Demonstration Neustadt Demokratiefest (Foto: Twitter/Doxograf)

Nach Demonstration bei Demokratiefest

Hambacher Schloss: Hat die Stadtverwaltung bei der Sicherheit versagt?

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Nach dem Demokratiefest auf dem Hambacher Schloss in Neustadt an der Weinstraße gibt es Kritik am Sicherheitskonzept der Stadtverwaltung. Etwa 3.000 Menschen hatten die Feier dort gestört.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund Pfalz und die Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt werfen der Stadt vor, die Lage falsch eingeschätzt zu haben. Tausende weiß gekleidete Demonstranten, darunter nach Angaben von Augenzeugen auch Reichsbürger und Querdenker, hatten am Samstagnachmittag die Veranstaltung massiv gestört. 

Demonstration Neustadt Demokratiefest (Foto: Twitter/Doxograf)
Demonstration beim Demokratiefest auf dem Hambacher Schloss in Neustadt. Etwa 3.000 Menschen in weiß sollen sich dort versammelt haben.

Das Ordnungsamt der Stadt Neustadt hatte einen ungenehmigten Zug mit etwa 800 Menschen als Versammlung eingestuft und kurzfristig zugelassen. Ursprünglich hatte die Stadtverwaltung Neustadt eine angemeldete Kundgebung mit 30.000 Teilnehmern untersagt. Die Polizei hatte mehrere Gruppen zum Hambacher Schloss begleitet. Aber es waren mehr als diese Personen. Laut der Stiftung Hambacher Schloss wurden dort Festgäste beleidigt und Teilnehmer beschimpft. Das Festprogramm musste unterbrochen werden, der Zugang zum Schloss wurde aus Sicherheitsgründen zeitweise für alle Besucher geschlossen. 

NS-Gedenkstätte sollte wegen Demo Infostand abbauen

Die NS-Gedenkstätte war vor dem Hambacher Schloss mit einem Infostand vertreten. Laut einer Sprecherin waren ehrenamtliche Helfer bedrängt und ein Nachfahre von Opfern des Holocaust antisemitisch beleidigt worden.

"Wir hatten uns auf ein Familienfest gefreut und wollten mit Leuten über Demokratie ins Gespräch kommen. Das war jedoch überhaupt nicht möglich."

Anja-Maria Bassimir, stellvertretende Vorsitzende der Gedenkstätte, erzählt dem SWR: "Wir sind von einer weißen Flut überrollt worden und hatten Polizeischutz. Die Bilder sind entsetzlich, eine uniformierte Masse, die dieses Wahrzeichen der Demokratie für sich vereinnahmen möchte und wir werden abgedrängt. Wir sind aufgefordert worden, damit wir nicht provozieren, unsere Fahnen und unsere Banner einzurollen und unseren Stand abzubauen. Wir wurden auch mit Müll beworfen."

Stadt Neustadt will Selbstkritik üben

Der Oberbürgermeister von Neustadt, Marc Weigel (FWG), sagte, dass er die Störungen des Festes bedauere, bei dem es ja um Demokratie und Meinungsfreiheit ging. Die Demonstranten seien sehr laut und störend gewesen, aber nicht gewalttätig. Daher habe es auch keinen Anlass für die Ordnungsbehörden gegeben, die Demonstration zu verbieten. Die Lage sei aber unübersichtlich gewesen, weil viele der Protestierenden in kleinen Gruppen auf verschiedenen Wanderwegen zum Schloss kamen. Auf einem Parkplatz vor dem Schloss sei eine Gruppe von etwa 800 Menschen dann als Versammlung eingestuft und zugelassen worden. Die Stadtverwaltung sah keine Gefahr von der Kundgebung ausgehen.

Der zuständige Ordnungsdezernent von Neustadt, Bürgermeister Stefan Ulrich (CDU), sagte dem SWR: "Diese Bilder, die entstanden sind, schmerzen sehr und mir tut es auch sehr leid für die Ehrenamtlichen auf dem Schloss, die hier ein unglaubliches Engagement und Programm entwickelt haben."

"Diese Bilder, die entstanden sind, schmerzen sehr."

Die Stadt werde jetzt Manöverkritik üben und die Veranstaltung "sehr, sehr gründlich" nachbereiten, so Ulrich.

Die Polizei sagte dem SWR, der Protest sei größtenteils friedlich gewesen, bisher habe es auch keine Strafanzeigen gegeben. Einige Demonstranten hätten ihre Meinung zwar lautstark geäußert, aber die Beamten vor Ort konnten keine Bedrohungen oder Ausschreitungen feststellen. Lediglich eine Flagge mit verfassungsfeindlichem Motiv sei sichergestellt worden.

Nach Demo: Ehrenamtliche wünscht sich wehrhafte Demokratie

Nach diesem Erlebnis wünscht sich Anja-Maria Bassimir eine wehrhafte Demokratie: "Wir haben vielleicht alle diese Gefahr unterschätzt oder die Art der Mobilisierung dieser Antidemokraten. Da waren unterschiedliche Leute darunter: Gegner der Coronapolitik und Impfgegner, Reichsbürger und Neonazis. Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass da andere Strategien entwickelt werden. Und dass das, was der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck bei der Preisverleihung gesagt hat, dass wir eine wehrhafte Demokratie sind, dass das auch gelebt wird. Und dass man solchen Leuten, die klar gegen die Demokratie agieren, auch ihre Grenzen aufzeigt."

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