch die sogenannte generalisierte Angststörung. Menschen, die darunter leiden, machen sich quasi um alles und jeden Sorgen. Sie grübeln viel, was die Zukunft bringt, leiden häufig unter Anspannung, Schlafstörungen und Kopfschmerzen. Diese Form der Angststörung kann zum Beispiel auf Menschen zutreffen, die sich viele Sorgen wegen des Ukraine-Kriegs und der Auswirkungen machen.

SWR Aktuell: Ab wann spricht man von einer Angststörung, die auch behandelt werden muss?

Claus: Eine Angststörung liegt vor, wenn die Ängste den Alltag so stark beeinträchtigen, dass eine Teilhabe am Arbeits- oder an der Familienleben nicht mehr möglich ist. In ganz schlimmen Fällen schaffen Betroffene es auch nicht mehr, sich selbst zu versorgen, weil sie zum Beispiel zu große Angst haben, das Haus zu verlassen. Sie leiden stark unter Gefühlen wie Hilflosigkeit und Ohnmacht. In akuten Angstsituationen haben sie häufig körperlich mit starkem Schwitzen, Herzrasen, Druck auf der Brust und schneller Atmung zu kämpfen.

Der Eingang zur Psychiatrischen Klinik Klingenmünster (Foto: SWR)
Das Pfalzklinikum in Klingenmünster: Angststörungen werden meist ambulant behandelt

Wichtig ist mir aber zu sagen, dass Angst erst mal eine ganz normale Reaktion des Menschen ist. Sie ist lebensrettend, ein Hinweis darauf, dass ich aufmerksam sein muss und vorsichtig sein sollte. Und sie ist ein ganz wichtiges Gefühl, was uns ja steuert und uns hilft, gute und kluge Entscheidungen zu treffen. Von einer Angststörung sprechen wir erst, wenn Menschen ihre Angst als übermäßig und unkontrollierbar erleben und die Ängste den Handlungsspielraum immer mehr einschränken und subjektives Leiden erzeugen. Es ist wichtig, Ängste und Angststörungen nicht gleichzusetzen.

SWR Aktuell: Ist bei Anzeichen von ersten Symptomen gleich ein Gang zum Arzt nötig oder kann man vielleicht selbst etwas tun?

Claus: Als erstes muss man sich klar machen, dass Angst etwas ist, was mir hilft und nicht etwas ist, was auf jeden Fall ganz schnell weg muss. Es geht also darum, die Angst im Alltag auch zuzulassen und sich trotzdem die eigenen Handlungsspielräume zu erhalten. Das ist auch das Ziel jeder Therapie. Daneben sollte ich analysieren, in welchen Situationen die Angst auftaucht. Wann ist sie besonders stark und was hilft mir dagegen?

Nehmen wir als Beispiel das Schauen von Nachrichten. In einer Krisensituation wie jetzt kann das ständige Konsumieren von Informationen dazu führen, dass ich sehr viel Angst erlebe und immer mehr in einen Anspannungs- und Sorgenmodus komme. Um diese Anspannung zu lösen, ist es ratsam, nur zweimal am Tag Nachrichten zu hören, anstatt stündlich. Hierbei helfen auch Achtsamkeitstraining und Entspannungsübungen. Und es ist wichtig, sich selbst immer wieder Mut im Hinblick auf die Bewältigung der Ängste zuzusprechen und überzogene Erwartungen an sich selbst zu hinterfragen.

SWR Aktuell: Was sollte ich tun, wenn ich meine Angst nicht selbst in den Griff bekomme und welche Therapieformen gibt es?

Claus: Als erstes geht man zum Hausarzt, der verweist dann nach Ausschluss einer körperlichen Ursache an einen Therapeuten. Wie schon gesagt, werden Angststörungen in den meisten Fällen ambulant behandelt. Nur in seltenen Fällen von Panikattacken ist ein vorübergehender Aufenthalt in einer Klinik nötig. Falls sich nicht gleich ein Therapieplatz findet, gibt es auch mittlerweile einige Online-Angebote, die helfen können, die Zeit bis zur Therapie zu überbrücken.

Grundsätzlich empfehlen die Leitlinien bei Angststörungen als Mittel der Wahl die kognitive Verhaltenstherapie, die ein Krankheitsverständnis für die eigenen Ängste vermittelt, um sich zunehmend den eigenen Ängsten zu stellen. Durch das Durchbrechen des Teufelskreises der Angst können Ängste immer besser bewältigt werden, eigene Werte wieder Raum gewinnen und Lebensqualität wiedererlangt werden, denn es gilt: Ängste und Angststörungen sind sehr unangenehm, aber nicht lebensbedrohlich und die Heilungschancen sind sehr gut.

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