Ein Kreuz steht vor einer Regenbogen-Fahne.  (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)

LGBTQI-Beauftragte im Interview:

Lesbische Pfarrerinnen und schwule Pfarrer künftig im Bistum Speyer normal?

Stand
INTERVIEW
Biegit Baltes

Homosexualität war in der katholischen Kirche jahrhundertelang ein absolutes Tabu und galt als Sünde. Jetzt gibt es aber im Bistum Speyer gleich zwei Beauftragte für queere Menschen.

Bistum Speyer Beauftragte für queere Menschen (Foto: Pressestelle Bistum Speyer )
Monika Kreiner und Axel Ochsenreither sind seit 2018 Beauftragte für Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle (LSBTI) im Bistum Speyer.

Monika Kreiner ist Frauenseelsorgerin im Bistum Speyer und seit 2018 auch LSBTI--Beauftragte, zusammen mit dem Männerseelsorger Axel Ochsenreither. LSBTI-Beauftragte ist die deutsche Übersetzung für die englische Abkürzung LGBTQI und heißt, Kreiner ist Ansprechpartnerin für Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle - also verkürzt für alle Nicht-Heteros. Aber was macht eine solche Beauftragte in einer Kirche, die Homosexualität offiziell zur Sünde erklärt? SWR Aktuell dazu mit der 47-Jährigen Theologin im Interview.

Bistum Speyer Beauftragte für queere Menschen (Foto: Nadja Donauer)
Die katholische Theologin, Frauenseelsorgerin und LSBTI-Beauftragte Monika Kreiner.

SWR Aktuell: Was macht eine Beauftragte für queere Menschen im Bistum Speyer?

Monika Kreiner: Zunächst ist es so, dass wir sehr viel in Gruppen unterwegs sind. Denn es gibt einfach in den Pfarreien im Bistum Speyer Gruppen, die sich darüber austauschen wollen: Was ist denn jetzt eigentlich neu und was geschieht gerade in der katholischen Kirche mit diesen LSBTI-Themen? Wie können wir uns da neu drauf einstellen? Das ist zum Beispiel ein Schwerpunkt, also Veranstaltungen, in denen auch Fragen gestellt werden können. Auf der anderen Seite haben wir auch großes Interesse daran, uns mit jungen Menschen und Jugendlichen zu treffen und auszutauschen. Deswegen nehmen wir seit einigen Jahren an den Schülertagen des Bistums teil. Da bieten wir immer Workshops an, in denen es darum geht, über Fragen der Sexualität und der sexuellen Identität ins Gespräch zu kommen und diese Workshops sind dann immer ausgebucht.

SWR Aktuell: Wie ist denn der Zulauf bei der Beratung und mit welchen Fragen oder Problemen kommen die Menschen zu Ihnen?

Kreiner: In erster Linie wenden sich Menschen an uns, die auch ihre gewissen Schwierigkeiten haben. Die fragen:“Wieso gibt es jetzt diese neue Offenheit in der römisch katholischen Kirche, obwohl in der Bibel etwas anderes steht?“ Und dann erklären wir, dass Bibelstellen keine Steinbruchbrocken sind, die man einfach so rausnehmen kann aus dem Zusammenhang und dass man nicht auf alle Zeiten festlegen kann, was erlaubt ist und was nicht. Also zuallererst arbeiten wir tatsächlich an der Diskussion um mögliche Missverständnisse.

SWR Aktuell: Dann schauen wir doch direkt in die katholische Kirche: Wie geht die katholische Kirche aktuell mit Homosexuellen, Transsexuellen oder diversen Menschen um? Hat sich da was im Vergleich zu früher geändert?

Kreiner: Da ist in der Tat ein ganz großer Nachholbedarf. Zum Glück ist diese Thematik auf dem Synodalen Weg fest verankert. Da wird schwerpunktmäßig über das Thema Homosexualität gesprochen und da ist eben jetzt verabschiedet worden, dass Sexualität in der ganzen Vielfalt neu bewertet werden soll. Und dass auch der Aspekt des Schönen, Positiven, Bereichernden von treuen, verbindlichen Beziehungen dargelegt werden muss. Also wo Menschen miteinander das Leben teilen und dass es nicht mehr darum gehen darf, wer genau mit wem das Leben teilt. Da sind wir zum Glück auf einem sehr guten Weg, aber dieser Weg ist in der Tat recht neu und deswegen gibt es da noch sehr viel Gesprächsbedarf. Unsere Aufgabe ist es, innerhalb des Bistums diese Gespräche zu führen und anzuregen und - wie gesagt -, viele Missverständnisse auszuräumen.

SWR Aktuell: Können Sie sich denn vorstellen, dass es künftig offen lebende homosexuelle Pfarrerinnen und Pfarrer in ihrer Kirche geben wird oder transsexuelle?

Kreiner: Ja ich bin ganz sicher, dass es das geben wird. Die Initiative “Out in Church“, die im Januar von ganz beeindruckenden Kolleginnen und Kollegen gestartet wurde, hat ja gezeigt: Wir sind alle da in unserer sexuellen Vielfalt und der Vielfalt der Identität. Jetzt geht es eben darum, zu zeigen: Wir möchten mit unserer Vielfalt auch wertgeschätzt und anerkannt werden. Das ist einfach wie ein Dammbruch, der nicht mehr aufzuhalten ist. Da bin ich ganz sicher. Und das ist auch, was uns jüngere Generationen zeigen: Junge Menschen erleben Vielfalt nicht als Bedrohung und haben vielleicht auch nicht diesen Ordnungssinn, dass menschliches Leben in einer geordneten Schublade versteckt sein muss.

"Das ist einfach wie ein Dammbruch, der nicht mehr aufzuhalten ist. Da bin ich ganz sicher".

SWR Aktuell: Es gibt ja in den sozialen Medien zurzeit einen regelrechten Hype der LGBTQI-Bewegung. Muss sich die Kirche da nicht den Vorwurf gefallen lassen, da auf einen Trend aufzuspringen, vielleicht auch mit dem Ziel, dem Mitgliederschwund entgegen zu wirken?

Kreiner: Das würde ich nicht so sehen. Wir alle wissen aus eigenen Bezügen im Freundeskreis, in der Verwandtschaft, queere Menschen sind schon immer da. Dass es dafür jetzt Namen und Begrifflichkeiten gibt, das ist vielleicht das Neue, also diese Enttabuisierung. Und vielleicht ist es manchen auch ein bisschen zu verwirrend mit den vielen Begrifflichkeiten. Das ist bestimmt ein Phänomen dieser Suchbewegung, die die ganze Gesellschaft im Moment geht. Aber, dass die Verschiedenheit der Menschen da ist, das ist eindeutig und es ist die ureigene Aufgabe von Kirche, mit allen Menschen umzugehen, zu zeigen, du bist wertvoll. Und deswegen springen wir da nicht auf den Zug auf, sondern erfüllen unsere ureigene Aufgabe, wenn wir diese Botschaft raustragen: Du bist wertvoll, so wie Du bist. Aber die Frage der sexuellen Vielfalt ist ja nicht nur ein kirchliches Problem, sondern ein gesamtgesellschaftliches. Wenn ich allein daran denke, dass es bis in die 1990er Jahre hinein gedauert hat,  bis die Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgestellt hat, dass Homosexualität keine psychische Krankheit ist. Und ich befürchte, Schimpfworte wie “Schwuchtel“ kursieren immer noch auf dem Schulhof und solange das so ist, gibt es, glaube ich, für uns alle viel zu tun, um deutlich zu machen: Jeder Mensch hat Respekt verdient für sein Sosein.

SWR Aktuell: Es gibt ja auch kritische Stimmen, die sagen Kinder und Jugendliche werden viel zu früh mit diesen Themen konfrontiert. Sie werden da in ihrer Entwicklung verunsichert. Was sagen Sie dazu?

Kreiner: Ich sage dazu, dass die Sexualität eine Thematik ist, die sehr viel Verletzlichkeit in sich birgt. Deswegen ist es wichtig, zum Beispiel mit körperlicher Angleichung von sexueller Identität behutsam umzugehen und nicht zu schnell zu sein, gerade wenn es um Jugendliche geht. Deswegen bietet die römisch-katholische Kirche im Oktober für alle Interessierten eine große Tagung an zum Thema Transidentität, weil das genau dieser sensible Bereich ist, in dem alle im Moment in einer Suchbewegung sind und fragen: Was ist richtig? Wie werden wir den jungen Menschen gerecht, die auf der Suche sind und die doch eigentlich darin bestärkt werden sollen, so wie du bist, bist du gut. Du musst nicht erst anders werden. Wie kann ein Mensch sein Sosein entfalten, ausleben dürfen, ohne eingeschränkt zu sein? Ich glaube, das ist die große Aufgabe.

SWR Aktuell: Wie stehen Sie dazu, wenn zum Beispiel ein transsexueller Mensch in ihrer Kirche mit Kindern arbeitet. Sagen Sie da Sexualität ist eine ureigene persönliche Angelegenheit oder gibt es da auch Grenzen?

Kreiner: Sexualität ist Gabe und Aufgabe, ist ein wunderbares Geschenk, aber man muss damit auch verantwortlich umgehen. Das ist natürlich der Grundsatz, der immer zuerst gelten muss. Innerhalb dieses Rahmens ist, glaube ich, künftig sehr sehr viel mehr möglich als bisher in der Kirche möglich war. Da bin ich fest überzeugt, weil es immer selbstverständlicher wird, dass Menschen ihre Beziehungen und Identität leben und auch nicht mehr verstecken wollen. Die gesellschaftliche Akzeptanz dafür wird immer größer und die kirchliche wird auch immer größer. Zum Glück!

SWR Aktuell: Was sagt Rom denn dazu, dass es Sie und ihren Kollegen als Beauftragte für queere Menschen im Bistum Speyer gibt und ja auch in vielen anderen Bistümern in Deutschland?

Kreiner: Wir erleben eine Öffnung durch Papst Franziskus, der einfach viel freier und offener über Sexualität spricht, der sagt, dass Sexualität eine beglückende Angelegenheit ist, dass es schön ist, dass Gott uns die Sexualität geschenkt hat. Eindeutig ist die Position aus Rom aber noch nicht. Sie ist vieldeutig, vielleicht auch deswegen, weil sehr viele verschiedene Gruppen da weltkirchlich unterwegs sind, mit verschiedenen Standpunkten. Und da muss so etwas wie eine gemeinsame Mitte gefunden werden. Aber die kann nur da sein, wo Würde und Respekt vor der Identität eines jeden Einzelnen gewährleistet ist.

Speyer

Ausstellung zur Geschlechter-Vielfalt in der Gedächtniskirche Speyer: Wie schwul darf die Evangelische Kirche sein?

Lesben, Schwule, Transsexuelle - deutlich wie nie zeigt die evangelische Kirche der Pfalz, dass sie offen für sexuelle Vielfalt ist. Und sie eckt damit an, auch bei den eigenen Mitgliedern.

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Biegit Baltes