Weißer Ring in Neustadt sagt: "Die Opfer werden erneut zum Opfer"

Was machen lange Justizverfahren mit den Opfern von Verbrechen?

Stand

Von Autor/in Nicoletta Prevete

Seit Februar 2024 ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankenthal im Fall eines mutmaßlichen sexuellen Übergriffs auf ein 15-jähriges Mädchen in Speyer. Was machen solch lange Ermittlungszeiten mit den Opfern?

Im Februar 2024 meldete die Staatsanwaltschaft Frankenthal selbst: Ein 15-jähriges Mädchen soll auf einer Fastnachtsveranstaltung in Speyer womöglich Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden sein. Im Visier der Ermittler: vier junge Männer bzw. Jugendliche im Alter zwischen 15 und 19 Jahren.

Heute, 14 Monate später, teilt die Staatsanwaltschaft mit: "Mit Zwischenergebnissen bezüglich der Auswertung von Spuren kann frühestens in etwa vier Wochen gerechnet werden. Wann die Ermittlungen jedoch vollständig abgeschlossen sein werden und zu welchen Schlussfolgerungen die Staatsanwaltschaft dann kommt, kann derzeit nicht prognostiziert werden."

Der Ort der Faschingsparty in Speyer
Hier soll bei einer Faschingsparty in Speyer eine 15-Jährige Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden sein

Bis ein Prozess beginnt kann es bis zu zwei Jahre dauern

Der Verein Frauen- und Mädchennotruf in Speyer teilt auf Anfrage mit, in der Regel dauert es bis zu zwei Jahre bis es im Fall von sexuellen Übergriffen oder Vergewaltigungen zu einem Prozess kommt. Wenn es zu einem Prozess kommt. Denn: Von 1.000 Fällen werden 100 angezeigt und in acht Fällen kommt es dann tatsächlich zu einer Verurteilung der Täter, so Ilga Schmitz, Leiterin des Frauen- und Mädchennotrufs in Speyer.

Staatsanwaltschaft Frankenthal
Staatsanwaltschaft Frankenthal

"Wenn es so lange dauert bis es zu einer Anklage kommt, kann das Opfer mit der Tat nicht abschließen", erklärt Ilga Schmitz. Heinz Hussy ist Leiter der Außenstelle des Weißen Rings in Neustadt an der Weinstraße. Der Weiße Ring kümmert sich um Opfer von Verbrechen, nicht nur bei Sexualdelikten.

"Bei so langen Verfahren werden Opfer zum zweiten Mal zu Opfern gemacht, weil Behörden nicht funktionieren, wie sie sollen."

"Bei so langen Verfahren werden Opfer zum zweiten Mal zum Opfer, nur weil die entsprechenden Behörden nicht so funktionieren, wie sie sollen. Menschen wollen mit dem Erlebten abschließen. Aber so werden sie dauerhaft traumatisiert und dauerhaft zum Opfer gemacht", ist Heinz Hussy da ganz klar.

Beratungsstellen empfehlen Opfern: Anwalt nehmen von Anfang an

Wichtig sei es, sich von Anfang an einen Anwalt zu nehmen, so der Frauen- und Mädchennotruf. Das unterstützt auch der Weiße Ring. Sonst könne es passieren, dass man als Opfer eines Sexualdeliktes Monate, gar Jahre später erst wieder vom Verfahren etwas mitbekomme - nämlich dann, wenn man für seine Aussage zu Gericht geladen würde.

Weisser Ring
Der Weiße Ring hilft Opfern von Verbrechen

Anwälte könnten zum Beispiel darauf pochen, dass die Polizei eine Videovernehmung durchführt. Auf diese Weise sei es möglich, dem Opfer eine Aussage vor Gericht zu ersparen. Das Video gelte dann als Aussage. Das sei gerade für minderjährige Opfer einer Sexualstraftat sehr wichtig. Zudem haben Anwälte womöglich Einblicke in Gutachten, die von den Staatsanwaltschaften in Auftrag gegeben werden. Und könnten bei Bedarf Gegengutachten erstellen lassen, so Hussy.

Schnell therapeutische Hilfe annehmen

Beide Beratungsstellen raten Betroffenen unbedingt, sich schnell in therapeutische Betreuung zu begeben. Der Frauen- und Mädchennotruf kann Betroffene schnell und unkompliziert beraten. Bei Minderjährigen auch die Eltern mit versorgen. Das Opfer entscheide selbst, wann und wie oft es in die Beratung kommt und auch worüber gesprochen werden soll. "Opfer einer Sexualstraftat haben ein Maximum an Kontrollverlust erlebt, daher sollen sie bei uns absolut selbst bestimmt entscheiden, in welchem Rahmen und wie ihnen geholfen werden soll", erklärt Ilga Schmitz vom Frauen- und Mädchennotruf Speyer.

Frauennotruf Trier
In Beratungsstellen des Frauen- und Mädchennotrufs wird Opfern von Sexualstraftaten schnell und unkompliziert geholfen

Trauma-Ambulanzen helfen schnell und unkompliziert

Auch Heinz Hussy weist daraufhin, dass Opfern von Verbrechen eine schnelle psychotherapeutische Beratung zusteht. In Rheinland-Pfalz gibt es neun Trauma-Ambulanzen. Dort bekommt man innerhalb von 14 Tagen einen Termin. Nach zwei Sitzungen wird dann ein Antrag auf eine Psychotherapie gestellt, diese umfasst dann 15 Sitzungen. Aber auch danach können Opfer weiter betreut werden, so Hussy.

Beide Beratungsstellen - der Frauen- und Mädchennotruf und der Weiße Ring - fordern: Die Politik müsse Staatsanwaltschaften und Gerichte personell so aufstellen, dass Ermittlungen und Prozesse möglichst schnell über die Bühne gehen. "Den Opfern beginnt es nach den Therapiesitzungen allmählich wieder besser zu gehen. Dann kommt der Prozess und sie werden wieder traumatisiert", so Heinz Hussy.

Nur die Täter haben Schuld, nicht die Opfer

Je länger solche Verfahren dauern würden, desto mehr würden Opfer darüber nachdenken, ob sie nicht doch am Geschehen schuld seien. Oft gerieten die Opfer in eine chronische Traumatisierung. Daher müssten Verfahren schnell über die Bühne gehen. "Es sind aber allein die Täter schuld, nicht die Opfer", betont Heinz Hussy vom Weißen Ring.

Missverständliches Signal an die Täter

Dem stimmt auch Ilga Schmitz zu: "Die Betroffenen können so nicht mit dem Geschehen abschließen, wenn die Verfahren so lange dauern. Und die Täter bekommen das Signal 'ist ja alles nicht so wild, was ich da gemacht habe, kann ich ja weitermachen'", erklärt die Leiterin des Frauen- und Mädchennotrufs Speyer.

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Nicoletta Prevete